Kaiser, Wolfgang: Diversity Management -
Eine neue Managementkultur der Vielfalt - für ein neues Image der Bibliotheken


- Berlin: Simon Verlag für Bibliothekswissen, 2008. 135 S.

"Anders sein" ist cool, ist trendig und hat Konjunktur. Das gilt um das branchenspezifische Understatement entschärft auch für das Bibliothekswesen. Und so war mit einer Publikation wider die betriebliche Monokultur und für die Kultur der Vielfalt in der Bibliotheksverwaltung eigentlich zu rechnen. Zumal das Thema in Nordamerika und Skandinavien - wo die hiesige Fachwelt gern hinschielt - schon seit einiger Zeit aktiv bearbeitet wird und auch bereits zu alltagspraktischen Projekten geführt hat. Dass das anzuzeigende Buch erschienen ist, kann zweifellos begrüsst werden. Es ist zu hoffen, dass sein Autor mit seiner etwas mehr als 100seitigen Arbeit eine Fachdiskussion anstösst, die das Berufsbild "Fachfrau/Fachmann Bibliothek" diversifiziert und das Dienstleistungsportfolio von Informations- und Dokumentationseinrichtungen nachhaltig verbessern hilft.

Wolfgang Kaiser hat mit der vorliegenden Diplomarbeit sein Bibliotheksstudium abgeschlossen. Er wählte einen theoretischen und nicht den üblichen empirischen Ansatz für ein Marketingthema; entsprechend grundsätzlich stellt er sich in seiner Arbeit die Frage nach der Wechselwirkung zwischen der Vielfalt des Bibliothekspersonals und der Attraktivität der Bibliothek für segmentäre potentielle Nutzer/innengruppen. Im Fazit (S. 100f) isoliert er "Diversity Management" als Schlüsselmethode zum Imagewechsel von Bibliotheken: Mit multikulturellem Personal die Heile-Welt-Monokultur von Bibliotheken aufbrechen und Minderheiten ansprechen. Und da bemüht er gar nicht mehr das Understatement der Branche, sondern formuliert ungewohnt frisch und streckenweise gar frech einen aktuellen Anspruch von Bibliotheken.

Auch wenn die Arbeit die theoretische Metaebene nur sporadisch verlässt, lässt sich für den empirisch arbeitenden Bibliotheksverantwortlichen die eine oder andere Anregung aufnehmen. So liest man interessiert die Beispiele über das Diversity Trainingsprogramm für das Personal der Ocean County Library (USA, S. 77), die Diversity Strategy für die Bibliotheken in der Grafschaft Lincolnshire (GB, S. 81) oder das Integrationsmodell der Gellerup Bibliothek in Aarhus (DK, S. 83). Diese leider nur vereinzelt gestreuten Körner bibliothekarischer Alltagsbeispiele sind denn auch das Salz in der Lektüre-Suppe. Freilich mag man dem jungen Autoren diese Schwäche verzeihen, denn er hat sich auf Spurensuche im Neuland begeben, wo die Beispiele praktischer Umsetzungen im deutschsprachigen Raum noch rar sind. Trotzdem gäbe es sie auch hierzulande, wie zB das Senior/innenprogramm in Straubing, die interkulturellen Bibliotheken in Berlin, die sich dem Kulturaustausch verschrieben haben, oder die Zusammenarbeit der interkulturellen Bibliotheken in der Vereinigung "Bücher ohne Grenzen Schweiz".

Ins Zentrum seiner Arbeit stellt Kaiser die These, dass Bibliotheken sich in einer sich rasant wandelnden Gesellschaft neu positionieren müssen, um auch in Zukunft eine Legitimation zu haben. Zunehmend sollen Bibliotheken Aufgaben erfüllen, die sie traditionell nicht wahrgenommen haben (S. 21). Sie bereiten Wissen auf für ein pluralistisches Publikum, sie fördern die Integration aller sozialen Gruppen, die Chancengleichheit anstrebt, und sie leisten einen Beitrag zum Service Public. Dies gelingt nur, insofern jenen Gruppen der Zugang zur Institution Bibliothek erleichtert wird, die ihre Möglichkeiten aus eigener Kraft nicht entfalten können. Dabei wird die kommunikative Fähigkeit der Mitarbeitenden zur Schlüsselqualifikation künftigen Bibliothekshandelns (S. 34ff), weshalb der Autor in seinem letzten Kapitel auf die besondere Verpflichtung der Informations- und Dokumentationshochschulen hinweist, die angehenden Berufsleute mit den zukunftsweisenden berufsspezifischen Qualifikationen besser zu rüsten. Dazu zählt er explizit Studiengänge in Diversity Management (S. 92).

Auch wenn die Diplomarbeit zahlreiche Themen nur anschneidet und die Antwort bezüglich der praktischen Umsetzung von Diversity Management im bibliothekarischen Alltag schuldig bleibt, ist die Auseinandersetzung mit den Thesen des Autors anregend. Das Bändchen ist lesenswert und man wünscht sich für die Zukunft eine breitere Diskussion dieser Themen.

Dr. Hermann Romer
Winterthurer Bibliotheken
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