Schenk, Dietmar: Kleine Theorie des Archivs


- Stuttgart: Franz Steiner Verl., 2008. 112 S.
- ISBN 978-3-515-09143-5 Euro 19.00

Dietmar Schenk, Leiter des Archivs der Universität der Künste Berlin, will mit seinen Ausführungen den Blick auf die Grundlagen der Archivarbeit richten und den Versuch unternehmen, "das historische Archiv gedanklich zu fassen." (S. 9) Die über die Fachwelt hinausweisenden Resultate der Archivistik sind Schenk zufolge zu wenig bekannt und fließen deshalb in allgemeine Debatten kaum ein. "Dieses Defizit ein Stückweit zu beheben und Brücken zu schlagen, ist ein Ziel des kleinen vorliegenden Buches" (S. 9) - ein "grenzgängerisches Unternehmen" (S. 10), das sich m.E. sehr gelohnt hat.1

Aus der Vielfalt der behandelten Themen greift der Rezensent nur einige Fragestellungen heraus. Dies ist sicherlich eine unvollständige Zusammenfassung, er hätte jedoch sein Ziel erreicht, wenn viele Leser dieser Zeitschrift zu dem Büchlein greifen würden.

Das erste Kapitel erfasst den Diskussionsstand über den Zusammenhang von Archivtheorie und Informationswissenschaft und von Archivtheorie und Geschichtstheorie - mit einem klaren Bekenntnis zur Geschichtswissenschaft ("Es war die Stärke der Archivare früherer Generationen, dass sie sich auch als Historiker verstanden." S. 17) und einer Absage an die Archivistik als eine historisch orientierte Informationswissenschaft mit stark eingeschränktem Bezug zur Historie.

Die folgenden drei Kapitel befassen sich mit Aspekten des Phänomens Geschichte, die in einer Theorie des Archivs berücksichtigt werden müssen: Gedächtnis und Archiv, Alltag und geschichtliche Welt, das historische Material.

Das fünfte bis achte Kapitel beschreiben die Institution Archiv und die mit ihr verbundene Praxis: Was ist ein Archiv?, der Beruf des Archivars, Normen der Archivierung und abschließend der Werkstattbericht über den Aufbau und die Konsolidierung des Archivs der Universität der Künste Berlin.

Das letzte Kapitel ist ein Plädoyer für das historische Archiv: Vom Nutzen des Archivs, von den Archiven im gesellschaftlichen Wandel und von der Ethik und Politik des Archivs. Abschließend soll auf einige von Dietmar Schenk angesprochene Themen hingewiesen werden, die ihre Entsprechung auch im Bibliothekswesen haben.

Fazit: Ein verdienstvolles Unternehmen, ein wichtiger Ansatz zur Diskussion über die Institution Archiv und den Beruf des Archivars im 21. Jahrhundert, kenntnisreich und engagiert. Nach der Lektüre kann man nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Interdisziplinäre Arbeit zahlt sich immer aus!

Von dem Buch profitieren

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin
dieter.schmidmaier@schmidma.com


Anmerkungen

1. Ein anderer interdisziplinärer Gedanke wird von dem früheren Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz favorisiert: Lehmann, Klaus Dieter: Bild, Buch und Arche: Bibliothek und Museum im 21. Jahrhundert / Mit einem Vorwort von Hermann Parzinger. Berlin, 2008. 255 S.

2. Die besondere Bibliothek oder: Die Faszination von Büchersammlungen / Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz ; Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin e.V. Hrsg. von Antonius Jammers; Dietger Pforte; Winfried Sühlo. München, 2002. XVI; 344 S.