IFLA Library Building Guidelines: Developments & Reflections

Edited on behalf of IFLA by Karen Latimer and Hellen Niegaard


- München, K.G.Saur 2007. 266 S.(engl.)
- ISBN 978-3-598-11768-8. EUR 58,-

In dem Sammelband werden im Rahmen von 16 Einzelbeiträgen von Autoren aus Grossbritannien, Dänemark, den USA, Kanada, Frankreich, Australien, Spanien und Deutschland Überlegungen und Hinweise zur Planung von Bibliotheksbauten erörtert. Im Anhang befinden sich Abbildungen und Grundrisse sowie ein Register.

In der Einführung betonen die Herausgeberinnen, dass es sich bei den Texten nicht um allgemein gültige Richtlinien oder verbindliche Empfehlungen handelt; Bibliothekare und Architekten sollten sich auch an regionalen und örtlichen Gegebenheiten orientieren. Anders als in Deutschland werden in den angelsächsischen Ländern die Funktionen von 'öffentlichen' und 'akademischen' Bibliotheken meist nicht deutlich unterschieden, weshalb ein Vergleich etwas schwierig erscheint, da es bei uns insbesondere bei der Finanzierung und den quantitativen Vorgaben für Bibliotheksgebäude aufgrund der föderalen Strukturen eine schärfere Trennung zwischen Kommunen und Ländern gibt; bei der Planung von Bibliotheksgebäuden spielen die Unterschiede allerdings - anders als bei der organisatorischen Planung - eine geringere Rolle.

Die Beiträge der Publikation sind in zwei Gruppen unterteilt: Die des ersten Teils befassen sich mit allgemeinen und aktuellen Fragen der Konzeption von Bibliotheksgebäuden, während die des zweiten Teils ausführlichere Hinweise und Empfehlungen zur Erarbeitung von Raumbedarfsprogrammen und zum Beispiel auch zu Fragen der inneren Gestaltung sowie zu Klima, Belichtung und Beleuchtung, Akustik, Sicherheit und anderen eher technischen Problemen behandeln.

Die Beiträge des ersten Teils sind allerdings - bis auf Ausnahmen - wenig hilfreich für die praktische Bauplanung von Bibliotheksgebäuden. Die Aufzählung von Gesichtspunkten, die den Bibliothekaren zur Erarbeitung einer organisatorischen Konzeption der zu planenden Bibliothek empfohlen werden, dürften entweder selbstverständlich oder aber nicht ohne Weiteres auf die jeweiligen Verhältnisse übertragbar sein; der erste Teil der "Guidelines" kann aber auch kaum die Erwartungen der Planenden Architekten befriedigen, weil die Hinweise zu allgemein und zu wenig quantifiziert sind.

Im ersten der sechzehn Beiträge stellt Andrew McDonald, Direktor der Bibliothek der Universität von East London (GB), in einem "Zehn-Punkte-Programm" - man denkt gleich an die "Ten Commandments" von Faulkner-Brown (der allerdings in den weiteren Beiträgen kaum erwähnt wird) - Forderungen an ein Bibliotheksgebäude vor; im Vergleich zu den Ten Commandments fallen diese Forderungen jedoch weitaus weniger präzise aus. Hellen Niegaard, Danish Library Association (DK), geht auf die Veränderungen der Bibliotheken in Struktur und Organisation ein. Sie weist auf die wachsende Bedeutung des online-Zugriffs auf die Bestände und die damit verbundenen Konsequenzen für die Aufstellung von Raumbedarfsplänen hin - sofern dies nicht schon selbstverständlich sein sollte. Ein nützlicher Hinweis gilt der zunehmenden Kooperation zwischen öffentlichen und akademischen Bibliotheken und den damit zusammenhängenden sich verändernden Verhaltensweisen der Benutzer - eine Entwicklung, der bislang noch nicht in allen Ländern gebührende Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Autorin geht ebenfalls auf die Funktion eines Bibliotheksgebäudes als sichtbares Identifikationszeichen für die jeweilige Kommune oder Hochschule ein; sie spricht auch von 'erfolgreichen' Bibliotheken. Karen Latimer, Queen's University Belfast (UK), weist auf die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit zwischen Architekt und Nutzer hin und warnt dabei vor der Gefahr, dass der Architekt sein Hauptaugenmerk auf die Schaffung (s)eines Architekturdenkmals richten könnte.

Der Flächenbedarf, insbesondere für Leseplätze, wird in mehreren Beiträgen erörtert, meist jedoch ohne dass genauere Zahlen genannt werden. Anders C. Dahlgren, Library Planning Associates, Illinois (USA), erwähnt, dass es keine international anerkannten Standards für den Flächenbedarf von Leseplätzen gibt, nennt aber pauschal 3.oo m² pro Platz, was indessen wenig hilfreich für die genauere Planung sein dürfte. Marie-Françoise Bisbrouck, UB Sorbonne Paris (F), nennt als Flächenbedarf wenigstens für die Mitarbeiter genauere Zahlen in Tabellenform.

In einem weiteren Beitrag zitiert Andrew McDonald aus dem Wisconsin Library Building Project Handbook ein schematisches Programm für den Bau eines Bibliotheksgebäudes vom Planungsbeginn bis zur Fertigstellung, das allerdings in Bezug auf die Einwirkung der Bibliothekare auf Finanzierung und Bauausführung kaum auf die Verhältnisse in anderen Ländern übertragbar sein dürfte. Hervorzuheben ist aber sicherlich sein Hinweis auf die notwendige Heranziehung von Beratern für Planung und technische Fragen.

Der zweite Teil des Bandes befasst sich mit 'Richtlinien' - oder Empfehlungen - für die Planung von Bibliotheksgebäuden, anhand von auf praktischen Projektabläufen basierenden Erfahrungen, die systematisiert und teils in Tabellenform, teils in Form von Diagrammen, Grundrissen und Abbildungen veranschaulicht werden.

Dieser zweite Teil beginnt mit einem Beitrag von Marie-Françoise Bisbrouck, in dem sie den Planungsablauf und die den einzelnen Planungsphasen zuzuordnenden Dokumentationen, Zeitabläufe und personellen Zuständigkeiten analysiert und dies in Tabellenform anschaulich darstellt. Anders C. Dahlgren erläutert detailliert die Methodik zur Ermittlung des Flächenbedarfs von Bibliotheken und weist dabei auch auf die Schwierigkeiten bei der Einschätzung der zukünftigen Entwicklung hin, die von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein kann. Cecilia Kugler, Design International, Sidney (AUS), befasst sich ausführlich mit der Gestaltung von Bibliotheksräumen, wobei sie offensichtlich vor allem öffentliche Bibliotheken im Blick hat; Konzeption, Anziehungskraft auf Benutzer aller Altersstufen und eine angenehme Atmosphäre spielen für sie eine bedeutsame Rolle; es ist ihr wichtig, welchen "Erfolg" (?) eine Bibliothek haben kann. Ausführlich beschreibt Santi Romero, Architekt und Leiter der Bauabteilung der Diputación de Barcelona (E), den Projektablauf bei Bibliotheksgebäuden unter dem Blickwinkel des planenden Architekten und widmet sich dabei besonders den Fragen der Flexibilität, des Zugangs, der Erweiterbarkeit, der Organisation und auch denen der Kosten und der Bauunterhaltung; er weist wiederholt auf den oft vernachlässigten Unterschied zwischen den bei Projektbeginn veranschlagten und den tatsächlichen Baukosten hin. Der Beitrag wird ergänzt durch eine Anzahl von Tabellen und Abbildungen. Nachhaltige Planung und 'Grüner' Betrieb von Bibliotheksgebäuden ist Gegenstand des Beitrages von Sean Wagner und Jeffrey Scherer (USA). Sparsamer Wassereinsatz wird ebenso erörtert wie Massnahmen zur Energieeinsparung, der Verminderung des Müllaufkommens und des umweltfreundlichen Betriebs. In einem kurzen, aber wichtigen Beitrag erklärt Olaf Eigenbrodt, Baureferent der UB der Humboldt-Universität Berlin (D), das Lesen von Plänen und anderen Planungsunterlagen, was das Verfolgen und gegebenenfalls Beeinflussen des Planungsprozesses erleichtert - und was leider nicht immer zu den erforderlichen Kenntnissen der mit der Planung befassten Bibliothekare gehört. Der Umgang mit bestehenden oder gar historischen Gebäuden ist Thema eines weiteren Beitrages von Santi Romero. Er erörtert Vorteile und Nachteile einer Nutzung solcher Bauten, von der Prüfung der konstruktiven Eignung und der Planung baulicher Massnahmen bis hin zu den oft schwierig zu lösenden Problemen bei der räumlichen Organisation. Er geht auch auf die Besonderheiten und oft reizvollen Möglichkeiten der unterschiedlichen Gebäudetypen, wie ehemalige Schlösser, Kirchen, Schulen, Krankenhäuser oder Industriegebäude, ein. In einem weiteren Text befasst sich Hellen Niegaard mit Standortfragen, deren Lösung eigentlich zum gängigen Repertoire jedes Stadtplaners gehören sollte. Dass man eine öffentliche Bibliothek möglichst nicht an einer umständlich zu erreichenden Stelle - zum Beispiel etwa Stadtrand - baut, oder dass man eine Hochschulbibliothek möglichst an einem zentralen und für Hochschulangehörige gut erreichbaren Standort auf dem Hochschulgelände errichtet, müsste eigentlich selbstverständlich sein - Ausnahmen wegen örtlich besonderer Bedingungen und Zwänge gibt es natürlich immer wieder. Marie-Françoise Bisbrouck stellt schliesslich einen Leitfaden für die Besichtigung von Bibliotheksgebäuden vor. Anhand einer 'Checkliste' wird die Beachtung von für die eigene Planung wichtige Punkten vorgeschlagen. Hierzu zählen zum Beispiel Angaben über Bestandsgrössen, Benutzer, Mitarbeiterräume und auch die technische Ausstattung; als aufschlussreich werden auch kritische Stellen und Planungsfehler genannt.

Im Anhang werden Empfehlungen und Richtlinien aus Frankreich und Spanien vorgestellt. Interessant ist, wie Marie-Françoise Bisbrouck schreibt, dass es in Frankreich keine offiziellen Standards gibt, lediglich Empfehlungen für die Planung von wissenschaftlichen Bibliotheken aus dem Jahre 2000 sowie solche für öffentliche Bibliotheken von 1996; die entsprechenden Ministerien haben diese Empfehlungen nie für verbindlich erklärt, nichtsdestoweniger werden für die Planung von wissenschaftlichen Bibliotheken die genannten - und hier in Tabellenform abgebildeten - Standards herangezogen.

Santi Romero erläutert die in der Provinz Barcelona angewandten Richtwerte für öffentliche Bibliotheken, deren gültige Fassung von Ende 2001 datiert. Beispiele für die beschriebenen französischen und spanischen Standards werden anhand von Abbildungen und Grundrissen gezeigt. Abschliessend wird noch auf die Überarbeitung des DIN Fachberichts 13 in Deutschland hingewiesen, die in diesem Herbst veröffentlicht werden soll. Auf der Grundlage der bisherigen Fassung wird die Gültigkeit des DIN Fachberichts 13 auch auf öffentliche Bibliotheken erweitert.

Der Band stellt eine durchaus lesenswerte Sammlung von Beiträgen zur Bibliotheksbauplanung dar, wenngleich sich auch bei der Vielzahl der Autoren und ihrer Texte viele inhaltliche Überschneidungen und Wiederholungen ergeben, wohingegen es viele Planungshinweise gibt, die sowohl für Architekten als auch für Bibliothekare eher selbstverständlich sein müssten. Wenige der Texte vermitteln praktisch anwendbare Planungswerte; dies betrifft vor allem Flächenrichtwerte, deren enger Zusammenhang mit der Finanzierung und ihrer Abstimmung mit den zuständigen Ministerien in den Erörterungen ausgespart bleibt. Über Fragen der Finanzierung erfährt der Leser wenig. Lediglich in dem Text von Andrew McDonald wird der Einsatz von privaten Mitteln - zum Beispiel in Form von 'Private Public Partnership' - behandelt, wie er vor allem in den angelsächsischen Ländern üblich ist, aber in anderen Ländern (wegen des Risikos einer einseitigen Einflussnahme) eher skeptisch betrachtet wird.

Robert Klaus Jopp
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