Kabo, Maria: Die Bibliothek als Integrationsfaktor

Die Vermittlung von Informationskompetenz an Menschen mit Migrationshintergrund

- Berlin: Simon Verl. für Bibliothekswesen, 2009. 116 S., Anh.
ISBN 978-3-940862-09-9 Euro 22.00

Maria Kabo verwendet in ihrer Untersuchung der Rolle der Bibliotheken bei der Vermittlung von Informationskompetenz an Menschen mit Migrationshintergrund statt des Begriffes „Migranten“ erfreulicherweise den umfassenderen Begriff „Menschen mit Migrationshintergrund“ und bezieht so neben den nicht eingebürgerten Migranten auch die deutschen Staatsbürger mit nicht-deutschen ethnischen Wurzeln wie deutsche Spätaussiedler und in Deutschland geborene Kinder und Enkelkinder mit einem oder zwei Elternteilen von Migranten ein. Angesichts der 15,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland hat das Thema für deutsche Bibliotheken eine große Bedeutung.

Die Arbeit besteht aus drei Teilen.

Im ersten Teil schafft die Autorin die theoretischen Grundlagen: Theoriegestützte Betrachtungen zur Informationskompetenz als Schlüsselqualifikation (Kap. 2) unter besonderer Berücksichtigung der Soziogruppe „Menschen mit Migrationshintergrund“ (Kap. 2.2), ihrer Integration in die Gesellschaft (2.3.1), ihrer Informationsbedürfnisse, die sich von denen der Deutschen zum Teil unterscheiden (2.3.2) und der Bedeutung der multikulturellen Bibliotheksarbeit (2.4) mit den Besonderheiten im Informationsverhalten und den darauf basierenden Besonderheiten bei der Aneignung von Informationskompetenz. Eine kompakte, sehr gelungene theoretische Einführung auf nur 31 Seiten.

Der zweite Teil ist der praktischen Umsetzung dieser theoretischen Vorgaben gewidmet. Um die gängigen Praktiken und den Stand der Vermittlung von Informationskompetenz erfassen zu können, hat die Autorin eine empirische Datenerhebung durchgeführt. Sie wählte die Methodik der qualitativen Forschung (3.2), „die sich auf eine relativ kleine Befragungsgruppe konzentriert und somit Validität und Reliabilität als zweitrangige Ziele verfolgt. Das Ziel der Datenerhebung war der Erhalt allgemeiner Erkenntnisse … an Bibliotheken der Stadt Berlin in Bezirken mit hohem Bevölkerungsanteil dieser Soziogruppe“ (S. 48). Das Datenerhebungsinstrument war das persönliche Interview (3.2.1 bis 3.2.3).

Die Auswertung der Interviews führt die Autorin m.E. zu drei Schwerpunkten bei der Vermittlung von Informationskompetenz:

  1. das Ausloten der verschiedenen Wege und Möglichkeiten im Rahmen der Bibliothekspädagogik (3.3)

  2. die Erweiterung der klassischen Kompetenzen der Bibliotheksmitarbeiter wie Katalogisierung und Bestandsaufbau durch spezielle Kompetenzen wie multikulturelle Kompetenz, Fremdsprachenkenntnisse und soziale Kompetenz (3.4)

  3. die altersspezifische Unterteilung der Soziogruppe und eine darauf zugeschnittene Gestaltung der Lehrinhalte (4), verbunden mit der Vorstellung mehrerer Projekte.

Die Arbeit zeigt, dass trotz der zahlreichen Richtlinien für multikulturelle Bibliotheksdienstleistungen die Entwicklung der Informationskompetenz erst am Anfang steht. Da die Autorin Absichtserklärungen zum Thema vermeidet und sich auf die praktische Umsetzung der theoretischen Grundlagen konzentriert, leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Bedeutung der Bibliothek als Integrationsfaktor. Das wird besonders sichtbar in den Ausführungen zu den drei genannten Schwerpunkten einschließlich der nachahmenswerten Projekte im Rahmen der altersspezifischen Differenzierung bei der Vermittlung der Informationskompetenz aus Berliner Bibliotheken.

Maria Kabo wurde in Taschkent in Usbekistan geboren, mit 15 Jahren zog sie nach Baschkortostan, einer autonomen Republik innerhalb Russlands, nach dem Schulabschluss studierte sie in deren Hauptstadt Ufa englische Philologie, seit 1999 lebt sie in Deutschland und begann hier ihre bibliothekarische Laufbahn. Sie kennt also aus eigener Anschauung die Tücken der Benutzung von Bibliotheken durch Menschen mit Migrantshintergrund. Ihre interessante Arbeit kann den Kolleginnen und Kollegen in den deutschen Bibliotheken viele Anregungen zur Vermittlung von Informationskompetenzen geben, und die sollten sie gut nutzen.

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
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