Mathews, Brian: Marketing Today's Academic Library

A Bold New Approach to Communicating with Students

- Chicago, IL: American Library Association, 2009. - XV, 171 S.: Ill. und graph. Darst.
978-0-8389-0984-3 USD 48

Marketing-Wissen ist im Bibliothekswesen mittlerweile recht verbreitet, oft hat man den Eindruck, dass derselbe Kanon in derselben Struktur immer wieder verbreitet und aufbereitet wird. Was also soll ein weiteres Buch in diesem Bereich? Nun legt man dieses Buch nach der Lektüre in der Tat aus der Hand und denkt: Das ist tatsächlich derselbe Stoff, aber wie lebendig auf einen bestimmten Bereich, nämlich die Hochschulbibliotheken, bezogen! Im Grunde ist es ein Lehrstück, wie man Marketing eben nicht als Standardwerkzeug einsetzt und sich beglückwünscht, in der richtigen Weise das Richtige getan zu haben, sondern als Instrumentarium, nachdem man versucht hat, sich der Zielgruppe "Studierende" so weit als möglich zu nähern und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen. Ein lebendiges Buch also, ein von Praxis gesättigtes Lehrstück, da der Autor aus seiner Praxis als "User Experience Librarian" am Georgia Institute of Technology in Atlanta schöpft (er schreibt übrigens auch in einem Weblog, "The Ubiquitous Librarian, theubiquitouslibrarian.typepad.com). Der erste Teil des Buches war für mich der Anfang, in dem er seine Erfahrungen schildert, wie stark er Kontakt zur Zielgruppe aufgenommen und ihre Bedürfnisse erforscht hat - Bedürfnisse, die man allzuoft der Zielgruppe "von Amts wegen" zuschreibt, da man nicht die Zeit und das Personal hat, sich dem stark anzunähern. Für ein erfolgreiches Marketing wäre das aber unabdingbar, da die Bedürfnisse weitaus diffuser sind, als vermutet. Seine Schilderungen zeigen: Es ist eine Lebenswelt, die die Bibliothek für die Studierenden darstellt und sie treiben hier manches, was nicht mit der bibliothekarischen Perspektive übereinstimmt, sie ruhen sich aus, kommunizieren und nutzen die Bibliothek quasi als Büro, nicht nur für das Studium. Aus deutscher Sicht - oder sollte man sagen: aus der Sicht deutscher Personalausstattung? - freilich ist der Aufwand aberwitzig, den der Autor getrieben hat und den akademische Bibliotheken in den USA (Stichwort: Öffnungszeiten) in der Lage sind zu treiben. Gleichwohl: Man kann ja ohne weiteres dieses Buch lesen und sich hierdurch inspirieren lassen. Er gibt Beispiele, wie man Benutzer(bedürfnisse) definieren und typologisieren kann. Dann behandelt er die Frage, wie die Bibliothek darauf reagieren, wie sie sich als Produkt definieren kann. Hier wird klar: Es geht nicht darum, in einer Linie auf Benutzerbedürfnisse zu reagieren, sondern im Rahmen seiner Verhältnisse strategisch darauf einzugehen. Er gibt hierzu dem Leser/der Leserin die Methode der Entwicklung von "Produktlinien" an die Hand, indem man überlegt, welche Dienstleistungen möglich wären und wie man sie am besten zu einem stimmigen Produkt bündelt. Hier können durchaus mehrer mögliche Lösungen nebeneinander stehen und eine von ihnen dann verwirklicht werden.

Die weiteren Teile des Buches behandeln dann eher vertrautes Gelände: Wie man Marketing-Untersuchungen durchführt, daraus Dienste und Marken generiert, Kommunikation zur Zielgruppe aufbaut, schriftliche Erzeugnisse der Bibliothek redaktionell richtig aufbereitet und wie man schlussendlich die Maßnahmen gut evaluiert. Hier befindet man sich zwar wieder in gewohntem Wasser - dennoch aber wird immer wieder der genaue Blick auf die Zielgruppenbedürfnisse und die exakte Anpassung der Maßnahmen an diese dargestellt und geübt.

Gerade wenn auch der deutsche Blick nicht so genau sein kann, weil Stellenkürzungen und Dienst entfernt vom Benutzer stattfindet, so ist dieses Buch doch hilfreich, einen neuen Blick, eine neue Annäherung an das Klientel zu machen und sich dadurch inspirieren zu lassen, gewohnte Mittel und Maßnahmen zu überdenken und an einigen zentralen Punkten nach und nach neu zu justieren. Ein Blick auf die Benutzerbedürfnisse kann nie schaden, oder? Das wäre aber auch meine Kritik an diesem Buch: Es ist gänzlich auf eine Zielgruppe, die Studierenden, ausgerichtet. Akademische Bibliotheken haben aber mehr Kundschaft, oder? Wissenschaftler, Lehrende wie Forschende, Hilfskräfte, Gastwissenschaftler etc. - das Buch ist ein Ansporn, sich gedanklich auch ihnen neu zu nähern und beispielsweise zu überlegen, wie stark sich ihre Bedürfnisse mit dem Aufkommen elektronischer Quellen geändert hat. Gerade in Zeiten der Knappheit tut einen genauere Annäherung an Benutzerbedürfnisse not. Dieses Werk könnte das Handbuch dafür abgeben.

Dr. Jürgen Plieninger
Bibliothek des Instituts für Politikwissenschaft
Universität Tübingen
juergen.plieninger@uni-tuebingen.de