B.I.T.online - Zeitschrift für Bibliothek, Information und Technologie

Neues aus Großbritannien:

Verbundsysteme in Großbritannien

von Alice Keller

Das Thema Verbundsysteme wird derzeit in Deutschland ausführlich diskutiert. Aus diesem Anlass habe ich mich entschieden, die Situation in Großbritannien näher zu untersuchen und in einem Artikel aufzuarbeiten.

Wir alle wissen, was mit Bibliotheksverbünden oder bibliothekarischen Verbundsystemen gemeint ist. Wir sprechen hier von Zusammenschlüssen von Bibliotheken, die kooperative Katalogisierung und Sacherschließung von Monographien und Zeitschriften leisten, Fernleihe in ihrem Gebiet koordinieren und zentrale Aufgaben wie Fortbildung, Datenverarbeitung und andere Dienstleistungen wahrnehmen.

Sucht man allerdings nach diesem Konzept in Großbritannien, so findet man nichts direkt Vergleichbares. Schon die Übersetzung von Begriffen wie „Bibliotheksverbund“ oder „Verbundsystem“ ins Englische ist problematisch. Je nach Interpretation könnte man von „consortium“, „union catalogue“ oder „library system“ sprechen, wobei diese Begriffe im Englischen sehr unterschiedliche Bedeutung haben.

Ich musste mich folglich auf andere Weise an das Thema annähern. Ich entschied mich also, die verschiedenen Facetten eines Bibliotheksverbundes zu identifizieren und ihr Analog in Großbritannien zu finden und zu beschreiben.

Ich beginne hiermit mit den nationalen Strukturen und Einrichtungen, die die kooperative Arbeit zwischen den Bibliotheken vorantreiben. Eng damit zusammen hängen die vorhandenen Gesamt- oder Zentralkataloge in Großbritannien. Ein Blick auf die Verteilung der Bibliothekssysteme (Software) gibt gute Einsicht in die Heterogenität der Systemlandschaft. Danach beschreibe ich einige Zusammenschlüsse von Bibliotheken, die gegebenenfalls als Bibliotheksverbund bezeichnet werden könnten. Zur Vervollständigung des Bildes befasse ich mich kurz mit den Einkaufskonsortien. In einer Zusammenfassung wage ich schließlich eine kurze Erklärung, wieso die Lage in Großbritannien so anders ist wie in den deutschsprachigen Ländern.

1. Strukturen zur Förderung der kooperativen Arbeit zwischen Bibliotheken

SCONUL (Society of College, National and University Libraries)

Ich beginne mit SCONUL, nicht weil es die größte oder wichtigste Organisation in diesem Zusammenhang ist, sondern weil hier sämtliche wissenschaftliche Bibliotheken des Landes zusammengefasst werden. SCONUL, gegründet 1950, hat 200 Mitglieder, wozu alle Universitätsbibliotheken, Nationalbibliotheken und andere Hoch- oder Weiterbildungseinrichtungen gehören. Das zentrale Büro von SCONUL ist klein, der Großteil der Arbeit wird durch Expertengruppen oder den Steuerungsausschuss erledigt.

SCONUL koordiniert die Zulassung und die gegenseitige Ausleihe in Teilnehmerbibliotheken, veröffentlicht die jährliche Bibliotheksstatistik, betreibt politisches Lobbying für die Bibliotheken, und fördert die berufliche Weiterbildung.

Im Zusammenhang mit Verbundsystemen ist das Programm SCONUL Access von Bedeutung. SCONUL Access verleiht gemeinsame Benutzerausweise an Mitarbeitende und Studierende der teilnehmenden Hochschulen. Der Ausweis verleiht auch Ausleihrechte für Wissenschaftler und Studierende höherer Semester. Von den 200 SCONUL-Teilnehmerbibliotheken sind 159 Mitglied beim SCONUL Access Programm. Leider sind allerdings einige der größten Sammlungen ausgeschlossen, da diese eigene – zum Teil präzisere – Zulassungskriterien für auswärtige Hochschulangehörige entwickelt haben. Hierzu gehören u.a. die British Library, Oxford und Cambridge.

Research Libraries UK (RLUK)

Obwohl SCONUL von der Teilnehmerzahl her größer ist, hat eigentlich die Organisation Research Libraries UK (RLUK) größeren Einfluss auf die überregionalen Bibliotheksaktivitäten in Großbritannien. RLUK (früher CURL) unterstützt die Forschungsbibliotheken in Großbritannien und ist auch international ausgerichtet. RLUK hat einen selbstsicheren Auftritt und arbeitet mit leistungsfähigen Partnern. Angeführt wird die Organisation durch einen Führungsausschuss von Bibliotheksdirektoren.

RLUK hat 29 Mitgliederbibliotheken, wozu die Nationalbibliotheken (British Library, Wales, Schottland), die führenden Universitätsbibliotheken, sowie einige Spezialbibliotheken gehören (z.B. Wellcome Library, V&A Museum).

Im unserem Zusammenhang ist die Resource Discovery Strategy Group von Bedeutung. Diese Gruppe ist, stellvertretend und im Auftrag von JISC, zuständig für die strategische Entwicklung der RLUK Datenbank, von Copac und des Archives Hub.

Copac, der frei zugängliche OPAC der RLUK Datenbank, wird weiter unten näher beschrieben. Allerdings soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die RLUK Datenbank ein wichtiges Fremddatenpool für die Teilnehmerbibliotheken darstellt. Gegen Bezahlung können auch andere Bibliotheken von dieser Dienstleistung profitieren.

JISC (Joint Information Systems Committee)

Der Einfluss von JISC ist in britischen Bibliotheken überall zu spüren. JISC wird von den Higher Education Funding Councils von England, Schottland und Wales finanziert, verfügt über ein großzügiges Jahresbudget von GBP 74 Mio. und hat im Vergleich zu den oben genannten Organisationen ein sehr weites Aufgabenfeld.

Die 1993 gegründete Initiative hat die Förderung des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien im Hochschul- und Weiterbildungsbereich, sowie die Verbesserung der nationalen und internationalen Zusammenarbeit bei der Lehre und Forschung zum Ziel.1

Für viele ist JISC ein Wirrwarr von Akronymen, aber wer genau hinsieht, findet etliche Bezüge zum Verbundthema. Für unsere Zwecke möchte ich auf die folgenden Dienste hinweisen, die vollständig oder anteilsmäßig von JISC finanziert werden:

  • Copac funktioniert als Gesamtkatalog für die Sammlungen der größten Universitätsbibliotheken sowie der Nationalbibliotheken Großbritanniens.
  • SUNCAT ist das britische Zentralverzeichnis aller Zeitschriften und zeitschriftenartiger Reihen in wissenschaftlichen Bibliotheken.
  • Zetoc bietet eine Z39.50 Schnittstelle zu den elektronischen Inhaltsverzeichnissen der Zeitschriften der British Library.

Unter den Projekten und Publikationen von JISC findet man allerdings auch weitere Initiativen, die gut zum Thema passen. Auf einen Bericht „Library Management Systems Horizon Scan” werde ich später näher eingehen. Interessant sind allerdings auch der Bericht zu den Online Katalogen und Interoperabilität von Repositorien, oder die Richtlinien zur Urheberrechtssituation bei Katalogdaten.2

Des Weiteren dient JISC auch als nationales Einkaufskonsortium für Datenbanken und elektronische Zeitschriften (via NESLi2).

RIN (Research Information Network)

Und wie wenn es nicht schon genug „Übergruppen“ gäbe, so wurde vor einigen Jahr auch noch das Research Information Network (RIN) ins Leben gerufen. Allerdings unterscheidet sich RIN in seiner Ausrichtung merklich von SCONUL und RLUK: denn hier sind nicht nur Bibliotheken, sondern auch Wissenschaftler stark vertreten. Dieser Einbezug von Wissenschaft und Forschung erweitert den Blickwinkel und stellt neue Bezüge in der Informationslandschaft her. Und im Gegensatz zu JISC spielt die British Library in RIN eine zentrale Rolle.

Das RIN beschreibt sich als „small policy unit“ und hat zum Ziel, besser zu verstehen, wie Wissenschaftler in Großbritannien Informationen aller Art sowohl produzieren, austauschen und nutzen. Die wissenschaftliche Information als Ganzes wird übrigens in Großbritannien als wichtiger Erfolgsfaktor in Wissenschaft und Forschung gesehen.

Der Begriff „evidence based“ tritt immer wieder in den Arbeiten von RIN auf. Es geht also konkret darum, welche Systeme und Tools Wissenschaftler nutzen, um Informationen zu finden, zu bearbeiten und zu produzieren. Hierbei sind einige Expertisen und Berichte entstanden, die zur strategischen Ausrichtung des Bibliothekswesens in Großbritannien beitragen. Im Bereich der Verbundsysteme sind folgende Publikationen von Interesse3:

  • Creating Catalogues: Bibliographic records in a networked world
  • Researchers and Discovery Services: Behaviour, perceptions, needs
  • Uncovering Hidden Resources: Extending the coverage of online catalogues

Im Gegensatz zu RLUK oder JISC, betreibt RIN keine Systeme oder Datenbanken, sondern wirkt ausschließlich beratend und aufklärend.

2. Gesamtkataloge in Großbritannien

Nachdem wir das enge Beziehungsgeflecht der Strukturen beschrieben haben, wenden wir uns den zwei wichtigsten überregionalen Katalogen zu. Der Vollständigkeit halber werden auch die nationalen Kataloge für chinesische und japanische Literatur erwähnt.

Copac

Copac (National, Academic, and Specialist Library Catalogue, http://copac.ac.uk/) ist die Zusammenführung der Kataloge der wichtigsten Forschungsbibliotheken Großbritanniens. Die Datenbank wird von Mimas, einem nationalen Datenzentrum an der Universität Manchester, betrieben und von JISC finanziert, wobei die Daten von RLUK geliefert werden.

Copac umfasst derzeit 32 Millionen Titelaufnahmen von den RLUK Teilnehmerbibliotheken und einer zunehmenden Zahl von Spezialbibliotheken mit Forschungsprofil. Im KVK ist Copac übrigens als „Great Britain Union Catalogue“ aufgeführt.

Die Titelaufnahmen werden in einzelnen Bibliotheken in Lokalsystemen produziert und dann an RLUK übermittelt, wo sie anschließend soweit möglich dedupliziert werden. Copac ist also eine zentrale, physische Datenbank. Der Hauptteil der Titelaufnahmen betrifft Monographien, 6% sind Zeitschriften und 3% Konferenzberichte. Ein kleiner Prozentsatz lässt sich Musikalien, Videos oder elektronischen Ressourcen zuordnen. Leider sind allerdings noch nicht alle Bestände in den Teilnehmerbibliotheken elektronisch erschlossen. (Die Retrokatalogisierung ist auch in Großbritannien noch nicht vollständig abgeschlossen).

Es ist nicht das Ziel von Copac, sämtliche Bestände von allen Hochschulbibliotheken Englands nachzuweisen. Dennoch wurde ein Challenge Fond eröffnet, der ermöglichen soll, dass weitere Sammlungen zu diesem etwas exklusiven Klub zugelassen werden. Hierbei handelt es sich um Bestände von Spezialbibliotheken, die von nationaler Bedeutung sind (beispielsweise das Henry Moore Institute, das Royal College of Surgeons of England, oder die Sondersammlungen der Universität Bradford).

Copac ist sehr einfach zu benutzen. Der Service bietet sowohl Gastzugang als auch personalisierten Zugang über Athens/Shibboleth an. Copac beinhaltet keine Komponente für die Fernleihe; es handelt sich also um einen reinen Nachweisdienst. Neuerdings werden zum Teil auch Buchumschläge und Zusammenfassungen angezeigt.

Copac basiert nicht auf einer kommerziellen Bibliothekssoftware. Das System wurde hausintern im Datenzentrum Mimas entwickelt und basiert auf LLDS (Live Link Discovery Server) von OpenText. Die Benutzeroberfläche wurde entsprechend den Bedürfnissen intern programmiert.


Abb. 1: Die Startseite von Copac (http://copac.ac.uk/) bringt die Trägerschaft klar zum Ausdruck: „Copac is a Mimas service, based at The University of Manchester. Copac is funded by JISC, using records supplied by RLUK.“

SUNCAT

Während sich Copac auf Monographienbestände der großen Bibliotheken konzentriert, strebt SUNCAT (Serials Union Catalogue for the UK, http://www.suncat.ac.uk/) an, Zeitschriften, Zeitungen und zeitschriftenartige Reihen aller Hochschulbibliotheken nachzuweisen. Die Datenbank wird vom Datenzentrum Edina an der Universität von Edinburgh betrieben und basiert auf dem Aleph System von Ex Libris. SUNCAT wird über JISC finanziert; im Gegensatz zu Copac besteht kein Link zu RLUK.

Derzeit sind die Zeitschriftenbestände von 70 Bibliotheken, einschließlich der British Library, in SUNCAT nachgewiesen. Die Datenbank ist eine relativ junge Gründung (2004) und wächst weiterhin.

Anfangs wurde die Datenbank kritisiert, da sie übermäßig viele Doppeleintragungen enthielt. Inzwischen hat sich dies stark verbessert. Als attraktiver Zusatzservice fällt mir auf, dass das Inhaltsverzeichnis des neusten Heftes angezeigt werden kann (seit Oktober 2009, basierend auf der Datenbank ZETOC). Und der OpenURL Router gibt mir direkten Zugang zur elektronischen Ausgabe der Zeitschrift in meiner lokalen Bibliothek.

Bibliotheken haben die Möglichkeit, Datensätze für den eigenen Gebrauch herunterzuladen. Für diese Zwecke stehen auch Katalogdaten von CONSER, ISSN und DOAJ Datenbanken zur Verfügung.

In Großbritannien gibt – oder gab – es etliche weitere regionale oder fachliche Zeitschriftenverzeichnisse. Aber man kann davon ausgehen, dass diese sukzessive in SUNCAT überführt werden.


Abb. 2: Eintragung der Zeitschrift „Past & Present“ in der Datenbank SUNCAT. Als attraktiven Zusatzdienst kann das Inhaltsverzeichnis des letzten Heftes aufgerufen werden. Diese Daten stammen aus ZETOC. „Find a copy“ ruft einen OpenURL Router auf und bringt mich zur elektronischen (oder gedruckten) Ausgabe in meiner Bibliothek.

Japanische und Chinesische Zentralkataloge

Besondere Katalogbedürfnisse bestehen im Bereich der japanischen und chinesischen Literatur. Zu diesem Zweck haben sich die Bibliotheken mit signifikanten außereuropäischen Beständen zu gemeinsamen Katalogen zusammengefunden. Entstanden sind der Japanese Union Catalogue UK und der UK Union Catalogue of Chinese Books. Wichtige Teilnehmer in diesen Katalogen sind die British Library, sowie die Universitäten Oxford, Cambridge, London (SOAS Library), Leeds, Edinburgh und Durham.

Es gibt also keinen Zentralkatalog für alle Buchbestände Großbritanniens

Wie diese Ausführungen zeigen, gibt es also keinen Zentralkatalog für sämtliche Buchbestände des Vereinigten Königreichs. Dieser Punkt wird immer wieder bemängelt, aufgegriffen, heftig diskutiert – und dann verworfen. Die einfachste Option wäre natürlich, Copac zu einem nationalen Zentralkatalog auszubauen – allerdings ist das sehr umstritten. Wozu ausbauen, wenn die größten und wichtigsten Bestände bereits darin erschlossen sind? Wird der Katalog damit nicht einfach zu groß und zu unübersichtlich? Und überhaupt, sollte dieser vollständige Nachweis von Bibliotheksbeständen nicht besser auf regionaler Basis erfolgen? Allerdings zeigt der übernächste Abschnitt, dass diese regionalen Nachweissysteme nicht unbedingt zufriedenstellend funktionieren.

Eine weitere Erklärung für das Fehlen von Verbundkatalogen auf nationaler oder regionaler Ebene liegt meines Erachtens in der Heterogenität der Bibliothekssoftware, die in den einzelnen Bibliotheken im Einsatz ist.

3. Bibliotheksysteme in Großbritannien

In einem kürzlich erschienenen Bericht von JISC und SCONUL wurde die heterogene Landschaft der Bibliothekssysteme in Großbritannien im Detail beschrieben.4

Die Verteilung nach Bibliothekssoftware zeigt, dass 86.88% der Hochschuleinrichtungen die Systeme von Ex Libris, Talis, SirsiDynix und Innovative Interface nutzen.

Marktübersicht

In Zahlen

In Prozent

Zahl der Hochschuleinrichtungen

183

100

Ex Libris (inc Endeavor)

43

23.50

Talis

42

22.93

SirsiDynix

41

22.40

Innovative Interface

33

18.03

Axiel

1

0.55

Infor (formerly Geac)

3

1.64

ISOxford

6

3.28

OCLC Pica (Fretwell Downing)

3

1.64

Payne Automation

1

0.55

Softlink

1

0.55

VTLS

1

0.55

Unbekannt

8

4.37

Was aus dem Bericht leider nicht hervorgeht, ist die geographische Verteilung dieser Systeme. Und hier zeichnet sich vermutlich die größte Heterogenität ab. Im Gegensatz zur Situation in den deutschsprachigen Ländern, findet in Großbritannien keine vergleichbare geographische Bündelung nach Bibliothekssoftware statt.

Der Bericht enthält aber nützliche Überlegungen, wieso die Landschaft so heterogen ist und wieso sich kein System als Marktführer durchsetzen konnte. Die Autoren meinen, dass dies auf die bibliothekarische Aufgabenverteilung in Großbritannien zurückzuführen ist, wo der Dokumentenlieferdienst und der Hauptteil der Fernleihe zentral durch die Nationalbibliothek (British Library) koordiniert und geleistet werden. Ein weiterer Grund dürfte laut Autoren das fehlende Sparpotenzial sein, bzw. der Eindruck, dass der finanzielle Anreiz zum gemeinsamen Vorgehen nicht ausreichend groß ist, zumindest nicht im Vergleich zu den neu entstehenden Kosten eines Verbundes. Erstaunlicherweise sei der personelle Einsatz zur Wartung der lokalen Systeme „relatively small in terms of the overall Higher Education budget“.

Nichtsdestotrotz versuchten sämtliche Systemanbieter den Autoren der oben genannten Studie klar zu machen, dass das Bibliothekswesen Großbritanniens als Ganzes massiv profitieren würde von einem konsortialen Vorgehen. Aus dem Bericht geht allerdings deutlich hervor, dass Verbund- und Zentralkataloge in Großbritannien als Zusatzkosten empfunden werden, da der lokale Katalog als primärer Anlaufpunkt für Benutzer und Mitarbeiter gilt.

Übrigens haben seit März 2008 einige der Hochschulbibliotheken in so genannte Resource Discovery Tools investiert und hierbei Systeme wie Primo (Ex Libris), Aquabrowser oder Encore (Innovative Interfaces) über den OPAC „gestülpt“.

4. Bibliotheksverbünde in Großbritannien

Wie bereits eingangs erwähnt, sind die Hochschulbibliotheken Großbritanniens nicht so streng regionalen Verbünden zugeordnet wie in Deutschland oder der Schweiz. Das heißt aber nicht, dass es überhaupt keine vergleichbaren Strukturen gibt. Zwei davon sollen hier vorgestellt werden. Allerdings weisen meine Erfahrungen mit diesen zwei Systemen darauf hin, dass die Suche in den überregionalen Katalogen nicht heutigen Benutzeransprüchen genügt.

M25 Consortium

Das M25 Consortium, benannt nach der Ringautobahn um London, ist ein leistungsfähiger Zusammenschluss von Bildungseinrichtung im Großraum London. Ziel des Konsortiums ist es, Bibliotheksdienstleistungen und Ressourcen für Endnutzer zur Verfügung zu stellen. Neben den Endnutzerdiensten (gemeinsame Katalogrecherche und Zugang zu elektronischen Ressourcen), unterstützt das Konsortium auch die Fort- und Weiterbildung für Mitarbeitende, und betreibt gemeinsame Serviceangebote für Qualitätssicherung, Behindertenzugang, und Notfallplanung (Feuer, Wasser, etc.). Eine wichtige Rolle kommt auch der politischen Arbeit und Interessensvertretung zu.

Insgesamt umfasst das M25 Consortium 59 Einrichtungen mit 160 Bibliotheken. Es umschließt sowohl sehr große Bibliotheken (University of London Colleges) als auch kleinere Spezialbibliotheken (Courtauld Institute of Art) und Museumsbibliotheken (V&A). Der gemeinsame Bestand umfasst 30 Millionen Bände. Hiervon werden 28 Millionen Ausleihen pro Jahr getätigt.

Das Konsortium hat keinen gemeinsamen physischen Katalog. Stattdessen wird über eine Meta-Suchmaschine eine gleichzeitige Recherche in den verschiedenen Katalogen initiiert. Allerdings sind meines Erachtens auf der Meta-Ebene die Bestandsangaben für die einzelnen Bibliotheken unzureichend, und man kommt nicht umhin, im nächsten Schritt doch noch den Lokalkatalog der Bibliothek abzufragen. Obwohl das M25 Consortium als sehr erfolgreiches Bibliothekskonsortium gilt, bezweifle ich, ob die gemeinsame Katalogsuche heutigen Erwartungen entspricht.

CAIRNS

CAIRNS (Co-operative Information Retrieval Network for Scotland) erlaubt die gleichzeitige Suche in 42 Katalogen Schottlands. (Das „A“ in der Abkürzung stammt übrigens aus dem „A“ in der zweiten Worthälfte von „Co-operative“). Eingeschlossen sind nicht nur wissenschaftliche Bibliotheken, sondern auch eine Anzahl öffentlicher Bibliotheken. CAIRNS wird vom Centre for Digital Library Research an der Strathclyde University in Glasgow betrieben. Die Entwicklungskosten wurden vorwiegend von JISC übernommen.

Das auf Dynix basierende System zeigt die Suchergebnisse aus allen 42 Katalogen an. Für alle weiteren Details wird man auf den Lokalkatalog verwiesen. Im Vergleich zu anderen Meta-Suchsystemen wirkt CAIRNS sehr rudimentär und langsam. So fehlt zum Beispiel ein direkter Link von CAIRNS zum jeweiligen Lokalkatalog – zumindest finde ich diesen nicht.

5. Einkaufskonsortien

Für den Einkauf im Printbereich orientieren sich die Hochschulbibliotheken Großbritanniens stark an den Einkaufsrichtlinien ihrer Universität. Hier existieren fünf Einkaufskonsortien, die streng regional gegliedert sind5. Die Verträge dieser Einkaufsgemeinschaften decken (zumindest potenziell) den gesamten Sachmittelbedarf der Universität ab: also alles vom Kugelschreiber bis hin zum teuren Laborgerät. Jedes Konsortium hat auch eine Stelle, die für Bücher und Zeitschriften zuständig ist. Der neuste Monographien- und Zeitschriftenvertrag wurde allerdings überregional ausgehandelt. Das heißt, dass die Konsortien gemeinsam vorgegangen sind.

Im elektronischen Bereich dagegen laufen die meisten Verträge zentral über JISC, wobei die Vertragsverhandlungen für elektronische Zeitschriften von JISC an NESLi2 ausgelagert worden sind.

Derzeit noch unklar ist, wer die führende Rolle zur Lizenzierung von elektronischen Büchern übernehmen wird. Wird es JISC oder werden es die regionalen Einkaufskonsortien der Universitäten sein? Vermutlich wird ein nationales Vorgehen präferiert.

In unserem Kontext ist interessant, dass die Bibliothekssoftware nicht über diese regionalen Einkaufskonsortien erworben wird. Stattdessen gehen Bibliotheken einzeln vor und verhandeln direkt mit Systemanbietern.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

In den deutschsprachigen Ländern sind die Bibliotheksverbünde regional oder überregional organisiert. In Großbritannien findet man kaum direkt vergleichbare Strukturen. Stattdessen wird die Szene von „den Großen“ dominiert. Im Leihverkehr und Dokumentenlieferdienst übernimmt die British Library schon seit längerer Zeit eine Führungsposition. Die gegenseitige Zulassung von Benutzern einschließlich Ortsausleihe wird von SCONUL koordiniert. Die wichtigsten Forschungsbibliotheken haben sich in RLUK zusammengeschlossen und bieten einen gemeinsamen Katalog (Copac) an. Der Zeitschriftennachweis wird seit einigen Jahren national durch die Datenbank SUNCAT geleistet. Diese Dienste werden durch zentrale Mittel gefördert, wobei fast überall JISC maßgeblich beteiligt ist.

Mittel zur Förderung regionaler Initiativen oder Dienste stehen kaum zur Verfügung. Der obige Artikel erwähnt das M25 Consortium (Großraum London) und CAIRNS (Schottland). Diese Bibliotheken profitieren von einer guten und engen Zusammenarbeit, aber die zugehörigen Verbundkataloge sind nicht ausreichend leistungsfähig, um wirklich zu überzeugen.

Immer wieder kommt in Großbritannien die Diskussion auf, ob ein National Union Catalogue nicht nützlich oder erwünscht wäre. Am logischsten wäre der Ausbau von Copac, aber dagegen wehrt sich – vielleicht zu Recht – RLUK. Denn es besteht die Gefahr, dass die derzeit gut funktionierende Datenbank von Datensätzen unterschiedlicher Qualität und Herkunft regelrecht überschwemmt würde.

Aber am Ende scheitert die Diskussion meistens daran, dass man sich nicht klar oder einig ist, genau welche Funktion ein National Union Catalogue spielen würde. Und angesichts der Größe des Landes und der Vielzahl der Bibliotheken meinen viele, dass regionale Kataloge sinnvoller wären als eine gigantische nationale Datenbank. Aber für ein regionales Vorgehen stehen weder Gelder noch geeignete politische Strukturen zur Verfügung.

Somit bleibt die Situation wohl wie sie ist: Die Großen sind zufrieden, denn sie haben mit Copac was sie brauchen, und die Stimmen der Kleinen sind vermutlich nicht ausreichend laut, um Veränderungen zu bewirken.


Autorin

Dr. Alice Keller

University of Oxford
Kellogg College
62 Banbury Road, Oxford, OX2 6PN
alice.keller@kellogg.ox.ac.uk


Anmerkungen

1. Vgl. auch: A. Keller: The JISC, oder "Just Imagine Santa Claus"! - In: B.I.Tonline, Vol. 11, Heft 4/2008, pp. 417-420.

2. "Online catalogue and repository interoperability study (OCRIS)" (http://www.jisc.ac.uk/whatwedo/projects/scholcommslinks.aspx) und "Sharing and re-use of library catalogue records: guidance on legal issues in the Web environment" (http://www.jisc.ac.uk/whatwedo/programmes/resourcediscovery/recordreuse.aspx).

3. Sämtliche Berichte sind aufgelistet unter "Project Reports A-Z": http://www.rin.ac.uk/resources/rin-publications/project-reports.

4. Library Management Systems Study: An Evaluation and horizon scan of the current library management systems and related systems landscape for UK higher education (March 2008). http://www.jisc.ac.uk/media/documents/programmes/resourcediscovery/lmsstudy.pdf

5. Higher Education Purchasing Consortium, Wales (HEPCW); Advanced Procurement for Universities and Colleges (APUC); North Eastern Universities Purchasing Group (NEUPC); North West University Purchasing Consortium (NWUPC); Southern Universities Purchasing Consortium (SUPC).

 


 

news