Ein weiteres "Schatzkästchen" für die Staatsbibliothek zu Berlin
Neubau eines Magazingebäudes in Berlin-Friedrichshagen

von Daniela Lülfing

Als Folge des 2. Weltkrieges entwickelten sich aus der gemeinsamen Wurzel der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin die Deutsche Staatsbibliothek und die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz mit ihren großen und repräsentativen Gebäuden Unter den Linden und an der Potsdamer Straße, beide im Herzen der Hauptstadt. Durch die Vereinigung der beiden Institutionen entstand 1992 unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Staatsbibliothek zu Berlin, die mit mehr als 10 Mio. Druckschriften und zahlreichen Sondersammlungen von Weltrang zu den bedeutendsten wissenschaftlichen Universitätsbibliotheken Europas gehört.

Auf der Grundlage des von der Arbeitsgruppe "Zukunft der Staatsbibliothek" erarbeiteten Konzeptes beschloss der Stiftungsrat der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Grundlagen der zukünftigen Entwicklung der Bibliothek, die vorsehen dass

Die Staatsbibliothek erwirbt jährlich rund 120.000 Bände. Die Kapazitäten der beiden Stammhäuser sind spätestens 2009 erschöpft. Im Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) hat das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) 2004 deshalb einen begrenzt offenen Architekturwettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerberverfahren für ein Speichermagazin für 12 Mio. Bände ausgeschrieben, das künftig für die Unterbringung der Literatur dienen soll, die in den Stammhäusern der Staatsbibliothek keinen Platz mehr findet und darüber hinaus auch Magazinbestände des Bildarchivs - Preußischer Kulturbesitz und des Ibero-Amerikanischen Instituts (IAI) aufnehmen soll. Aus den insgesamt 284 Bewerbern wurden 15 Büros nach qualitativen Kriterien und 15 weiter im Losverfahren ermittelt und zur Abgabe eines Ent-wurfes aufgefordert. Dieses Verfahren sollte gerade auch bisher nicht so mit zahlreichen Projekten vertretenen Büros eine Chance im Wettbewerb eröffnen. Wie erfolgreich dieses Losverfahren sein kann, zeigt das Ergebnis des Wettbewerbes. Sowohl der erste als auch der zweite Preisträger nahm über das Losverfahren an dem Wettbewerb teil.

Abbildung 1: Modell des 1. Preisträgers: Eberhard Wimmer, München
Abbildung 3: Modell des 2. Preisträgers:
Lorber + Paul, Köln
Abbildung 4: Modell des 4. Preisträgers:
Spengler Wiescholek, Hamburg
Abbildung 5: Modell des 5. Modell
des 1. Ankaufs: von Gerkan, Berlin
Abbildung 6: Modell des 6. Modell
des 2. Ankaufs: Paul Bretz, Luxemburg
Abbildung 7: Modell des 3. Ankaufs:
HG Merz, Stuttgart
Abbildung 2: Lageplan des 1. Preises
Aus den eingereichten Arbeiten wählte die Jury unter Vorsitz von Florian Nagler am 30. Juni 2005 das Büro Eberhard Wimmer Architekten aus München als ersten Preisträger aus (Abb. 1). Der zweite Preis geht an Lorber + Paul Architekten GbR, Köln (Abb. 3). Vierter Preis (der dritte Preis wurde nicht vergeben) Spengler Wiescholek, Hamburg (Abb. 4). Die Arbeiten von gmp Architekten Meinhard von Gerkan mit Stephan Schütz, Berlin (Abb. 5), Paul Bretz, Architekt, Luxemburg (Abb. 6) und HG Merz GmbH, Stuttgart (Abb. 7) wurden angekauft. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz beabsichtigt den ersten Preisträger, das Büro Wimmer, mit der Planung und Durchführung des Projektes zu beauftragen.

Die Realisierung soll modular in drei Bauabschnitten erfolgen. Bis 2010 sollen Magazine für 6 Mio. Bände entstehen. Bis 2060 dann in zwei weiteren Bauabschnitten werden die Kapazitäten des Speichermagazins auf 9 bzw. 12 Mio. Bände erweitert. Hierfür wurde eine bundeseigene Liegenschaft im Berliner Stadtbezirk Treptow-Köpenick (Friedrichshagen, Fürstenwalder Damm 388) gefunden, die alle wesentlichen Anforderungen erfüllte. Weitgehend frei von Altlasten, ermöglicht das Grundstück den Bau eines modernen, den logistischen, bibliothekarischen und energetischen Anforderungen entsprechenden Magazins. Darüber hinaus ist es mit 123.000 m² groß genug um künftig zum Magazin- und Lagerstandort für die gesamte Stiftung Preußischer Kulturbesitz ausgebaut zu werden. Neben der Staatsbibliothek, dem IAI und dem Bildarchiv sollen künftig auch Lagerflächen für die Staatlichen Museen (SMB-PK) in Friedrichshagen entstehen. Das Gebäude am Fürstenwalder Damm liegt noch im Stadtgebiet Berlin, verfügt über ausgezeichnete Nahverkehrs- und Straßenanbindungen und bietet daher sehr viel bessere Voraussetzungen als vergleichbare Speichermagazine, die die British Library oder die Bayrische Staatsbibliothek in Boston Spa bzw. Garching errichtet haben.

Das für die Staatsbibliothek vorgesehene Baufenster von 38.000 m² bietet ausreichend Platz zur Realisierung der drei Bauabschnitte des Speichermagazins. Für die Anforderungen des ersten Bauabschnittes wurde ein Bedarf von insgesamt 16.600 m² laut Raumprogramm ermittelt. Dabei soll die Unterbringung der Bestände in einer Kompaktregalanlage erfolgen. Die klimatischen Anforderungen werden nach international gültigem Standard mit 20° C und 50 %iger relativer Luftfeuchtigkeit definiert. Die Magazinräume sollen eine UV-freie Beleuchtung (200L x) ohne Tageslichteinfall erhalten.

Die im Speichermagazin Friedrichshagen unterzubringende Literatur gehört grundsätzlich zum aktiven Bestand der Staatsbibliothek. Deshalb ist eine rationelle Bereitstellung der Bestände in einem der Lesesäle der beiden Häuser der Staatsbibliothek Unter den Linden bzw. Potsdamer Straße von besonderer Bedeutung. Das Speichermagazin wird deshalb mit einer Buchtransportanlage und einer Ladestation für LKW ausgestattet. So ist die zügige Bereitstellung der Literatur für den Leser in den beiden großen innerstädtischen Häusern der Bibliothek gewährleistet. Daneben wird eine elektronische Dokumentenlieferung die Bereitstellung von Zeitschriftenartikeln und ausgewählten Texten ermöglichen.

Es wird also keine öffentlich zugänglichen Benutzereinrichtungen, Lesesäle etc. in Friedrichshagen geben. Jedoch Personal wird für die Bereitstellung der Bestände vor Ort tätig sein. Außerdem ist der Aufbau eines zentralen Mikrofilmspeichers (Sicherheitsfilme) für die Staatsbibliothek in Friedrichshagen geplant, der besondere klimatische Bedingungen für die Langzeitlagerung erfordert. Auch die Materialien des Bildarchivs (schwarz/weiß und Farbnegative, Positive, Masterdigitalisate etc.) erfordern spezielle klimatische Lagerbedingungen.

Der für die Realisierung ausgewählte Entwurf des Büros Wimmer reagiert äußerst angemessen sowohl auf die städtebauliche Situation als auch auf die Anforderungen an ein modernes und funktionales Magazingebäude (Abb. 2). Es ist hinsichtlich der Haupter-schließung des Geländes vom Fürstenwalder Damm richtig platziert und trägt auch der geplanten, aber sich über einen langen Zeitraum (bis ca. 2060) erstreckenden Errichtung des gesamten Gebäudes in drei Bauabschnitten Rechnung. Schon mit der Fertigstellung des ersten Bauabschnittes entsteht ein funktional und optisch schlüssiger Baukörper.

Das Preisgericht beschrieb den Entwurf des Büros Wimmer wie folgt:

"Mit einer einfachen Maßnahme, einen "Verschlussstein" aus dem Schatzkästchen heraus-zurücken, wird der Eingang deutlich sichtbar gemacht …..Das Gebäude ist schlüssig zoniert, was sich auch positiv auf die Möglichkeiten der Erweiterung auswirkt. ….Die Magazinbereiche selbst sind mit den Lichthöfen und den zugeordneten Sortierstellen gut zoniert und erlauben angenehmes und effektives Arbeiten. ….Die Konstruktion der Magazinbereiche ist denkbar einfach, logisch und konsequent bis hin zum Aussteifungskonzept. Das Arbeiten mit seriellen Elementen, dass dem Entwurf zugrunde liegt, wird auch bei der Fassadengestaltung konsequent fortgeführt. Die vorgeschlagene Materialisierung mit gebäudehohen strukturierten Betonfertigteilen im Wechsel mit bruchrauhem, dunkelgrünem Naturstein ist in sich schlüssig, wenn auch, vor allem in Hinblick auf die zweimal de- und wieder montierten "Wanderfassaden", eher aufwendig, wobei das subtile Spiel von Vor- und Rücksprüngen und der Wechsel der Flächen je nach Himmelsrichtung, verbunden mit der feinsinnigen Gestaltung der Bauabschnittsübergänge sicherlich zu einer angemessenen Fassade eines Magazingebäudes führt."1

Der Entwurf bietet außerdem durch seine kompakte Struktur gute Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung, die z. B. im Bereich des Brandschutzes oder der Lichthöfe notwendig erscheint.

Mit dem Speichermagazin in Friedrichshagen, dessen erster Bauabschnitt 2010 bezogen sein soll, kann die Staatsbibliothek zu Berlin dauerhaft ihre Magazinprobleme lösen und den Bestandszuwachs der nächsten Jahrzehnte unter vergleichbaren Bedingungen wie in den Stammhäusern magazinieren und gleichzeitig für die Benutzer regelmäßig zur Verfügung stellen.


Zur Autorin

Dr. Daniela Lülfing ist Baubeauftragte der Generaldirektion der Generaldirektion der

Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
D-10785 BERLIN-Tiergarten
Tel.: (030) 266 2240
E-Mail: daniela.luelfing@sbb.spk-berlin.de


Anmerkung

1. Aus der Beurteilung des Preisgerichtes.