Patentstatistische und bibliometrische Analysen
sowie deren grafische Umsetzung - Teil II


Abstracts

1. Einleitung
2. Recherche- und Analyseziele
3. Goldfire Innovator von Invention Machine™
4. DECOPA vom IPCentury®
5. Gegenüberstellung und Zusammenfassung

von Dieter Schwartz

1. Einleitung

Im vorangegangen Teil 1 wurden konventionelle und innovative Visualisierungstechniken vorgestellt.1 Insbesondere wurden innovative Visualisierungstechniken anhand von Zitationsnetzwerken und Treemaps beispielhaft erläutet. Während im ersten Teil auf Free- und Shareware-Produkte verwiesen wurde, basiert dieser zweite Teil auf Beschreibungen der kommerziellen Produkte der Unternehmen Invention Machine Cooperation™ und IPCentury®2. Beide Unternehmen bieten u.a. Produkte an, die für die Analyse von Patentdokumenten eingesetzt werden können.

Invention Machine Corporation (ICM) ist nach eigenen Angaben ein weltweit führender Anbieter von softwaregestützten Innovationswerkzeugen. Anwender sind u.a. die Unternehmen 3M, Henkel und DaimlerChrysler. Die IPCentury AG konzentriert sich auf die Entwicklung von Softwaretools, mit dessen Hilfe die Aussagekraft von Rechercheergebnissen wesentlich verbessert wird. Das Patentanalysesystem der IPCentury AG wird u. a. vom Weißrussischen Patentamt3 zur Patentprüfung eingesetzt, Firmen aus unterschiedlichen Branchen (Automobilherstellung, Elektrotechnik) nutzen die Recherche- /-Analyse-Fähigkeiten.

Da in diesem zweiten Teil nicht alle Software-Features vorgestellt werden können, bleiben die Beschreibungen der Produkte Goldfire Innovator und DECOPA auf ausgewählte Retrieval- und Analysefunktionen beschränkt. Diese beiden Produkte unterscheiden sich gegenüber den bereits in der Fachliteratur beschriebenen Patentdatenbanken.4

2. Recherche- und Analyseziele

Bevor eine Beschreibung des Funktionsumfangs erfolgt, sollen zwei Aspekte herausgestellt werden: Eine Datenanalyse und -visualisierung erfolgt mit der Zielrichtung, die Lösung für ein technisches Problem – beispielsweise in Form einer technische Alternativlösungen – aus Patentdaten zu bestimmen. Insbesondere das Produkt Goldfire Innovator fungiert dabei als Softwaretool für Produktentwicklungs- und Konstruktionsingenieure, das auf eine Wissensdatenbanken zurückgreift und Produkt-/Prozessentwicklungen mittels strukturierter Abläufe und Methoden unterstützt.5

Mit Hilfe einer Patentanalyse kann jedoch nicht nur das Potential einer Technologie beschrieben, sondern auch deren Wert bestimmt werden. Der Bestimmung des Patentwerts liegt dabei jedoch das fundamentale Problem zu Grunde, dass der aktuelle Wert durch zukünftige Ereignisse beeinflusst wird. In der Fachliteratur werden unterschiedliche Bewertungsmethoden beschrieben.6

3. Goldfire Innovator von Invention Machine™

3.1 Allgemeines zu Struktur und Aufbau

Über eine Navigationsleiste werden die vier Hauptelemente Dasboard, Innovator Workbench, Researchers und Innovation Trend Analysis angeboten. Im Rahmen dieses Beitrages werden die Such- und Analysefunktionen aus den Bereichen Researchers und Innovation Trend Analysis beschrieben. Die Elemente Dashboard und Innovator Workbench sind sehr speziell und auf die Bedürfnisse von Entwicklungsingenieuren abgestellt.

Das System unterscheidet drei Arten von Datenquellen, über die eine Suche erfolgen kann: In den Patent Collections sind US-amerikanische, europäische, japanische und Weltpatente zusammengefasst (Vgl. Abb. 1: Im Bereich Personal Knowledge werden „lokale“ Datenquellen zusammengefasst, die vom Anwender über den Knowledge Base Producer erstellt werden (siehe Kap. 3.2). Als dritte Datenquelle steht der Bereich Scientific Effects zur Verfügung (Vgl. Kap. 3.7).

Abb. 1: Patent Collections, Personal Knowledge und Scientific Effects

Über alle drei Bereiche kann eine Suche angestoßen werden. Die Suche wird dabei auf Basis des Booleschen Retrievals (Boolean Search) gestartet oder in Form einer natürlich-sprachlichen Suche (Natural Language Search) eingegeben (Vgl. Kap. 3.4). Es wird eine Sprachauswahl (Englisch, Deutsch, Französisch) für das System angeboten.

3.2 Personal Knowledge

Der Anwender hat die Möglichkeit, gezielt Datenquellen in das System einzubinden. Dies können lokale Quellen (z.B. PDF-Dateien des lokalen Netzes) oder speziell ausgewählte Internet-Adressen sein. Die Einbindung der Quellen erfolgt durch den Knowledge Base Producer. Mit Hilfe dieses Moduls erfolgt auch eine Aufbereitung der Daten; das Modul liefert zudem eine Auswertung über den Verlauf dieses Preprocessings. Unterschiedliche Folder (statistics, sources, summary, log) geben dabei Auskunft über Grad und Umfang der Aufbereitung der Daten. Es wird u.a. zwischen Quellen unterschieden, die erfolgreich bearbeitet wurden, die leer sind oder auf die der Zugriff verweigert wurde.

Unter der Kategorie „Deep Web“ im Knowledge Base Producer sind zudem Deep Link-Server aufgelistet. Die Server können gezielt ausgewählt und entsprechende Suchanfragen abgeschickt werden. Die Server sind „systematisch“ angeordnet: Unter der Rubik „construction“ findet man beispielsweise den Server der ATCO Noise Management Ltd. mit der Beschreibung „Noise Management, Acoustical Buildings, Turbines ...“. Der Anwender hat auf diese Weise die Möglichkeit, das Spektrum der Datenquellen gemäß seinen Anforderungen zu erweitern.

3.3 Subject-Action-Object-Format

Die Recherchequellen haben einen Aufbereitungsprozess durchlaufen, bei dem die Zusammenhänge innerhalb eines (Patent-)Textes mit Hilfe einer „Wissensextraktionssoftware“ heraus gearbeitet werden. Insbesondere werden dabei die Beziehungen innerhalb eines Dokumentes in einem sogenannten Subjekt-Aktion-Objekt-Format (SAO-Format) dargestellt: Die Aktion und das betreffende Objekt stellen das zu behandelnde Problem oder die jeweilige Aufgabenstellung dar, das Subjekt ist die Lösung des Problems. Der Ablauf einer derartigen Aufbereitung erfolgt im Wesentlichen in den folgenden Teilschritten:

In einem letzten Schritt, der so genannten pragmatischen Analyse, erfolgt dann das Abgleichen der Suchanfrage und der in den Patenten enthaltenen Problem-Lösungsstrukturen (SAO-Struktur). Eine Beschreibung dieses stufenweise ablaufenden Prozesses zur Aufbereitung der Daten findet man beispielsweise bei Walter.7 Diese Form der Datenaufbereitung zielt darauf ab, die Qualität der Suchergebnisse zu erhöhen.

3.4 Boolean Search und Natural Language

Das System bietet die Möglichkeit, eine Suche als Boolean Search über einzelne Suchfelder (Erfinder, Anmelder, Abstract ...) oder in Form einer Natural Language zu starten. Zudem kann Boolean Search in Natural Language – und umgekehrt – umgewandelt werden. In diesem Zusammenhang wurde ein Retrievaltest durchgeführt.8 Der Wechsel zwischen beiden Suchfunktionen wird beispielhaft in der folgenden Gegenüberstellung zusammengefasst (Vgl. Abb. 2).

 

Boolean Search

... process the query in
Natural Language

Natural Language

...process the query in Boolean Search

Suchanfrage 1a9

80 most relevant results

 

776 most relevant and

67.963 related results

(68.739 total)

1 most relevant and

506.946 related results

(506.947 total)

0 results

Suchanfrage 1b10

190 most relevant results

 

1005 most relevant and

106.046 related results

(107.051 total)

 

./.

 

./.

Suchanfrage 211

617 most relevant results

618 most relevant and

39.293 related results

(39.911 total)

2.467.352 related results

0 result

Abb. 2: Gegenüberstellung von Suchergebnissen

Im Allgemeinen ist zu erwarten, dass die Zahl der Hits im Rahmen einer Natural Language kleiner als beim Boolean Search ist, da die Beziehung zwischen den Suchbegriffen bei einer natürlichsprachlichen Eingabe ausgedrückt wird. Dies konnte jedoch nicht bestätigt werden. Der Wechsel von Boolean Search zu Natural Language führt zu keinen nachvollziehbaren Ergebnissen. Bei der Suchanfrage 2 stellt das System zwar heraus, dass der Suchbegriff „electrocatalytic” unbekannt sei – gleichwohl wird genau dieser Begriff beim Patent US - 5 206 095 - Carbonate fuel cell anodes angezeigt und auch als Ergebnis mit einer farblichen Hervorhebung der Suchbegriffe präsentiert.

3.5 Patent List und Sentence Index

Die Suchergebnisse können in zwei unterschiedlichen Anzeigeformaten ausgegeben werden: Einerseits in Form einer Patent List, andererseits in Form eines Sentence Index. In der Abbildung 3 ist der Sentence Index wiedergegeben. Die Suchergebnisse werden dabei unter den Kategorien most relevant results und related results eingeordnet. Es wird der Satz bzw. Abschnitt aus dem Dokument angezeigt, der die Suchbegriffe enthält. Zu jedem Treffer können weitere Details (view bibliographic list, view patent citation ...) abgerufen werden.

Abb. 3: Ergebnisliste mit Hinweis auf Related Results

Um seine Suchanfrage weiter spezifizieren zu können, werden dem Anwender unterschiedliche Hilfestellungen angeboten: es werden Synonyme, über- bzw. untergeordnete Begriffe sowie die Häufigkeit ihres Vorkommens angezeigt.

3.6 Grafische Aufbereitung der Recherche-Ergebnisse

Aus patentstatistischen Kennzahlen können u.a. Aussagen über die Innovationstätigkeit von Unternehmen oder Wissenschaftsbetrieben abgeleitet werden. Es lassen sich – je nach Aufgaben- bzw. Problemstellung – unterschiedliche Kennzahlen bilden; In einer groben Einteilung können Aktivitäts-, Qualitäts- und Verbindungskennzahlen von einander unterschieden werden.12 Eine grafische Darstellung von Kennzahlen erfolgt innerhalb dieses Systems in Form von Zitationsbäumen und Histogrammen.

3.6.1 Zitationsbaum – Ein Netz von Beziehungen

Die Suchergebnisse einer Patentrecherche können in einer Tabelle aufgelistet werden. Neben den Elementen Titel und Anmelder, Publikationsnummer und -datum, sind auch Forward/Backward References – also die zitierten und zitierenden Patente – aufgeführt. Die Forward/Backward References können anschaulich über einen Zitationsbaum dargestellt werden. Die Abbildung 4 zeigt einen derartigen Zitationsbaum, der auf der Grundlage der Patentnummern generiert wurde. Die Patentnummern sind unter den Veröffentlichungsjahren aufgetragen; Patente, für die keine zeitliche Zuordnung erfolgen konnte, werden an den Anfang der Zeitleiste gestellt.

Abb. 4: Zitationsnetz - Backward References for US 6 167 370

Die im Zitationsbaum aufgeführten Patente können weiter aufgefächert werden. Der Zitatonsbaum kann auf der Grundlage anderer Kriterien, beispielsweise Anmelder oder Erfinder, neu erstellt werden.

3.6.2 Histogramm – Ein Vergleich von Unternehmen

Das System bietet die Möglichkeit, die Aktivitäten von Unternehmen (und Erfindern) vor dem Hintergrund ihrer Patentanmeldungen zu analysieren. Die Analysepunkte Company Activity, Inventors, und Patent List werden angeboten. Im nachfolgenden Beispiel wurden die Anmelder herausgesucht, die Patente zur Ventilanordnung im Bereich Hydraulik und Pneumatik angemeldet haben (Vgl. Abb. 5).

Abb. 5: Überblick über Unternehmen

Neben dem Namen des Unternehmens erscheinen die Anzahl seiner Patentanmeldungen sowie eine Bewertung dieser Aktivitäten: Es wird dabei zwischen steigenden, stagnierenden und fallenden Aktivitäten unterschieden. Auf diese Weise können konkurrierende Unternehmen direkt miteinander verglichen werden.

Abb. 6: Unternehmen im Vergleich

Für das vorliegende Beispiel wurden in einem weiteren Schritt drei Unternehmen ausgewählt und ihre Patentaktivitäten miteinander verglichen. Die Anzahl der Patentanmeldungen pro Jahr wurde systemseitig aufbereitet und in Form von Histogrammen dargestellt (Vgl. Abb. 6). Auch hier können weitere Detailangaben zu den Unternehmen abgerufen werden. Eine derartige Analyse kann nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Erfinder auf der Grundlage ihrer Patentanmeldungen erfolgen. Auch bei den Erfindern kann zwischen steigenden, stagnierenden oder fallenden Aktivitäten unterschieden werden.

3.7 IMC Scientific Effects

Bisher wurden im weitesten Sinne die Funktionalitäten eines Retrievalsystems vorgestellt. Goldfire Innovator bietet darüber hinaus naturwissenschaftlich-technisches Grundwissen an. Mit dem Menüpunkt Effect Description wird die Problemlösungsfindung durch Suchen und Browsen in über 8.000 naturwissenschaftlich-technischen Theoremen, Gesetzen und Phänomenen (Scientific Effects) unterstützt. Diese Scientific Effects stellen damit – wie Eingangs bereits beschrieben – den dritten Typ von Datenquellen dar. Die Invention Machine Corporation (ICM) hat eine Unterteilung in die Bereiche Felder, Parameter und Substanzen vorgenommen, diese Bereiche sind ihrerseits weiter untergliedert (Vgl. Abb. 7).

Fields (Absorb ... Produce) Parameters (Change, Measure ...) Substance (Change, Measure ... Produce) Abb. 7: Struktur der Scientific Effects

Mit Hilfe dieser Baumstruktur wird naturwissenschaftlich-technisches Wissen aufgefächert. Auf der untersten Ebene findet man dann die Beschreibungen zu Theoremen, Gesetzen und Phänomenen. Im ausgewählten Beispiel wird der Begriff Adsorption erläutert, es werden u.a. Description, Conditions, Advantages, Formula aufgelistet (Vgl. Abb. 8). Eine Animationen kann gestartet werden, die den Adsorptionsprozess anschaulich darstellt. Es werden Verweise auf ausgewählte Patente (und Nicht-Patentliteratur) aufgeführt, wodurch die unmittelbare Verknüpfung zu den Datenquellen erfolgt.

Abb. 8: Scientific Effects - Description, Conditions, Advantages und Formula

Der Vollständigkeit halber muss noch auf den Menüpunkt Effect Chains, mit dessen Hilfe bis zu drei Effects in einem Compound Effect kombiniert werden können, und auf den Menüpunkt Output Control, mit dessen Hilfe ein Lokalisation der Effects erfolgen kann, hingewiesen werden.

4. DECOPA vom IPCentury®

4.1 Allgemeines zu Struktur und Aufbau

DECOPA versteht sich als ein merkmalsbezogenes Recherchesystem und grenzt sich damit von textorientierten Systemen ab. Zentraler Teil von DECOPA ist eine neuronale Datenstruktur, welche Informationen aus Patentdokumenten in aufbereiteter Form ablegt. Informationen über die Datenstrukturen und Beschreibungen der Retrievalfunktionen sind im Informationsmaterial des Unternehmens IPCentury zu finden.13 In Abgrenzung zum Produkt des Unternehmens Invention Machine soll nachfolgend insbesondere die Ähnlichkeitsanalyse betrachtet werden.

4.2 Unterschiedliche Analyse-Typen

Über eine Suchmaske werden die vier Recherche-Typen PriorArt/Novelty Analysis, Invalidity Analysis, Freedom to Operate Analysis und Infringing Uses Analysis angeboten. Der Anwender kann mit Hilfe dieser Recherche-Typen die „Patent-Umgebung“ nach ähnlichen Entwicklungen absuchen (Neuheitsrecherche), neue Aspekte einer Erfindung lokalisieren (Merkmalsanalyse) oder Abhängigkeiten von bereits existierenden Entwicklungen aufzeigen (Verletzungsrecherche).

4.3 Aufbereiten der Recherche-Ergebnisse

Die Ergebnisse einer Ähnlichkeitssuche werden in Form einer Tabelle ausgegeben, die ermittelten Ähnlichkeiten zwischen den Patenten sind dabei in Form von Prozenten angeben (Vgl. Abb. 9). Beispielhaft wurden für drei Patente14 Ähnlichkeitsanalysen durchgeführt und dann grafisch umgesetzt. Die Abbildung 10 gibt eine Auswertung der Ähnlichkeiten wieder: Es wurden jeweils die 25 Patente mit den höchsten Ähnlichkeiten über die Veröffentlichungsjahren aufgetragen. Die farblichen Schattierungen geben die Anzahl der Patente mit der gleichen Ähnlichkeit an; die Anzahl steigt von weiß über grau bis blau an. Auf diese Weise entsteht eine topographische Karte.15

%

Patent-Nummer

Patent-Titel

100

US 006 427 723

Valve arrangement having individual electrical valve connection modules

72

GB 002 257 494

Control system for dental handpieces.

71

US 005 333 647

Manifold valve

...

...

 

Abb. 9: Ähnlichkeit, Patentnummer und -titel

Ohne eine „Über-Interpretation“ der Grafiken vornehmen zu wollen, können folgende Charakteristika der Patente herausgearbeitet werden. Es ist ein Anwachsen der Ähnlichkeiten im Laufe der Jahre für die Patente A und B zu erkennen: in der topographischen Karte erfolgt die Verschiebung der blauen Bereiche von kleinen zur großen Ähnlichkeiten (Patent A: von 51% über 58% bis 61%, Patent B: von 48% über 54% bis 63%). Im Gegensatz dazu sind bei Patent C keine Verschiebungen der Ähnlichkeiten im Laufe der Jahre zu erkennen, es erfolgt vielmehr eine Konzentration um einen Gipfel. Für Patent C entsteht damit eine große geschlossene Fläche der Ähnlichkeiten (60% bis 71%), während die Flächen der anderen Patente A und B zersiedelt erscheinen. Die Patente A und C erreichen eine maximale Ähnlichkeit von bis zu 72%. Insbesondere bei Patent B zeigt die Abbildung mehrere, abgetrennte Flächen oder Inseln; es wird eine maximale Ähnlichkeit von 69% erreicht.

Abb. 10: Patent A, B und C – Ähnlichkeiten über die Jahre

Der Vergleich der drei Karten unterstreicht den unterschiedlichen Charakter der Patentumgebungen. Diese Patentumgebungen, also die Ähnlichkeiten im Vergleich zum Referenzpatent, unterliegen zeitlichen Veränderungen. Eine kleine Fläche mit geringer Ähnlichkeit dokumentiert ein Alleinstellungsmerkmal des Referenzpatents gegenüber seiner Umgebung, das Patent scheint damit eine Marktlücke besetzt zu haben.16 In Gegensatz dazu deutet eine große Fläche mit hoher Ähnlichkeit zwischen den Patenten auf einen engen Markt hin – und tatsächlich können für das Referenzpatent C bzw. für Patente aus dieser Patentfamilie Patentstreitigkeiten identifiziert werden.

5. Gegenüberstellung und Zusammenfassung

Der Artikel stellt zwei Software-Produkte vor, die in erster Linie im industriellen Umfeld eingesetzt werden. Das Produkt Goldfire Innovator bietet eine parallele Suche über die wichtigsten Patentdaten an; es besteht zudem die Möglichkeit, benutzerspezifische Quellen in das System einzubinden. Eine grafische Aufbereitung der Ergebnisse in Form von interaktiven Zitationsbäumen und Histogrammen wird angeboten. Naturwissenschaftlich-technisches Grundwissen wird auf einer IMC-Struktur abgebildet, diese Struktur kann neben Boolean Search und Natural Search als weiterer Sucheinstieg genutzt werden. Mit Hilfe des Produkts DECOPA können u. a. Ähnlichkeitsanalysen durchgeführt.

Beide Systeme unterstützen die Suche und Analyse von Daten – einerseits mit dem Ziel, technische Lösungsalternativen aufzuspüren und Konkurrenzprodukte zu entwickeln (patentorientierte Ideenfindung), andererseits mit dem Ziel, das Geschäftsumfeld oder die Lizenzierungsbereitschaft von Konkurrenten zu prüfen (rechtsbezogene Patentrecherche). Bei beiden Produkten erfolgt eine Aufbereitung der zu Grunde gelegten Patentdaten, um das Retrieval und die Datenanalyse zu verbessern. Dazu werden Subjekt-Objekt-Aktions-Formate oder neuronale Datenstrukturen eingesetzt.

Die Entwicklungen im Bereich der Recherche-/Analysesoftware sind durch die wirtschaftlichen Interessen getrieben, die u.a. mit zielgerichteten Patent- und Marktanalysen vor dem Hintergrund immer kürzerer Produktlebenszyklen verbunden sind. Die vorgestellten Produkte zeigen Entwicklungslinien auf und bieten wertvolle Anregungen, um vergleichbare Features auf digitale Bibliotheken zu übertragen. Insbesondere können Visualisierungstechniken17 dem Anwender wichtige Hilfestellungen bei der Datenanalyse liefern.


Anmerkungen

1. Schwartz, Dieter: Patentstatistische und bibliometrische Analyse sowie deren grafische Umsetzung. In: B.I.T.online 2007/1, S. 27-32.

2. www.invention-machine.com [20.06.2007]
www.ipcentury.com [20.06.2007]

3. www.belpatent.org.by

4. Eine Übersicht über die verschiedenen Anbieter und deren Produkte liefert: Geiss, Dieter: Übersicht über die Entwicklung der elektronischen Medien bei Patentbehörden und Datenbankprovidern. In: Information – Wissenschaft und Praxis 56 (2005) 3, S. 191-200. - Geiss, Dieter: Aktuelle Entwicklungen der elektronischen Medien bei Patentbehörden. In: Information – Wissenschaft und Praxis 57 (2006) 3, S. 169-173.

5. Altschuller, G. S.: Erfinden – Wege zur Lösung technischer Probleme. Berlin 1986. - Die „Theorie des erfinderischen Problemlösens“ (TRIZ) wurde von Genrich S. Altschuller entwickelt, sie bietet einen Ansatz zur systematischen Entwicklung von Innovationen.
Aeberhardt, Benedikt: TRIZ-Technologie: Software unterstützt das „Erfinden“. In: Technische Rundschau 8 (2001) S. 14 ff.
Grawatsch, Markus: TRIZ-basierte Technologiefrüherkennung. Aachen. Band 19/2005.

6. Neuburger, Benedikt: Die Bewertung von Patenten. Theorie, Praxis und der neue Conjoint-Analyse Ansatz. Göttingen 2005.
Vgl. a. die Diskussion beim Heranziehen von Patenten zur Kapitalsicherung oder bei Insolvenzverfahren: Häfele, Edelbert; Wurzer, Alexander J.: Bewertung und Verwertung gewerblicher Schutzrechte im Insolvenzverfahren. In: Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht. 7 (2001), S. 282-284.

7. Walter, Lother u.a.: Semantische Patentanalyse mit dem Knowledgist und PIA. Grundlagen – Beispiele – Kritik. In: PatInfo 2003. S. 235 ff.

8. Dieser Test kann sicherlich nicht den Anspruch einer inhaltlichen und methodischen Vollständigkeit erheben.

9. Suchanfrage 1a in Natural Language: how to perform the extraction of plant ingredients? <in> FTXT Suchanfrage 1a in Boolean Search: perform <in> FTXT <And> extraction <in> FTXT <And> plant ingredient <in> FTXT

10. Suchanfrage 1b in Boolean Search: extraction <in> FTXT <And> plant ingredients <in> FTXT

11. Suchanfrage 2 in Natural Language: how to improve electrocatalytic properties of fuel cell anodes? <in> FTXT <br>Suchanfrage 2 in Boolean Search: electrocatalytic <in> FTXT <And> property <in> FTXT <And> fuel cell <in> FTXT <And> anode <in> FTXT

12. Detaillierte Beschreibungen der Patentindikatoren sowie Indikatoren zur Beurteilung der rechtlichen Stärke von gewerblichen Schutzrechten findet man in: Wallaschek, Jörg u.a.: Patentanalyse und Patent-Portfolio-Werkzeuge des strategischen Patentmanagements. In: Modernes Patentbewußtsein in Hochschulen. Hrsg. Michael Asche. Münster 2004. S. 47-78.

13. Informationsmaterial von IPCentury: Quick Guide sowie Intuitive, Easy-to-Use Interface.
www.ipcentury.de [20.06.2007]

14. Folgende Patente wurden als Referenz-Patente herangezogen und die Ähnlichkeiten bestimmt:
US 6 444 107 - Method and device for the simultaneous production of acid and base of high purity
CH 683 021- Electromagnetic valve battery for pneumatic or hydraulic valves
US 6 427 723 / DE 100 13 192 - Valve arrangement having individual electrical valve connection modules

15. Um eine Vergleichbarkeit der Grafiken zu erzielen, wurden die Ähnlichkeiten von 45% bis 73% sowie gleiche zeitliche Intervalle (1971-1980, 1981-1990, 1991-2000, 2001-2005) gewählt.

16. Dies ist möglicherweise ein Grund dafür, dass das Patent B in den Patentfond „Patent Select“ aufgenommen wurde, der über die Deutsche Bank bereitgestellt wird. Vgl.: Deutsche Bank: Investieren in Patente.
www.deutsche-bank.de/presse/de/content/presse_informationen_2007_3470.htm [20.06.2007]

17. Eine Übersicht über verschiedene Visualisierungsinstrumente liefert u. a. mein früherer Beitrag. Schwartz, Dieter: Graphische Datenanalyse für digitale Bibliotheken – Leistungs- und Funktionsumfang moderner Analyse- und Visualisierungsinstrumente. In: Vom Wandel der Wissensorganisation im Informationszeitalter. Festschrift für Walther Umstätter. Bad Honnef 2006. S. 273-291.


Autor

Dieter Schwartz

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der

Fachhochschulbibliothek Münster
Bereichsbibliothek Steinfurt
Stegerwaldstr. 39
48565 Steinfurt
schwartz@fh-muenster.de