"Wikia Search": eine neue Suchmaschine für Bibliotheken?*


Abstracts

Einleitung
Die Grundidee und Technologie von "Wikia Search"
Die zusätzlichen Möglichkeiten von "Wikia Search"
Umfrage zum Informationsverhalten von Bibliotheken
Digitale Informationsressourcen in Bibliotheken
Suchmaschinen und Wissenschaftssuchmaschinen als Konkurrenz zu Bibliotheken?
Das Suchverhalten der (potentiellen) Nutzer von Bibliotheken
Das Suchverhalten der Informationsspezialisten in Bibliotheken
Bekanntheit von "Wikia Search"
Ergebnisse zur Usability von "Wikia Search"
Ergebnisse zu den Suchresultaten
Fazit

von Rafael Ball

Einleitung

Bereits im Dezember 2006 wurde die Web-Suchmaschine von Wikipedia, damals noch unter dem Arbeitstitel "Wikiasari", angekündigt und wurde von der Fachwelt zwischenzeitlich als größte Sensation gehandelt. Im April 2007 bezeichnete das amerikanische Magazin "Fast Company" die neue Suchmaschine gar als "Google's" schlimmsten Albtraum. Doch erst am 7. Januar 2008 wurde die Alpha-Version für die Öffentlichkeit freigegeben.

Die Grundidee und Technologie von "Wikia Search"

Genau wie Wikipedia möchte "Wikia Search" die Gemeinschaft der Nutzer produktiv einbinden. Die Communitiy soll darüber entscheiden, was wichtig ist, indem sie die Treffer bewerten kann. Qualität statt Quantität und die Power und Hilfe der Mitmachgemeinde sollen bei "Wikia Search" im Zentrum stehen und das bei höchster Transparenz.

"Wikia Search" ist momentan nur etwas mehr als eine algorithmus-basierte Websuchmaschine. Technisch basiert die Suchmaschine auf dem Open-Source-Produkt "Nutch" und ist sehr einfach gehalten. "Nutch" basiert auf "Lucene Java" (ebenfalls Open-Source) und ist verbunden mit webspezifischen Eigenschaften wie einem Crawler, einer Linkgraph-Database und Parser-Modulen für die verschiedenen Dokumenttypen. Es gibt genau ein Suchfeld und "Wikia Search" unterstützt die Boole'schen Operatoren. Das "Google"-tpyische "+" und "-" wird hingegen bei der Suche nicht akzeptiert. Wikia hat zudem den Quellcode von Grub übernommen. Dieser ist zwar noch nicht öffentlich publiziert unterstützt aber das Bestreben des "Mitmach"-Webs resp. der "Mitmach"-Suchmaschine.

Die zusätzlichen Möglichkeiten von "Wikia Search"

Alle Suchergebnisse können in einem Wiki diskutiert und kommentiert werden. Die verwendeten Suchalgorithmen werden als Open-Source offen gelegt und zu jedem Treffer wird ein Relevanzwert angezeigt. Zu jedem Suchergebnis können Mini-Artikel erstellt werden, diese haben gewisse Ähnlichkeiten mit einem Wikipedia-Eintrag und beschreiben kurz und knapp das Suchresultat. Für die Nutzung dieser "Web 2.0"-Möglichkeiten ist das Erstellen eines Profils notwendig. Je reichhaltiger das Profil gefüllt wird, umso mehr wird man beim entsprechenden Suchbegriff als "passend" resp. als Experte aufgerufen.

Umfrage zum Informationsverhalten von Bibliotheken

Im Rahmen der Studie wurde eine Umfrage zur Bekanntheit und Nutzung von "Wikia Search" in Bibliotheken durchgeführt. Die Umfrage selbst ist nicht repräsentativ und sollte nur ein exemplarisches Schlaglicht werfen. Immerhin jedoch antworteten 435 (!) Bibliotheken. Einbezogen wurden ausschließlich wissenschaftliche und öffentliche Bibliotheken. Pro Land wurden jeweils die sechs wichtigsten, im Fall von Belgien, Australien und der Westschweiz die drei wichtigsten, Universitätsstädte (nach Anzahl der Studenten) ausgewählt.1 In jeder dieser Städte fanden nach Möglichkeit mindestens je drei wissenschaftliche und drei öffentliche Bibliotheken Aufnahme in das Stichprobensample. Diese Bibliotheken wurden durchwegs direkt angeschrieben, wobei, wenn immer möglich, Mitarbeitende als persönliche Ansprechpartner eruiert wurden. Aufgrund dieses Verfahrens wurden 225 Bibliotheken bestimmt, von denen sich gut zwei Drittel der Kategorie "wissenschaftlich", ein Drittel der Kategorie "öffentlich" zuordnen lassen.

Bevor jedoch ein Urteil über Vor- und Nachteile von "Wikia Search" und die Eignung beim Einsatz in der Bibliothek präsentiert wird, gehen wir einleitend noch auf das Informations- und Suchverhalten in Bibliotheken ein und geben einen Überblick über bereits benutzte digitale Systeme.

Digitale Informationsressourcen in Bibliotheken

Je nach Bibliothekstyp erschließen die Bibliotheken allgemeine und wissenschaftliche Inhalte. Neben den gedruckten Datenträgern soll auch der gesamte Bereich des sogenannten digitalen Academic Web durch die Suchmaschine erschlossen werden. "Hier ist zu unterscheiden zwischen den für die allgemeinen Suchmaschinen zugänglichen Inhalten im Oberflächen-Web (Surface Web) und den für die Suchmaschinen nicht zugänglichen Inhalte im Invisible Web."2

In den USA entstanden bereits ab 1994 verschiedene Projekte, welche den Aufbau digitaler Bibliotheken förderten. Das Nebeneinander von gedruckten und digitalen Inhalten wurde mit dem Begriff "Hybride Bibliothek" geprägt. In Großbritannien entstanden zur selben Zeit so genannte "Subject Gateways".3 Der Mehrwert besteht darin, fachlich relevante Internetquellen intellektuell zu erschließen.4

In Deutschland entstanden ähnliche Projekte unter dem Begriff "Virtuelle Fachbibliotheken". Sie bieten einen zentralen Einstieg, leistungsfähige Suchwerkzeuge, Aggregation großer Informationsmengen, Strukturierung und Aufbereitung von Informationen, Personalisierung, Kommunikation und Kollaboration sowie die Validierung von Informationen. Dennoch ist die Erschließung und die Bereitstellung des Academic Invisible Web für die Bibliotheken immer noch eine zentrale Herausforderung.5

Bei vielen Bibliotheken ist der OPAC (Online Public Access Catalog) das zentrale Referenzinstrument für alle in der Bibliothek verfügbaren Inhalte. Ein Problem besteht darin, dass die Websites der Bibliotheken zwar durch die Suchmaschinen gut indexiert sind, die Katalogeinträge aber zum Invisible Web gehören. Diese werden von den allgemeinen Suchmaschinen nicht erfasst, weil die Einträge dynamisch erstellt werden.6 Deshalb gibt es vermehrt Bibliotheken, die eine Ablösung der alten Datenbank-Technologie der OPACs durch Suchmaschinentechnologie anstreben.7

Suchmaschinen und Wissenschaftssuchmaschinen als Konkurrenz zu Bibliotheken?

Suchmaschinen wie "Google", "Yahoo" oder "MSN" bestimmen heute darüber, wie eine Suche abläuft und welche Informationen sichtbar werden.8 Es gibt zudem Wissenschaftssuchmaschinen wie "Google Scholar" oder "Scirus",9 die einerseits das Visible Web und andererseits die von Verlagen und wissenschaftlichen Institutionen angebotenen Inhalte indexieren. Mit dieser Kombination bilden sie Hybridsysteme, die wissenschaftliche Inhalte in größerem Umfang nachweisen.10

Die Vorteile der Wissenschaftssuchmaschinen bestehen auf der Ebene der Inhalte, der Erschließung (Volltext, Anreicherung durch Tags und Rezensionen) und der einfachen Suche. Nachteile sind die oft unklaren Quellen und die oft fehlende bibliothekarische Erschließung.11

Eine Untersuchung aus dem Jahr 2007 zeigt die Verfügbarkeit von Aufsätzen bei Internetrecherchen. Dabei zeigte sich, dass "Google Scholar" keinen vollständigen Nachweis bieten kann und sich demnach nicht als Ersatz für bibliografische Datenbanken eignet.12

Eine weitere multidisziplinäre Suchmaschine ist BASE (Bielefeld Academic Search Engine).13 Sie erschließt viele wissenschaftliche Inhalte des Invisible Web. Die durchsuchten Quellen werden bewertet. 14

Hinsichtlich der Abdeckung stellt sich die Frage, ob Suchmaschinen geeignet sind, qualitativ hochwertige Webinhalte und Fachinformationen zu finden. Wesentliche Teile des Invisible Web, insbesondere kostenpflichtige Datenbanken, werden von den Wissenschaftssuchmaschinen nicht indexiert. Weiter hat sich die Einstellung der Nutzer zu kostenpflichtigen Informationen verändert. Die Bibliotheken können den Nutzern oft nur schwer erklären, warum sie für Informationen zahlen müssen, wenn über Suchmaschinen anscheinend alles umsonst ist. Problematisch ist auch die Qualitätsbestimmung der Treffer. Das Ranking erfolgt nur über formale Kriterien und gewichtet Inhalte nach der Verlinkungsstruktur des Webs und misst so die Popularität. 15

Das Suchverhalten der (potentiellen) Nutzer von Bibliotheken

Die elektronischen Bibliotheksangebote werden von den Nutzern oft nicht so angenommen, wie dies von den Bibliotheken gewünscht wird. Die Nutzer verwenden stattdessen allgemeine Suchmaschinen oder Wissenschaftssuchmaschinen. Die OPACs als Instrument zur systematischen Recherche sind oft bei der Suche nach Fachinformationen meist wenig populär. Mit der zunehmenden Popularität des Internets sind auch die Bedenken der Bibliotheken gestiegen, dass ihre potentiellen Nutzer "alles" selber im Internet suchen.16 Eine Studie des OCLC (Online Computer Library Center) aus dem Jahre 2005 zeigt, dass 84 % der Teilnehmer ihre Recherche mit einer Suchmaschinen starten, nur ein Prozent nehmen die Bibliotheks-Website als Ausgangspunkt. 90 % aller Befragten der Studie waren mit der Qualität der Suchmaschinen zufrieden.17

Informationskompetente Menschen entscheiden, welche Art von Informationen sie in einer bestimmten Situation brauchen und ob die Bibliothek dafür geeignet ist. Das Konzept von Informationskompetenz enthält jedoch zusätzlich zum Suchen und Finden auch die Evaluation, die Nutzung und die Beurteilung von Informationen. Einerseits können die Bibliotheken das Verständnis der Nutzer für die Komplexität der Informationswelt fördern. Es existieren zahlreiche Modelle und Standards, die von Bibliotheken in der Beratung und Vermittlung eingesetzt werden.18

Wissenschaftliche und allgemeine Bibliotheken unterscheiden sich hier im Angebot und in den Methoden. Voraussetzung ist didaktisch-methodisch geschultes und im bibliothekarischen Kontext informationskompetentes Personal.19 Andererseits wollen die Nutzer Recherchesysteme, die einfache Interfaces bieten und zugleich auch auf wenig komplexe Anfragen hin relevante Ergebnisse liefern. Die Recherchefunktionalitäten sollen auf das Suchverhalten der Nutzer abgestimmt werden. Die Bibliotheken adaptieren deshalb vermehrt die Stärken der Suchmaschinen und verknüpfen diese mit ihrer Stärke, der bibliothekarischen Erschließung.20

Das Suchverhalten der Informationsspezialisten in Bibliotheken

Informationsspezialisten haben unterschiedliche Suchstrategien: Oft wird der thematische Einstieg über Linkssammlungen einer (wissenschaftlichen) Institution oder das Portal einer Universität gewählt.21 Weiter werden Browsing und Suchdienste für eine Recherche eingesetzt. Die Online-Recherche ist charakterisiert durch das Fragmentarische, das Zusammensetzen von einzelnen Wissensteilen und einer fehlenden Linearität. Die Modularisierung von Informationen und die Möglichkeit, die Kontinuität von Informationsabfolgen zu unterbrechen, wurde bereits von Paul Otlet formuliert, Gründer des Institut International de Bibliographie. Rainer Kuhlen festigte diese Vision im Jahre 1993, wonach "[...] virtuelle Bücher [...] auf der Verknüpfung einzelner Wissensfragmenten [beruhen], die nicht aus einem einzigen linearen Ausgangstext stammen müssen, zu größeren Einheiten [zusammen kommen]".22

Heute entwickelt sich das Internet stark im Bereich Web 2.0. User setzen einzelne Wissensfragmente nicht nur neu zusammen, sondern tauschen diese auch untereinander aus. Echtzeit-Bearbeitung und Synchronität des Austauschs führen zu neuer Wissensgenerierung. Für die Bibliotheken geht es darum, die Unmittelbarkeit, die durch die neuen Arbeitsformen entsteht, aufzunehmen. Es sollen geeignete Tools und Plattformen geschaffen werden, um eine Strukturierung der Angebote zu erreichen, damit die Suche nach relevanten Inhalten vereinfacht wird. Abschließend kann gesagt werden, dass "[...] eine umfassende Suchlösung, die sowohl den bibliothekarischen Ansprüchen als auch denen der Nutzer gerecht wird [...]" immer noch fehlt. Eine Zusammenarbeit zwischen Suchmaschinen, Bibliotheken und Datenbankanbietern wird unumgänglich sein.23

Bekanntheit von "Wikia Search"

Die Umfrage zur Bekanntheit und Nutzung von "Wikia Search" ergab bei den angefragten Informationsspezialisten ein ernüchterndes Ergebnis, wobei der knappe Zeithorizont zwischen Launch und Umfrage als mildernd betrachtet werden kann.

Unter den 435 Bibliotheksmitarbeitenden, die den Fragebogen beantworteten, kennen knapp zwei Drittel (256) die neue Suchmaschine "Wikia Search" nicht. Schon davon gehört haben 132. Weitere 41 haben "Wikia Search" getestet und nur gerade sechs Personen, also rund 1,5 %, geben an, dass sie die neue Suchmaschine auch benutzen. Angesichts der geringen Zahl von Benutzern von "Wikia Search" ist es nicht möglich, einen relevanten Zusammenhang zwischen den Benutzern und den Sprachräumen oder dem Bibliothekstyp auszumachen.

Danach befragt, warum sie "Wikia Search" nicht weiter nutzen, macht eine signifikante Mehrheit der Befragten mangelnde Ergebnisse geltend: 28 Personen geben an, dass "Wikia Search" unrelevante oder zuwenig relevante Treffer liefert, oder dass andere Suchmaschinen bessere Resultate liefern. In vier Fällen wird die Fokussierung auf die englische Sprache als Manko aufgeführt, und drei Personen finden den Suchmodus oder die Benutzeroberfläche allgemein als wenig benutzerfreundlich. Von den Testpersonen, die "Wikia Search" weiterhin benutzen, führen, abgesehen von einer Ausnahme, niemand explizit einen effektiven Mehrwert als Grund an.

Von den 47 Befragten, die "Wikia Search" kennen oder benutzen, gibt ein Viertel (12) an, dass sie "Wikia Search" für wissenschaftliche Anfragen benutzten respektive benutzen, während drei Viertel (35) die Suchmaschine für allgemeine Anfragen einsetzen. Nach dem Zielpublikum von Recherchen mit Suchmaschinen befragt, geben rund zwei Drittel an, dass die Resultate eher für interne Zwecke (Bibliothek/Forschung) benutzt werden, ein Drittel führt an, dass die Resultate eher für externe Zwecke (Bibliotheksbenutzer) verwendet werden.

Eine neue Suchmaschine muss in erster Linie schnell sein, damit sie Akzeptanz findet, Volltexterschließung anbieten (beides fast 50 %) und eine hohe Trefferquote (60 %) aufweisen. Relevanz steht deutlich über der Quantität. In den Antworten macht die Expertensuche als wichtiges Kriterium rund ein Drittel aus: Staffelsuche, Einschränkungen, Ausschluss bestimmter Seiten (Schwarze Liste), Boole'sche Operatoren sind hier wichtige Stichworte. Auch die Einschränkung der Suche auf validierte Seiten oder nur spezifische Seiten (universitäre, bibliothekarische, akademische oder solche der öffentlichen Hand) ist zwar schwierig umsetzbar, entspricht aber einem deutlichen Wunsch. Daneben stellt die Darstellung der Resultate einen weiteren wichtigen Punkt dar (ca. ein Fünftel der Nennungen): Das Ranking muss nachvollziehbar sein oder gar beeinflussbar (25 %). Die Resultate sollen kategorisiert oder gruppiert sein oder selbst gruppiert werden können. Dazu gehört nach Meinung einiger Befragten auch eine funktionierende Dublettenentfernung. Außerdem fallen einige interessante Einzelnennungen auf: RSS-Abonnement für gespeicherte Suchanfragen, Ausbau der Suchwörter-vorschläge "meinten Sie ..." auf definierte Suchtermini oder eine Schlagwortdatei und der Zugriff auf OPAC-Kataloge.

Ergebnisse zur Usability von "Wikia Search"

Für die Untersuchung der Usability von "Wikia Search" wurden eine analytische und eine empirische Methode angewendet, jedoch wurde eine differenzierte Zielgruppe beigezogen, da sich diese Tests besser in der Feldforschung betreiben lassen.

Für die Evaluation im Rahmen der Studie wurde das kombinierte Verfahren beigezogen, aus zeitlichen Gründen in einer Variante "Discount-Usability" (vgl. Nielsen). Hinter diesem Ansatz steht die Idee, Usability-Evaluationen möglichst schnell, kostengünstig und einfach in der Durchführung zu gestalten.

Die wesentlichen Aussagen der Usability-Test zu "Wikia Search" waren:

Ergebnisse zu den Suchresultaten

Zur Effektivitätsbewertung von Suchergebnissen haben sich die Standardwerte Precision und Recall etabliert. Vereinfacht gesagt stellt Recall das Verhältnis zwischen gefundenen relevanten Dokumenten und gesamthaft im Bestand vorhandenen relevanten Dokumenten dar. Precision bildet das Verhältnis gefundener relevanter Dokumente zur Gesamtmenge der gefundenen Dokumente ab.

Bei dem Versuch, die Informationsbedürfnisse von Bibliothekskunden zu erschließen, muss man sich zuerst fragen, welche Informationen über eine Websuchmaschine in der Regel abgefragt werden. Wir gehen davon aus, dass es bei "Wikia Search" ähnliche Themen sind, die an den Computern in einer Bibliothek bisher über "Google" recherchiert werden und stellen nicht den Anspruch, dass "Wikia Search" mit wissenschaftlichen Suchmaschinen mithält, da "Wikia Search" dies ja auch nicht verspricht. Es geht also um Informationsbedürfnisse, die das Surface Web abdecken kann.

Um die Informationsbedürfnisse in den verschiedenen Bibliotheken abdecken zu können, muss klar sein, welche Bibliotheken man meint. Das verwendete Testset ging davon aus, dass hälftig öffentliche und wissenschaftliche Institutionen vorliegen. Von der Institution wird dann auf mögliche Anfragen an Websuchmaschinen der dortigen Nutzer geschlossen. Die Suchanfragen sind in Englisch gehalten, da "Wikia Search" in dieser Phase erst im Aufbau und vornehmlich englischsprachig ist. Der Vergleich sollte möglichst fair sein. Zu einem späteren Zeitpunkt muss die Suchmaschine aber sicherlich beweisen, dass sie auch bei deutschsprachigen Suchbegriffen quantitativ und qualitativ befriedigende Ergebnisse liefern kann. Die Suchthemen wurden entsprechend auf den englischen Sprachraum (USA, GB) angepasst (keine Schweizer Themen und Begriffe).

Erschreckend sind die hohen Prozentsätze der nicht relevanten Treffer, die bei "Wikia Search" sowohl bei den öffentlichen Bibliotheken als auch bei den wissenschaftlichen Anfragen auftauchen.

Während "Wikia Search" leicht besser bei den allgemeinen Anfragen ist (nur 49 % nicht relevant gegenüber 59 % bei wiss. Anfragen) ist es bei "Google" gleich umgekehrt (24 % nicht relevant gegenüber 21 %), allerdings ist der Unterschied bei "Google" vernachlässigbar. Es lässt sich festhalten, dass "Google" den deutlich höheren Anteil an relevanten Treffern liefert, in beiden Gebieten.

Die Auswertung ermöglicht zudem einen Vergleich zwischen den beiden getesteten Suchmaschinen, wobei klar wird, dass "Google" "Wikia Search" stark überlegen ist und zwar in allen Positionen. Während der Unterschied bei den ersten Trefferplätzen noch erheblich ist (v. a. bei Anfragen aus dem Bereich wissenschaftlicher Bibliotheken), nähern sich die Werte gegen den Schluss der Rangliste an. Dies lässt sich daraus erklären, dass "Google" eine stärker abfallende Performance hat und "Wikia Search" ziemlich konstant auf einem niedrigen Level ist.

Die Ergebnisse sind in allen Perspektiven und bei beiden Bibliothekstypen eindeutig: "Wikia Search" unterliegt "Google" klar. "Google" ist die effektivere Suchmaschine der beiden. Während "Google" auf unsere 45 Suchanfragen zwischen 60 und 70 % eindeutig relevante Treffer liefert, schafft "Wikia Search" nur zwischen 40 und 50 %. Zählt man die auf relevante Treffer verweisenden Hits dazu, verschiebt sich alles um ca. 10 Prozentpunkte nach oben. Bei der Mikroprecision erkennt man, dass der Abstand zwischen "Wikia Search" und "Google" im Bereich der allgemein-öffentlichen Bibliotheken etwas weniger groß ist, im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken hat "Wikia Search" keine Chance. Immerhin hat "Wikia Search" über alle Rangplätze eine tiefe Precision, "Google" hat stärkere Schwankungen. Interessant wäre diese Erhebung natürlich mit weit mehr Suchanfragen als wir dies durchführen konnten. Kurz: Es steht 0,7 zu 0,4 für "Google" mit der durchschnittlichen Precision. Auch das quantitative Vorgehen mittels Betrachtung der Makroprecision wirft ein eher schlechtes Bild auf die Retrievaleffektivität von "Wikia Search": nur gerade in 13 % der Anfragen lieferte "Wikia Search" mehr relevante Ergebnisse als "Google". Gemessen an der Referenz "Google" ist die Differenz in den untersuchten Bereichen noch zu groß als dass "Wikia Search" als Suchmaschine erster Wahl empfohlen werden könnte. In Fällen, bei denen "Google" keine zufrieden stellenden ersten Resultate liefert, könnte "Wikia Search" eine Alternative bei allgemeinen Anfragen sein.

Auch hier muss jedoch erwähnt werden, dass die Ergebnisse nur für kurze Dauer aussagekräftig sind, da "Wikia Search" als Suchmaschine in der Aufbauphase ist und das Rankingverfahren durch die Community noch nicht aktiviert ist.

Fazit

"Wikia Search" wurde offenbar noch in einem frühen Entwicklungsstadium im Internet zur Verfügung gestellt (Alpha-Version). Möglicherweise war der Zeitpunkt zu früh gewählt, trotz der Idee, die Internet-Gemeinde an der Entwicklung des Projekts partizipieren zu lassen. Es ist schwierig abzusehen, ob "Wikia Search" zu einem globalen Player im Suchmaschinenbereich wird. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel daran, speziell aufgrund eines chaotischen Konzepts und fehlender Transparenz.

Schafft "Wikia Search" den Sprung auf das Niveau einer geeigneten Suchmaschine für den allgemeinen Gebrauch und kann "Wikia Search" das notwendige Plus in Sachen Suchstrategien in Bibliotheken bieten? Kann sich "Wikia Search" zu einem möglichen Arbeitselement bei Suchstrategien in Bibliotheken entwickeln, unter Berücksichtigung, dass Bibliotheken in rechtliche Bedingungen und öffentliche Bedürfnisse eingebunden sind?

Das Resultat nach fünf Monaten Laufzeit lautet, dass die Betreiber mit der Alpha-Version von "Wikia Search" zu schnell auf den Markt gekommen sind. Gerade dem "Wikia Search" zugrunde liegenden Community-Aspekt mit den zahlreichen Wiki-Funktionen wurde im Media Design zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obschon dieser Punkt den entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu den bereits bestehenden Suchmaschinen - auch als interessantes Zusatzelement für Bibliotheken - darstellen soll. Offensichtlich hat man damit eine Chance vertan, das (lohnende und reizvolle) Ziel der "sozialen" und auf Transparenz beruhenden Suche im Internet systematisch und strukturiert aufzubauen.


Autor

Dr. Rafael Ball

Leiter Universitätsbibliothek Regensburg
93042 Regensburg
E-Mail: rafael.ball@bibliothek.uni-regensburg.de


Anmerkungen

*) Dieser Beitrag ist die Kurzfassung des Abschlussberichts eines Projektkurses, den der Autor mit Studierenden der HTW Chur , Klasse IW05tz des Studiengangs Informationswissenschaften, im Frühlingssemester 2008 durchgeführt hat. Die komplette, sehr umfängliche Studie steht elektronisch bei B.I.T.online Open Access zur Verfügung.

1. Ausnahme: Im Vereinigten Königreich wurden Oxford und Cambridge anstelle von international wenig bekannten Neugründungen dazugenommen.

2. Lewandowski, 2006b, S. 2.

3. siehe auch Sandler, 2005.

4. Modellcharakter hatte «Social Science Information Gateway SOSIG».

5. siehe auch Egger-Sider, Devine, 2005.

6. siehe auch Dawson, 2005.

7. Lewandowski, 2006b, S. 5.

8. siehe auch Miller, 2005

9. URL: http://scholar.google.de/ und http://www.scirus.com/ [Stand 06. Mai 2008].

10. Lewandowski, 2006a, S. 6.

11. Lewandowski, 2006b, S. 4.

12. Lewandowski, 2007, S. 165.

13. URL: http://base.ub.uni-bielefeld.de/index.html [Stand 06. Mai 2008].

14. siehe auch Taylor, 2005.

15. Lewandowski, 2008, S. 4.

16. Es wird von «Disintermediation» gesprochen.

17. OCLC Online Computer Library Center, 2005.

18. Eine Zusammenstellung findet sich bei FIU Florida International University Libraries http://www.fiu.edu/~library/ili/iliweb.html [11.05.2008].

19. siehe auch Krasulski, 2005.

20. Lewandowski, 2006b, S. 5.

21. Weilenmann, 2006, S. 27.

22. zit. in: Weilenmann, 2006, S. 11.

23. Lewandwoski, 2006b, S. 1.