Katastrophenplanung für Informationseinrichtungen


Abstracts

Risikoanalyse & Vorbeugung
Vorbereitung
Verhalten im Schadensfall
Erholung
Zum Abschluss
Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Köln

von Elisabeth Raicher

Historisches Archiv der Stadt Köln – Herzogin Anna-Amalia Bibliothek in Weimar – Fachbibliotheken der Karlsuniversität in Prag. Noch vor wenigen Jahren hätte diese Aufzählung bei kaum jemandem Assoziationen geweckt, heute haben wir alle Bilder im Kopf. Die Trümmerhaufen in Köln sind noch sehr präsent, die nächtlichen Flammen in Weimar haben sich bildlich ins Gedächtnis eingebrannt, und auch an die Flutkatastrophe vom Sommer 2002 kann man sich noch gut erinnern.

Wann immer irgendwo Bibliotheks- oder Archivbestände von teils unschätzbarem Wert verloren gegangen sind, und sich der erste Schock gelegt hat, wird die Frage laut, ob das nicht zu verhindern gewesen wäre. Manchmal stellt sich diese berechtigterweise, in anderen Fällen hätten selbst die kreativsten Risikoanalytiker das Unglück nicht vorhersagen können. Ein gewisses Maß an Vorbereitung hilft aber bei unerwarteten Schadensfällen die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Auch wenn sich in den letzten Jahren viel im Bereich Katastrophenplanung getan hat, und dank Bestandserhaltungskonferenzen und Fachberichten zwischenzeitlich sehr vielen bewusst sein sollte, dass ein Notfallplan auch für die eigene Informationseinrichtung Sinn machen könnte, hört man wenig darüber, ob tatsächlich entsprechende Unterlagen erstellt werden. Natürlich gibt es in jeder Einrichtung einen Brandschutzplan, und diejenigen, die bereits von Hochwasser bedroht waren, haben sicher Vorkehrungen getroffen, aber auch die Glücklichen, die bisher verschont geblieben sind, sollten nicht untätig bleiben.

Die Katastrophenplanung kann in folgende Abschnitte untergliedert werden: Basierend auf der Risikoanalyse werden Vorbeugemaßnahmen und Vorbereitungen getroffen, damit im Schadensfall entsprechend reagiert werden kann. In der Erholungsphase werden dann Erfahrungswerte für einen neuen Planungszyklus gesammelt und ausgewertet.

Risikoanalyse & Vorbeugung

Es macht Sinn, wenn sich für die Erstellung des Katastrophenplans für eine Bibliothek oder ein Archiv ein Team aus Entscheidungsträgern und Fachkräften aus verschiedenen Abteilungen und eventuell auch Katastrophenschutzexperten zusammensetzt. Erstere haben Befugnisse, Weisungen zu erteilen und Budget einzusetzen, zweitere kennen die Bestände und haben Fachwissen über die korrekte Behandlung beschädigter Medien, und letztere kennen Alarmsysteme und Rettungsmechanismen und können eventuell schon aus Erfahrungen schöpfen.1 Dieses Planungsteam führt zuerst eine Risikoanalyse für die Einrichtung durch und entwickelt darauf basierend ein Set an Maßnahmen.

Bei der Risikoanalyse sind die verschiedenen möglichen Bedrohungen für die Informationseinrichtung zu erfassen und nach Wahrscheinlichkeit und Wirkung zu beurteilen, um Planungsprioritäten festzulegen. Mögliche Bedrohungen wären Brände, Wasserschäden durch Hochwasser oder Rohrbruch, extreme Wettererscheinungen wie Stürme oder Hagel, Schnee- und Erdrutsche sowie Erdbeben, technische Katastrophen wie Kraftwerksunfälle oder Explosionen, Anschläge oder Vandalismus. Welche Risiken für die einzelne Einrichtung relevant sind, hängt vor allem von deren Lage und der Bausubstanz ab.

Vorbeugen ist besser als Heilen, daher sollten kalkulierbare Risiken schon im Vorfeld ausgeschaltet werden. Beim Neubau von Bibliotheken und Archiven ist der Umgebung besonderes Augenmerk zu schenken, die Baupläne sind dann entsprechend anzupassen.2 Hochwasserdämme und Lawinenschutzwälle sollten in gefährdeten Gebieten selbstverständlich mitgeplant werden, ebenso wie Abflusssysteme mit entsprechenden Kapazitäten (um Rückstau oder Rohrbruch zu vermeiden). Der Einsatz von bruchsicherem Glas empfiehlt sich für Dachflächen ebenso wie für tiefer gelegene Etagen. Beim Neubau sollten Wasser- und Abwasserleitungen generell nicht direkt neben oder über Magazinen eingeplant werden, bei Umbauten sollten diese nach Möglichkeit verlegt werden.

Auch in bereits bestehenden Gebäuden ist darauf zu achten, dass Wasser- und Elektroinstallationen nicht veraltet oder überlastet sind. Die Statik von Räumen, die als Magazine oder Lesesäle genutzt werden sollen, muss überprüft werden, wobei auch in Betracht gezogen werden sollte, dass durch Löschwasser oder Wassereinbruch durchnässtes Papier schwerer wird, und sowohl Regale als auch Decken zusammenstürzen können.3 Viele größere Informationseinrichtungen verfügen bereits über Löschanlagen in ihren Magazinen, aber auch Alarmsysteme wie Bodenmelder für Wasser oder Einbruchmelder für Fensterscheiben können Sinn machen.4

Einen wesentlichen Anteil an der Schadensvermeidung haben sicher organisatorische Vorbeugemaßnahmen wie z. B. Rauchverbot in Magazinen oder Verbot offenen Feuers (Kerzen, etc.) in Büroräumlichkeiten. Da auch elektrische Geräte Brände auslösen können, sollten diese bei längerer Abwesenheit von Personal, abends oder am Wochenende, ausgeschaltet werden. Das Schließen aller Fenster sowie aller Wasserhähne beim Verlassen des Gebäudes sollte eine Selbstverständlichkeit sein.5

Für Informationseinrichtungen mit elektronischen Beständen empfiehlt es sich oft, Back-ups zu sichern. Die Nutzung von Servern an anderen Standorten kann den Datenverlust im Schadensfall einschränken. Ob auch eine räumliche Verteilung von wertvollen Printbeständen Sinn macht, ist im Einzelfall zu entscheiden. Einerseits kann dadurch im Unglücksfall ein Teil der Bestände verschont bleiben, andererseits gestaltet sich die Bergung einfacher, wenn alles Wertvolle beieinandersteht. Bei geplanten Ausnahmezuständen, wie z. B. Bauarbeiten, kann eine Um- bzw. Auslagerung in Betracht gezogen werden, allerdings ist auch das Ausweichquartier auf diverse Risiken hin durchzuchecken.

Vorbereitung

Ein guter Katastrophenplan kann zwar prinzipiell ein Unglück nicht vermeiden, aber Vorausdenken kann helfen, die Verluste im Schadensfall zu minimieren. Daher macht es Sinn, sich auch mit den Risiken auseinanderzusetzen, die nicht durch Vorbeugung ausgeschaltet werden können, und entsprechende Maßnahmen vorzubereiten.

Im Schadensfall muss schnell reagiert werden, aber oft sind es einfache und klare Informationen, die nicht prompt aufrufbar sind oder im schlechtesten Fall sogar fehlen.

Da bei Katastrophen der Zeitfaktor eine große Rolle spielt, macht es Sinn, auch diese – teils banal erscheinenden – Fragen im Voraus zu klären und knapp zu dokumentieren. Im Unglücksfall hat niemand Zeit noch Nerven, das Stichwortverzeichnis eines mehrere hundert Seiten langen, detaillierten Katastrophenplans zu durchsuchen, deswegen ist es notwendig, alle wesentlichen Informationen übersichtlich auf wenigen Seiten festzuhalten.6 Am besten eignen sich dazu kurze, gut strukturierte Formulare, eventuell ergänzt durch erklärende Graphiken, da nicht immer davon ausgegangen werden kann, dass alle Hilfskräfte mit der Einrichtung und dem Notfallplan vertraut sind.

Zunächst müssen Verantwortliche nominiert und deren Kontaktdaten in einem Alarmplan festgehalten werden, der entweder frei zugänglich oder gut sichtbar ausgehängt ist, und auch die klassischen Notfallnummern von Feuerwehr, Polizei und Rettung enthält. Die Verantwortlichen lösen dann je nach Schadensfall eine Verständigungskette aus, die ebenfalls in den Notfallunterlagen vorgeschrieben ist. So können rasch alle verfügbaren Helfer informiert und Überschneidungen oder Lücken in der Kommunikation vermieden werden. Sinnvoll ist die Bildung von Rettungs- bzw. Bergungsteams unter Berücksichtigung von Kompetenzen (z. B. Sammlungs- oder Restaurierungskenntnisse) und Verfügbarkeit der Mitarbeiter, da z. B. Pendler nachts eher schlecht zum Unglücksort kommen können. Bei umfassenderen Katastrophen mit länger andauernden Bergearbeiten können mehrere Teams einander ablösen, daher ist abzustimmen, welche Personen zuerst alarmiert werden sollen.

Die nächsten Schritte sind die Festlegung von Bergeprioritäten und die Verfassung von Anleitungen zur Rettung verschiedener Bestände. Bei der Erstellung eines Bergungsplans darf nicht vergessen werden, dass neben den vielleicht wertvollen Beständen auch administrative Unterlagen und Kataloge wichtig für die Fortführung einer Bibliothek oder eines Archivs sind. Sie geben unter anderem Aufschluss über Verluste und ermöglichen eine schnelle Rückkehr zum Tagesgeschäft nach dem Unglück. Wurden die Prioritätsstufen für die Bestandsbergung festgelegt, empfiehlt es sich, diese farblich in einem Lageplan einzuzeichnen und auch am Regal zu kennzeichnen.7 Sind die Bestände an verteilten Standorten in verschiedenen Gebäuden zu finden, ergänzt man diesen durch die Beilage eines Übersichtsplans mit Straßennamen, damit im Notfall z. B. bedrohte aber noch nicht beschädigte Bestände auch umgelagert werden können. Stehen keine Räumlichkeiten zur Auslagerung von Medien zur Verfügung, ist es sinnvoll, Kontakt zu Lagerhäusern und Speditionen aufzunehmen und Kapazitäten, Lagerbedingungen und Kosten für den eventuellen Notfall zu erfragen.

Oft sind die zu bergenden Bestände nass oder zumindest feucht, entweder aufgrund eines Wassereinbruchs oder vom Löschwasser zur Brandbekämpfung. Eine sorgsame Behandlung der Medien schon bei der Bergung erleichtert später den Restauratoren die Arbeit. Daher sollte in Absprache mit diesen eine Kurzanleitung zur Behandlung der verschiedenen Mediengruppen je nach Zustand erstellt werden. Kommen auch andere Medien, wie CD-ROMs, Filmmaterial, etc. oder alte Beschreibstoffe, wie Pergament, im Bestand vor, kann man sich Tipps vom Restaurator holen.

Besonders die nicht sachgerechte Behandlung von Medien bei der Bergung kann mehr Schäden anrichten als notwendig wären. Damit Bestände möglichst schonend gerettet werden können, muss vorab überlegt werden, wie diese im Schadensfall zu behandeln sind, und daraufhin entsprechendes Hilfsmaterial zusammengestellt werden. Für diesen Zweck werden Notfallboxen angelegt, die mit Geräten, Bergematerial und Schutzkleidung, sowie Verpackungs- und Dokumentationsmaterialien befüllt werden.8 Ein Verzeichnis wichtiger Institutionen, beginnend bei Krankenhäusern, über Energieversorgungsunternehmen, sowie Spediteure, Lagerhäuser und Restaurationswerkstätten, bis hin zu Hilfsorganisationen, die die Personen am Unglücksort unterstützen können, ergänzt den Inhalt. Da der Inhalt dieser Boxen Geld kostet und im Optimalfall nie gebraucht wird, könnte ein Zusammenschluss mit anderen Institutionen den finanziellen Aufwand verringern. So können kleinere Bibliotheken oder Archive gemeinsam kostspieligere Geräte wie Lampen, Heizlüfter und Kabeltrommeln oder auch Schutzhelme, Arbeitsanzüge, Abdeckplanen etc. anschaffen, und vor Ort nur ein kleines Sortiment von Hygiene-, Verpackungs- und Büromaterial einlagern.

Ein einmal erstellter Katastrophenplan ist nicht nur bei jeder Änderung (z. B. Umbau von Räumlichkeiten, größere räumliche Verlagerung von Medien, Zukauf wertvoller Bestände) anzupassen, sondern sollte auch ansonsten regelmäßig auf seine Aktualität überprüft werden (z. B. Kontaktdaten, Behandlungsverfahren). Gleichzeitig sollte auch der Inhalt der Notfallboxen auf Haltbarkeit und Brauchbarkeit hin durchgesehen werden (z. B. Funktionsfähigkeit von Geräten, Ladestand von Batterien, Zustand von Plastikfolien und Hygienematerialien).

Zu guter Letzt ist es notwendig, die Mitarbeiter und Partnerinstitutionen der Informationseinrichtung über den Katastrophenplan und die für sie vorgesehenen Aufgaben im Unglücksfall zu informieren und gegebenenfalls Schulungen durchzuführen. Optimal wäre die regelmäßige Durchführung von Katastrophenübungen unter Einbeziehung der Feuerwehr und gegebenenfalls anderen Institutionen.

Verhalten im Schadensfall

Vorneweg sollte festgehalten werden – egal wie wertvoll die bedrohten Bestände sind: die Sicherheit von Personen geht natürlich immer vor! Wenn also ein Alarm ausgelöst, gegebenenfalls das Gebäude geräumt und externe Hilfskräfte angefordert wurden, schätzt der Rettungskoordinator die Lage ein und startet bei Bedarf die interne Verständigungskette. Je nach Art und Ausmaß der Katastrophe muss abgeklärt werden, ob Bibliotheks- oder Archivmitarbeiter und andere Hilfskräfte mit der Bestandsicherung beginnen können, ohne von einstürzenden Regalen oder Gebäudeteilen bedroht zu werden. Bei Bränden, Überschwemmungen oder extremen Sturmschäden gibt normalerweise die Feuerwehr das Gebäude frei, bei Wasserrohrbrüchen oder ähnlichem ist mit Handwerkern und Hausmeistern abzuklären, wo die Räumung gefahrlos stattfinden kann. Dabei sollte nicht nur Rücksicht auf die Bergeprioritäten genommen sondern auch lageorientiert agiert werden. Die Verlagerung sehr wertvoller aber nicht direkt bedrohter Bestände macht z. B. wenig Sinn, wenn gleichzeitig andere Medien schwerer geschädigt werden.

Bereits vor Beginn bzw. gleichzeitig mit der Bergung von Medien hat die Dokumentation des Schadensfalls zu erfolgen. Fotos und Videos vom Unglücksort sind ebenso wichtig wie Mitschriften oder Tondokumentation mittels Diktiergeräten. Einerseits werden die Unterlagen später für die Versicherung benötigt, andererseits hilft eine genaue Auflistung darüber, welche Medien wo geborgen wurden später bei der schnelleren Erfassung des Schadens und ermöglicht auch die Zuordnung von schwer beschädigten Materialien. Besonders Hilfskräfte, die nicht mit der Einrichtung vertraut sind, können so festhalten, wo etwas gefunden wurde, damit Bibliotheks- oder Archivmitarbeiter die Bestände dann entsprechend der nötigen Behandlung für den Transport ordnen können. Auch Entscheidungen über das weitere Verfahren mit geborgenen Medien sollten sofort dokumentiert werden. Diese Unterlagen sind auch Ausgangspunkt für die spätere Evaluierung der bestehenden Notfallmaßnahmen und bringen wichtige Erkenntnisse für neue Pläne.

Bei der Bergung selbst sollte immer darauf geachtet werden, dass nicht zusätzlich Material beschädigt wird. Ein gleichmäßiges Ausräumen von Regalen auf beiden Seiten vermindert die Gefahr des Kippens, wobei immer bei den meistgeschädigten Einheiten begonnen werden sollte, und nach Möglichkeit die Reihenfolge der Medien im Regal zur späteren, leichteren Identifizierung beibehalten werden sollte.9 Ebenso empfiehlt sich die Abdeckung von noch nicht betroffenen Regalen mit Planen, sowie der getrennte Abtransport von schmutzigen, feuchten und trockenen Medien. So ist es z. B. wichtig, dass feuchte Bücher hochkant, mit dem Buchrücken nach unten in Kisten gepackt werden, wobei die Kiste immer möglichst gleichmäßig voll sein sollte, damit es nicht zu Verwerfungen kommt.10 Sollen Papierdokumente später z. B. gefriergetrocknet werden, müssen die einzelnen Einheiten in Plastikfolien eingewickelt werden, damit sie nicht zusammenkleben.11 Diese Maßnahme vermindert auch die Ausbreitung von Schimmelpilz und die zusätzliche Verschmutzung beim Abtransport. Bei Wasserschäden, die unter Kontrolle gebracht wurden, wird möglichst bald auf ausreichende, trockene Luftzirkulation geachtet werden, sofern die Rahmenbedingungen dabei nicht eine Schimmelverteilung begünstigen. Bei sehr warmer, feuchter Umgebung ist nach einiger Zeit der Einsatz von Ventilatoren daher nicht mehr zu empfehlen.12

Erholung

Bei fast allen Katastrophenfällen, die Medien in Mitleidenschaft ziehen, ist Wasser im Spiel. Bei Bränden wird das Löschwasser oft mehr Schaden anrichten als das Feuer selbst, allerdings können nasse Bestände leichter restauriert werden als verbrannte. Sind die Medien einmal geborgen, ist zu entscheiden, wie diese weiter zu behandeln sind. Um bei feuchtem Papier Schimmel zu vermeiden, ist schnelle Trocknung oder Einfrieren für spätere Behandlung empfehlenswert. Innerhalb der Institution kann entweder luftgetrocknet oder der Einsatz von Entfeuchtungsanlagen überlegt werden, bei größeren Mengen an wassergeschädigtem Material gibt es verschiedene Trocknungsmethoden bei spezialisierten Firmen oder Institutionen.13 Am häufigsten wird derzeit die Vakuumgefriertrocknung empfohlen, da moderne Papiere und Bücher damit relativ gut behandelt werden können. Die Vorteile der Vakuum-Gefriertrocknung liegen in der schnellen, aufwandsarmen Behandlung großer Materialmengen, ohne Nebenwirkungen konventioneller Lufttrocknung.14 Aber nicht alle Papierformen eignen sich gleich gut dafür, so müssen z. B. Fotos speziell behandelt werden.15 Generell ist es sinnvoll, nur geschultes Personal mit der Restaurierung von Medien zu betrauen.

Sind größere Mengen an Material beschädigt worden, wird dieses meist eingefroren und dann über die weitere Behandlung entschieden. Folgende Reihenfolge der Behandlung betroffener Medien wird von der US Federal Emergency Management Agency empfohlen:16 zuerst behandelt man wichtige Informationen zur Einrichtung (z. B. Personal- und Buchhaltungsunterlagen, Zugangslisten, Bestandslisten, Datenbanksicherungen), anschließend Leihgaben von anderen Instituten oder Personen, sowie Fernleiheexemplare. Danach Bestände, die dem Sammelauftrag der Institution entsprechen und solche, die einzigartig, vielgenutzt, wesentlich für die Recherche, repräsentativ für Sammelbereiche, schlecht ersetzbar oder sehr wertvoll sind. Medien, deren Zustand sich unbehandelt am ehesten verschlechtert, sind als nächstes zu bearbeiten, und schließlich kümmert man sich um Materialien, die leicht erfolgreich behandelt werden können. Materialien, die nicht gerettet werden können bzw. deren Restaurationskosten den eigentlichen Wert wesentlich übersteigen, können eventuell über andere Bibliotheken oder Archive wiederbeschafft werden, falls sie anderweitig nicht mehr erhältlich sind.

Die Website der geschädigten Einrichtung sollte im Zuge der Erholung vom Unglücksfall zur Kommunikation mit Benutzern und Interessenten genutzt werden, so sollte z. B. über voraussichtliche Schließzeiten, eingeschränkte Nutzung von Sammlungen oder Totalverluste informiert werden, und auch Auskunft darüber gegeben werden, wie mit ausgeliehenen Medien verfahren werden soll bzw. welche Rückgabemöglichkeiten es gibt. Bei größeren Katastrophen sind auch (Sach-)Spendenaufrufe auf der Homepage möglich, um interessierten Privatpersonen und Institutionen die Spenden-Kontonummer bzw. Kontaktdaten für die Abgabe von Medien zur Verfügung zu stellen. Um andere Organisationen auf den konkreten Bedarf aufmerksam zu machen, können z. B. auch Fehllisten publiziert werden.

Sofern keine gröberen Schäden am Gebäude entstanden sind, die es unbenutzbar machen, wird eine baldige Rückkehr zum Normalbetrieb angestrebt werden. Die Restauration bzw. der Wiederaufbau der Bestände wird parallel dazu verlaufen, ebenso wie die Klärung aller Versicherungsfragen. Je genauer im Schadensfall dokumentiert werden konnte, umso reibungsloser wird die Abwicklung sein, allerdings wird gerade bei Verlusten historischer Archive und Bibliotheken eine Versicherung nicht alle Schäden kompensieren können.

Wichtig sind in jedem Unglücksfall die anschließende Aufarbeitung und das Ziehen von Schlüssen aus den gemachten Erfahrungen. So sollten diese unbedingt in einen neuen Katastrophenplan einfließen, damit die Einrichtung selbst oder andere Institutionen daraus lernen und es gegebenenfalls besser machen können.

Zum Abschluss

Bestände von Informationseinrichtungen werden auch in Zukunft immer wieder durch Elementarschäden gefährdet sein, und selbst der detaillierteste Notfallplan wird keinen hundertprozentigen Schutz vor Verlusten darstellen. Dennoch kann eine durchdachte Notfallvorsorge einigen unangenehmen Zwischenfällen vorbeugen, und die Auseinandersetzung mit Möglichkeiten zur Schadensbehebung im Ernstfall den Stress vermindern und die Bergung effizienter machen.

Für mich ist der beste Katastrophenplan immer noch derjenige, der nie zum Einsatz kommen muss. Ich wünsche Ihnen daher, dass Sie die Notfallunterlagen für Ihre Informationseinrichtung nie im Ernstfall einsetzen müssen.


Autorin

Mag.(FH) Elisabeth Raicher

Bibliothekarin in Wien; berufsbegleitend Masterstudium Angewandtes Wissensmanagement, FH-Studiengänge Burgenland in Eisenstadt
elisabeth.raicher@aon.at

Diplomarbeit 2003 „Katastrophenplanung in Bibliotheken: Notfallvorsorge und Schadensbehebung in österreichischen Informationseinrichtungen“,
Download unter http://alo.uibk.ac.at/webinterface/library/ALO_PDF_V01?objid=13622


Anmerkungen

1. vgl. Klotz-Berendes, B. (2000). Notfallvorsorge in Bibliotheken (= dbi-materialien ; 194). Berlin: Ehemaliges Deutsches Bibliotheksinstitut, https://eldorado.tu-dortmund.de/bitstream/2003/5596/1/dbi194.pdf S. 12f: Hier werden folgende Repräsentanten vorgeschlagen: Benutzungsabteilung, Sicherheitsbeauftragter der Bibliothek, EDV-Abteilung, technische Abteilung (Hausmeister), Restaurator oder Medienfachmann, Feuerwehr, Mitglied der Leitungsebene mit finanziellem Entscheidungsrecht.

2. Zur Lage und Beschaffenheit von Informationseinrichtungen vgl. Deutsches Institut für Normung / Normenausschuss Bibliotheks- und Dokumentationswesen (NABD) (2006). Information und Dokumentation – Anforderungen an die Aufbewahrung von Archiv- und Bibliotheksgut (ISO 11799:2003). Berlin: Beuth Verlag, S. 6ff

3. vgl. NA Bibliotheks- und Dokumentationswesen unter Mitw. einer Expertengruppe des Deutschen Bibliotheksinstituts (DBI) (1998). Bau- und Nutzungsplanung von wissenschaftlichen Bibliotheken (= DIN-Fachbericht ; 13) (2. Aufl.). Berlin: Beuth Verlag, S. 45.

4. Nähere Information zu Feuermelde- und Löschsystemen gibt ebenfalls die ISO 11799:2003 (s.o.), S. 8f.

5. Eine umfangreiche Liste organisatorischer Vorsorgemaßnahmen enthalten die Anhänge 4 bis 6 von Landesarchiv Baden-Württemberg (2004/2007). Notfallvorsorge in Archiven. http://www.landesarchiv-bw.de/sixcms/media.php/25/Empfehlungen.pdf

6. Eine Zusammenstellung von Vorlagen für kurze Notfalldokumente findet man unter Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Landesstelle für Bestandserhaltung (2003). Materialien für die Notfall-Vorsorge: Schemata. http://www.slub-dresden.de/bestandserhaltung/notfall-vorsorge/ oder im Anhang meiner Diplomarbeit (siehe Angaben zur Autorin)

7. vgl. Ashman, J. (1995). Disaster planning for library and information services (= The Aslib Know How Series). London: Aslib, The Association for Information Management, S. 16.

8. Für den detaillierten Inhalt einer Notfallbox vgl. Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Landesstelle für Bestandserhaltung (2003). Notfallboxen (für sächsische Bibliotheken) (= Schema 4 ; Handreichung Notfall). http://www.slub-dresden.de/fileadmin/groups/homepage/Dateien/notfallbox.pdf oder Glauert, M. Notfallvorsorge in Archiven. Vorsorgen – Planen – Handeln. http://www.landeshauptarchiv-brandenburg.de/netCmsFrames.aspx?PageID=429&NavIndex= (Abschnitt B)

9. vgl. Klotz-Berendes (s.o.), S. 57f, der empfiehlt, bei Überschwemmungen die Bücher von unten nach oben, von rechts nach links aus dem Regal zu räumen, damit die Reihenfolge der Signaturen gewahrt bleibt.

10. vgl. Klotz-Berendes (s.o.), S. 74, graphische Packungsanleitung

11. vgl. Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Notfallmaßnahmen bei Wasserschäden. http://www.lwl.org/LWL/Kultur/Archivamt/Dienstleistungen/Notfaelle/Wasserschaeden/index2_html zur Behandlung und Verpackung von wassergeschädigten Materialien

12. vgl. Strebel, M. (1995). Konservierung und Bestandeserhaltung von Schriftgut und Grafik: Ein Leitfaden für Archive, Bibliotheken, Museen, Sammlungen. Urdorf: Haller. S. 44: „bei warmem und feuchtem Wetter muss bei wassergeschädigtem Schriftgut innerhalb von 48 Stunden mit der Bildung von Schimmel gerechnet werden“

13. vgl. Kaplan, H.A. & Ludwig, K.A. (2005). Comparison of Drying Methods. In: Wellheiser, J.G. & Gwinn, N.E. (2005). Preparing for the Worst, Planning for the Best : Protecting our Cultural Heritage from Disaster (= IFLA Publications 111). S. 149ff.

14. Zur Eignung von Materialien zur Vakuumgefriergetrocknung vgl. Geller, B. (2008). Die Trocknung wassergeschädigten Schriftguts. Archivpflege in Westfalen-Lippe 68/2008, http://www.lwl.org/waa-download/archivpflege/heft68/Heft_68_2008.pdf S. 20.

15. vgl. von Waldthausen, C.C. (2005). Recovery of a Water-Soaked Photographic Collection in the Netherlands. In: Wellheiser, J.G. & Gwinn, N.E. (2005). Preparing for the Worst, Planning for the Best : Protecting our Cultural Heritage from Disaster (= IFLA Publications 111). S. 163ff.

16. vgl.Federal Emergency Management Agency (1997). Emergency Response Action Steps. http://www.fema.gov/plan/ehp/response.shtm