Service im Wandel
27. Arbeits- und Fortbildungstagung der ASpB e.V. in Dresden
Einleitung
Von Ninive zum WWW: Es war ein langer Weg von der Tontafelbibliothek des Assurbanipals bis zum World Wide Web. Heute sind die Bibliotheken die Tore zur Informationswelt, die erleben, wie Computer und Digitalsysteme das globale Netz in ein immer feinmaschigeres Gewebe verwandeln, über das hochkomplexe, multimediale Informationsströme von einem Ende der Welt zum anderen fließen. Die rund 1.000 Bibliotheken der Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken (ASpB) e.V./Sektion 5 im Deutschen Bibliotheksverband e.V. gehören zu den mit moderner Informationstechnologie ausgestatteten Institutionen im deutschen Bibliothekswesen. Nach anfänglicher Skepsis sind die Bibliotheken inzwischen hyperaktiv bei der Nutzung der Möglichkeiten des World Wide Web für ihre Informations- und Dienstleistungen.
Die Tagung: Titel, Teilnehmer, Themen
Die 27. Arbeits- und Fortbildungstagung der ASpB fand in diesem Jahr in Dresden statt. Vom 22. bis 27. Februar 1999 versammelten sich in der winterlichen sächsischen Landeshauptstadt rund 300 Spezialbibliothekarinnen und -bibliothekare und Vertreter einschlägiger Firmen zu Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen aktueller Themen wie Sicherung der Bücher auch durch Digitalisierung, Elektronische Bibliothek und Managementfragen. Preconference-Seminare der letzten Tagung (1997) wurden wegen des großen Interesses fortgesetzt (Englisch für Spezialbibliotheken, Behandlung elektronischer Zeitschriften), Fortbildungstreffen (Fachreferenten der Naturwissenschaften) und zahlreiche Fachbesichtigungen in Dresden angeboten. Firmenreferate und Firmenpräsentationen waren neu in das Programm aufgenommen worden.
Vom Grußwort bis zum Schlußwort
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken e.V., Christoph-Hubert Schütte (Karlsruhe), begrüßte die Teilnehmer und wies mit Stolz darauf hin, daß es wieder gelungen sei, ein umfangreiches Programm anzubieten. Er freue sich, so Schütte weiter, wie engagiert sich auch auf dieser Jahrestagung die ausstellenden Firmen zeigten. Ausdrücklich hieß er dann die Mitglieder der Gesellschaft für Bibliothekswesen und Dokumentation des Landbaus (GBDL) willkommen, die sich der Fachtagung der ASpB angeschlossen hatten.
Die Grußwortredner der Eröffnungsveranstaltung kamen aus dem Freistaat Sachsen, der Stadt Dresden, Vertreter aus Universität, Wirtschaft, den bibliothekarischen Verbänden und der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und -praxis. Der Festredner, Prof. Dr. h.c. Werner Schmidt, hatte in diesem Jahr das Thema "Die Messung des Erdreichs, Wasser und der Stern durch das Gemäl (Albrecht Dürer). Geographie und Bildende Kunst" gewählt. Sein brillanter kunsthistorischer Exkurs in das Mittelalter fand große Beachtung.
Drei wesentliche Themen wurden auf der Tagung behandelt: "Bestandssicherung", "Die Elektronische Bibliothek", "Veränderungsmanagement".
Bei der "Bestandssicherung" beschäftigte sich Prof. Dr. H. Weber, Stuttgart, u.a. mit den Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung als Bestandserhaltungsmaßnahme ("Im Internet - aber nicht in Sicherheit") und Ulla Usemann-Keller, Berlin, mit den Notwendigkeiten, Möglichkeiten der Erhaltung gedruckter Bibliotheksmaterialien.
Über das Internet kann Bibliotheks- und Archivgut unabhängig vom Verwahrort und von Öffnungszeiten komfortabel angeboten werden, doch sind mit der Digitalisierung von Büchern und Archivalien im World Wide Web oder in lokalen Netzen weitere Aspekte der Bestandserhaltung verbunden. Sie liegen vor allem in der nicht gesicherten dauernden Stabilisierung, weil gerade High-Tech-Systeme schnell veralten und Standards von technischen Fortschritten überholt werden. Bei der Bestandssicherung gedruckter Bibliotheksmaterialien tragen die Bibliothekare die Verantwortung für derzeit etwa 310 Millionen Bände. Nicht jeder Band kann dabei erhalten werden, er muß aber "gesichert" werden. Daraus ergibt sich die zwingende Notwendigkeit einer Erarbeitung abgestimmter Konzepte durch die Bibliothekare.
Der zweite Themenkreis setzte sich mit der "Elektronischen Bibliothek" auseinander. So gab u.a. Arnoud de Kemp, Berlin, zu dieser Thematik einen Erfahrungsbericht über elektronische Bibliotheken aus dem Springer-Verlag ("Real oder virtuell?") und Hans-Joachim Wätjen, Oldenburg, hielt ein Referat zur "Realität virtueller Bibliotheken".
Das elektronische Publizieren wird die Welt des Publizierens und die Verteilung von Fachinformationen grundsätzlich verändern. Ein Überblick über die wichtigsten Veränderungen und eine Analyse der Konsequenzen zeigt, daß wir erst am Anfang eines Umbruchs stehen und noch niemand weiß, wohin digitale Bibliotheken und virtuelle Netze sich entwickeln.
Die Bibliotheken sind inzwischen dabei, die Möglichkeiten des World Wide Web für ihr Informations- und Dienstleistungsangebot zu nutzen. Neben den realen Bibliotheken entstehen elektronische, digitale oder virtuelle Bibliotheken, die eine unvollständiger als die andere und häufig noch nach den Regeln des Papierzeitalters aufbereitet und erschlossen. Das einfache Anklicken kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Benutzung der Bibliotheken oft durch technische und rechtliche Barrieren, aber häufig auch durch die unausgesprochene Konkurrenz der Bibliotheken, ihrer Sparten und Verbünde erschwert wird. Guter Wille, Technologie und Informationsressourcen können allein eine effektive virtuelle Bibliothek nicht begründen, es gehören konkrete Visionen, Ziele und pragmatische Umsetzungsstrategien sowohl auf lokaler als auch auf nationaler Ebene dazu.
Bei den Themen des "Veränderungsmanagements" spielten zum Beispiel veränderte Führungsstrategien und Qualifikationen (Claudia Lux, Berlin, "Den Wandel gestalten") und veränderte Anforderungen und Leistungsangebote aller Dienstleistungen einer Bibliothek (Wolfram Neubauer, "Der Kunde ist König") eine wichtige Rolle.
Die notwendigen Qualifikationen für eine veränderte Führungsstrategie geht über das Fachlich-Technische hinaus. Oft bleibt sie aber auf der Strecke, weil die tägliche Praxis durch Sparmaßnahmen beeinflußt wird. Bestehende Hierarchien werden selten verändert, Verantwortungen nicht konsequent übertragen. Die höheren Anforderungen an alle Dienstleistungen, die in der modernen Dienstleistungsgesellschaft erbracht werden, verlangen, das Dienstleistungsangebot einer Bibliothek kontinuierlich zu überprüfen. Es muß dem jeweiligen Benutzungsbedürfnis, dem Marktangebot und den vorhandenen Ressourcen angepaßt werden. Dies verlangt, daß jede Bibliothek einen konkreten und möglichst klaren Dienstleistungsauftrag formuliert und die abgeleiteten Schwerpunkte für die bibliothekarische Arbeit abstimmt.
Weitere informative Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen wurden zu den drei Schwerpunktthemen angeboten, über die hier nur in Auswahl berichtet werden konnte. Ein Tagungsband wird im Sommer 1999 erscheinen und kann über die ASpB-Geschäftsstelle, UB Karlsruhe, Postfach 6920, 76049 Karlsruhe oder per E-Mail: eckl@ubka.uni-karlsruhe.de zum Preis von DM 105,00 (Mitgliedspreis 70,00 DM) erworben werden.
Die Gesellschaft für Bibliothekswesen und Dokumentation des Landbaus (GBDL), die sich der Tagung der ASpB angeschlossen hatte, war mit einem eigenen Fachprogramm vertreten.
Die Mitgliederversammlung
In diesem Jahr ist der Beirat der Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken e.V. neu gewählt worden. Die Mitgliederversammlung hat folgenden Personenkreis für die nächsten vier Jahre berufen:
Ein Ort für die ASpB-Jahrestagung 2001 steht noch nicht fest. Um Vorschläge für einen Tagungsort wird gebeten. Die Geschäftsführerin der ASpB, Lieselotte Eckl (UB Karlsruhe), teilte mit, daß die Arbeitsgemeinschaft Mitte Februar 1999 675 Mitglieder hatte, davon 111 persönliche und 564 institutionelle Mitgliedschaften. Hinzu kommen 325 Mitglieder der Sektion 5 des Deutschen Bibliotheksverbandes, von denen 88 auch Mitglied in der ASpB sind.
Christoph-Hubert Schütte beendete mit einem Schlußwort eine für alle Seiten erfolg- und ergebnisreiche fünftägige Arbeits- und Fortbildungstagung mit einer Einladung für die nächste Mitgliederversammlung auf dem Bibliothekskongreß 2000 in Leipzig. Im nächsten Jahr wird ein neuer Vorstand zu wählen sein.
Der "Clou" am Ende der Woche
Mit einem Überraschungseffekt schließlich verabschiedete Christoph-Hubert Schütte die Tagungsteilnehmer. Er verlas eine aktuelle Pressemitteilung, die ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes (BGH) Karlsruhe über den Kopienversand von Bibliotheken meldete. Danach verstoßen Bibliotheken nicht gegen das Urhebergesetz, wenn sie auf Einzelbestellungen gegen Bezahlung Kopien von Zeitschriftenartikeln versenden. Mit diesem Grundsatzurteil hatte der BGH noch kurz vor Ende der Tagung eine Klage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels gegen die Technische Informationsbibliothek Hannover (TIB) in dritter Instanz zurückgewiesen. Der freie Zugang zu Informationen habe Vorrang vor dem Schutz der Urheberrechte, urteilten die Richter.
Da das Internet einem Massenpublikum Zugriff auf Zeitschriftenbeiträge biete, hieß es weiter in der Eilmeldung, bleibe es der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort jedoch überlassen, "eine angemessene Vergütung" für den Kopienversand per Post oder Fax zu erheben. Das Urteil löste stürmischen Beifall aus.
Im Anschluß an das offizielle Programm fanden noch Veranstaltungen im Rahmenprogramm statt: Besuch und Führung in der Semperoper, Besichtigungen Dresdner Sehenswürdigkeiten, Stadtrundfahrt und eine Exkursion nach Meißen.
Kongreßstadt Dresden
Dresden stellte sich als idealer Tagungsort vor. Die Stadt, von der Erich Kästner als Gleichklang von Geschichte, Kunst und Natur sprach, bot kurze Wege zu den Versammlungsorten, ein neues Tagungsgebäude der Technischen Universität, mit allem technischen Komfort für eine Tagung, eine bibliotheks- und medienfreundliche Stadt und ein freundliches, professionell arbeitendes Ortskomitee. Alles zusammen trug zu einem guten Gelingen dieser Tagung bei. Und als Kulturstadt bot Dresden alle Eigenschaften eines vorzüglich ausgewählten Rahmenprogramms.
Rolf M. Hasse
(Der Autor ist Pressereferent der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände.)
Ziele und Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken e.V.
Der Verein hat den Zweck, die Zusammenarbeit zwischen den Spezialbibliotheken sowie den Austausch von Berufserfahrungen zu fördern und zur Vertiefung von Fachkenntnissen beizutragen. Zur Erreichung dieses Zweckes werden bibliothekarische und dokumentarische Vorhaben angeregt und/oder durchgeführt sowie Arbeitstagungen und sonstige Fachveranstaltungen abgehalten. Eine Zusammenarbeit mit nahestehenden anderen Vereinen und Verbänden wird angestrebt. Die ASpB nimmt einen Sitz des Deutschen Bibliotheksverbandes in der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände e.V. (BDB) ein und kann somit dort die Interessen der Spezialbibliotheken vertreten.
Mitglieder der ASpB können werden: Bibliotheken, Dokumentationsstellen, Institute, Firmen oder andere juristische sowie natürliche Personen. Ein Mitgliedsbeitrag wird nicht erhoben, jedoch sind die Mitglieder zum Bezug des alle zwei Jahre erscheinenden Tagungsberichts verpflichtet.
Informationen, Anmeldungen und Bezug von Tagungsberichten bei:
ASpB-Geschäftsstelle
Universität Karlsruhe
Postfach 6920, 76049 Karlsruhe
Tel.: 0721 / 608-3128; Fax: 0721 / 608-4886;
E-Mail:
eckl@ubka.uni-karlsruhe.de