Editorial

Quo vadis deutsche Sprache?

Das Sommerloch und die neue Ausgabe des Duden (siehe S. 479 in diesem Heft) haben uns wieder alle Probleme der deutschen Rechtschreibung, ja der deutschen Sprache, vor Augen geführt. Die einen wehren sich vehement gegen eine bedrohliche Überfremdung des Deutschen durch ausländische Einflüsse, die anderen weisen auf die Befruchtung des Eigenen durch das Fremde hin. Die einen bezeichnen diese Einflüsse aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum mit dem abwertenden Kunstwort "Denglisch", die anderen geben sich modern oder moderat und bezeichnen solche Einflüsse als "Neudeutsch".

Wohin geht nun unsere Sprache, ins Denglisch, wonach richtet sich unsere Schreibe, nach dem Duden? Keiner weiß es genau, bei dieser Vielfalt der Meinungen. Viele jedoch vergessen, dass unsere Sprache schon immer durch Zuflüsse und Anleihen von Außen beeinflusst und bereichert wurde, wobei manch überflüssiger Import- oder Modebegriff aus unserem Wortschatz auch wieder verschwunden ist!

Das sieht wohl auch die Duden-Redaktion so und öffnet deshalb manchem Modewort seine Seiten, wie z.B. für Altersteilzeit, Festnetz, Gutmensch, Rechtspopulismus, Schwarzkonto oder Zweitmeinung, sowie den Fremdwörtern wie Boygroup, chatten, downloaden, Girlie, Log-in oder Website. Da glaubt man kaum, einen Hort der deutschen Sprache in der Hand zu haben, sondern eher ein Modelexikon oder Fremdwörterbuch. Es zeigt sich also eindeutig durch diese Dudenfähigkeit, dass die Grenzen fließend geworden sind (oder schon immer waren) zwischen Jargon, Gegenwarts- und Hochsprache einerseits, wie zwischen den alten und neuen Rechtschreibregeln andererseits und unterschiedlichen Schreibungen ebenso.

Es wird also eine Zeit des Übergangs bei den Schreibungen und Regeln geben ebenso wie neue Wortschöpfungen auftauchen und vergehen werden. So war es schon immer, auch nach der Einführung der amtlichen Regeln 1901/02, so wird es auch jetzt über Jahre hinweg ein (mehr oder weniger) friedliches Nebeneinander von Regeln und Schreibungen geben. Dem wird auch die schreibende Presse Rechnung tragen, jede einzelne für sich, die einen radikal, indem sie sich zur alten Schreibung (wieder) bekennen, die andern ebenso radikal, dass sie sich generell an die neue amtliche Version halten. Beide haben recht und dürfen dies so tun ­ bis zum Jahr 2005, solange die Übergangsfrist dauert. Dann heißt es Farbe bekennen, sich den neuen Regeln und dem Druck der herangewachsenen Generation zu beugen; insofern gibt es keine Frage mehr: Quo vadis?

Die Frage Quo vadis stellt sich inzwischen auch für unsere Zeitschrift nicht mehr, nachdem wir mit diesem vorliegenden vierten Jahresheft bereits den dritten Jahrgang beenden, so dass sie in Fachkreisen etabliert und bei den wichtigsten Fachveranstaltungen wie Buchmessen, Bibliothekartagen und -kongressen präsent ist. Besonders freut uns, dass auch die Zugriffe auf unsere Internet-Volltextausgabe immer häufiger werden, so dass sich auch dieses Medium nach kurzer Zeit etabliert hat und immer beliebter wird. Allerdings kann es nicht im Interesse eines auch wirtschaftlich ausgerichteten Verlages sein, dass dies auf Kosten der Druckausgabe geschieht, nämlich dass man die Texte im Internet kostenfrei erhalten kann, dann aber auf den Erwerb der Druckausgabe verzichtet. Deshalb haben wir uns jetzt dazu entscheiden müssen, den Internet-Zugriff auf die Bereiche aktuelle Ausgabe, nächste Ausgabe, Jahresarchiv, Suchen und Sonderpublikationen kostenfrei nur denjenigen zu gestatten, die auch die Druckausgabe abonniert haben. Es wird daher in Zukunft der Zugriff auf diese Bereiche der Homepage durch ein Passwort geschützt werden. (Näheres dazu findet sich auf der nächsten Seite). Die komplette Nutzung der Internet-Ausgabe ist im Abonnementpreis enthalten. Frei zugänglich werden allerdings weiterhin alle Informationen über den Inhalt der Zeitschrift wie Inhaltsverzeichnisse, Abstracts, Impressum, Stellenanzeigen, News-Ticker, Mediadaten, u.ä. bleiben.

Ein Schwerpunkt dieses Heftes stellt der Österreichische Bibliothekartag dar. Der heute gängigen Metapher "Wir ertrinken in Informationen, aber hungern nach Wissen" wollte der Bibliothekartag durch sein Motto "Produktionsfaktor Wissen" Rechnung tragen und in Vorträgen und Diskussionen aufzeigen, dass der Engpass weniger im Zugang zu Daten, Fakten und Texten liegt als vielmehr in deren Bewertung, Auswertung und Verwertung. Gerne bringen wir deshalb den Festvortrag von Prof. Dr. Wolf Rauch im Wortlaut. Die Präsidentin der VÖB, Hofrätin Dr. Sigrid Reinitzer, versucht ein Fazit zu ziehen, und für die Daheimgebliebenen drucken wir im Anschluss daran die von B.I.T.online herausgegebenen Kongress News ab. ­ Das international beachtete DFG-Projekt Dissertationen Online fand Ende Oktober in Berlin mit einem Seminar seinen Abschluss, so dass wir auch in diesem Heft den vierten und abschließenden Berichtsteil von Prof. Dr. Peter Diepold veröffentlichen können. Ein wichtiges Thema in der heutigen Zeit ist das der Imagebildung und Imagepflege in Bibliotheken, über das Dr. Rafael Ball referiert. Eine Reihe von Beiträgen beschäftigt sich mit Problemen von elektronischen Zeitschriften und ihrem Zugang. In die Zukunft gerichtet ist der Beitrag von Clemens Deider über das Internet der Zukunft. Natürlich berichten wir wie bisher auch weiterhin über Neues auf dem eBook-Sektor. Neu ist auch eine Rubrik von Ruth Wüst, in der sie uns ständig über Neuigkeiten aus der Schweiz berichten wird. Interessante Reportagen und Rezensionen runden das Bild ab, das für Sie, liebe Leserin und lieber Leser, hoffentlich wieder ein interessantes wird. Das hofft ebenso

Ihr Dr. Rolf Fuhlrott
Chefredakteur