EU Grundrechtscharta mangelhaft
Die Deutsche Literaturkonferenz bemängelt den Entwurf für eine EU-Grundrechtscharta. Das in deren Präambel völlig zurecht an erster Stelle genannte gemeinsame kulturelle Fundament der europäischen Völkergemeinschaft erfordert aus Sicht der Deutschen Literaturkonferenz unbedingt eine stärkere Berücksichtigung und präzisere Behandlung im Text der Charta. Insbesondere geht es dabei um die Konkretisierung folgender Grundrechte.
- Die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit werden zwar in Art. 11 gewährleistet, es fehlt jedoch die dringend gebotene Klarstellung, dass Literatur und Kunst keinerlei Form von ideologischer, politischer oder religiöser Zensur unterliegen dürfen.
Völlig unberücksichtigt ist überdies, dass zum Grundrecht der Informationsfreiheit zwingend der ungehinderte Zugang zu den Informationsquellen gehört, wie ihn insbesondere öffentliche Bibliotheken und Dokumentationsstellen gewährleisten.
- Gänzlich unbefriedigend geregelt ist in Art. 17 Abs. 2 der Schutz des geistigen Eigentums, der sich hier ausschließlich auf dessen materielle Seite bezieht und den essentiellen persönlichkeitsrechtlichen Aspekt ignoriert.
Die aufgeführten Mängel sind um so unverständlicher, als sie einen Rückfall hinter bereits anerkannte Positionen darstellen.
- Schon im "Public Library Manifesto 1994" der UNESCO ist festgehalten, dass "der freie und unbeschränkte Zugriff auf Wissen, Denken, Kultur und Information", wie ihn insbesondere öffentliche Bibliotheken bieten, Voraussetzung für "konstruktive Teilnahme an der Demokratie und ihrer Entwicklung" ist.
- Bereits in der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" der UN von 1948 wird in Art. 27 Abs. 2 "das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen" der Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst garantiert. Es erstaunt, dass die Europäische Union über 50 Jahre später hinter diesem weltweit akzeptierten Menschenrecht zurückbleiben will.
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