Editorial

Lesen mit und ohne eBook

Lesen ist eine Tätigkeit, die heute immer mehr Menschen immer weniger beschäftigt - sagt man. Das stimmt natürlich insofern, als von der exponentiell wachsenden Anzahl der Publikationen, ein immer geringer werdender Prozentsatz gelesen wird, bzw. gelesen werden kann, weil diese Menge selbst die Lesewilligsten überfordert.

Aber Lesen hat schon immer mit Auswählen, dem Auslesen zu tun. Dieses Wort kommt aus dem Agrarbereich (Ähren lesen, Erbsen auslesen, Weinlese) und bedeutet somit: aufheben, Felder ablesen, sammeln oder auslesen. So ist jede Art des Lesens ein Auswählen. Wir wählen aus (zum Lesen), was wir gerade brauchen: Bestätigung oder Fragen, Trost oder Ansporn u.a.

Wie dieses auswählende Lesen nun am besten technisch vor sich geht, ist eine offene Frage: entweder direkt durch Transport des Geschriebenen oder Gedruckten über die Augen in den Kopf, oder erst durch Umwandlung in andere (elektronische) Formen über technische Hilfsmittel. Eines dieser technischen und neuen Hilfsmittel heute ist das eBook, ein Gerät, das mit einer Großzahl digitalisierter Texte beladen werden kann, die dann an jedem beliebigen Ort über ein Display gelesen werden können.

In den USA hat diese Technologie schon eine gewisse Verbreitung gefunden, bei uns in Europa aber bisher nur langsam Fuß fassen können, manche sagen, dass sie bisher noch gar nicht angekommen ist? Aber über lang oder kurz wird es auch hier, wie bei den meisten neuen elektronischen "Spielzeugen" (Discs, CD-ROMs, DVDs oder Digitalkameras), sicher einen Boom auslösen, wenn, wie bei den anderen Geräten, diese besser, handlicher und billiger werden. Dazu ist natürlich eine steigende Akzeptanz bei den Nutzern erforderlich, die sicher von Bibliotheken als Vorreiter einer solchen neuen Technik gesteigert werden kann. Warum also nicht eBooks in Bibliotheken?

In dieser Zeitschrift haben wir wiederholt versucht, Anregungen dazu zu geben; meist jedoch ohne Reaktion. Im Editorial unseres letzten Heftes befürchteten wir bereits, dass solche eBooks im "Sommerloch" verschwunden sein könnten - wir wurden jedoch eines anderen belehrt. Stimmen regten sich und sagten, dass auch bei uns, wenn auch zaghaft, eine Ausbreitung sich zeigt, langsam auch in Bibliotheken, so dass wir dies zum Anlass eines Schwerpunktthemas eBooks in Bibliotheken für dieses Heft gemacht haben, auch um zu hinterfragen, ob nicht Bibliotheken hier eine Hilfestellung geben können oder sogar sollten.

Hier den ersten Schritt getan zu haben, nimmt die Stadtbücherei Biberach an der Riss für sich in Anspruch. Dort wurde bereits Anfang vorigen Jahres ein Projekt mit der Ausleihe von eBooks gestartet, das erfreulich von der Bevölkerung aufgenommen wurde. Simone Hampp berichtet uns hier über die dortigen Erfahrungen.

In einem größeren Rahmen wurde Anfang diesen Jahres ein eBook-Projekt an der Stadtbibliothek Duisburg durchgeführt, das uns von Dirk Heyermann und Uwe Holler dargestellt wird.

Neben diesen Versuchen in Öffentlichen Bibliotheken hat als erste Wissenschaftliche Bibliothek die Stadt- und Universitätsbibliothek Köln die Probe aufs Exempel gemacht, allerdings, wie uns Dr. Rolf Thiele berichtet, nicht mit dem durchschlagenden Erfolg, vor allem wohl, weil das Angebot an wissenschaftlicher Literatur in elektronischer Form noch nicht groß genug ist.

Den Blick über die deutschen Grenzen gestattet uns Helmut Hartmann, der uns über die Lage in österreichischen Bibliotheken unterrichtet.

Der Frage, welche Chancen man den eBooks bei uns einräumen kann, geht Dr. Horst Neißer nach, und zwar bei den eBook-Lesegeräten wie auch bei der eBook-Software, den digitalisierten Texten und Büchern.

Jedenfalls ist ein Anfang auch bei den Bibliotheken gemacht und wir sind überzeugt, dass diese neue Technologie auch bei ihnen weitere Verbreitung finden wird.

Aber eBooks sind nicht das einzige Thema, mit dem wir uns in diesem Heft beschäftigen wollen. Denn der Umgang mit dem gewöhnlichen Buch gehört nach wie vor zu den wichtigsten Aufgaben der Bibliotheken, was nicht früh genug eingeübt werden kann. Systematisch sammelt man Erfahrungen in Österreich im Umgang von Schülern mit Bibliotheken, worüber uns Dr. Roswitha Karpf aus Graz informiert. - Wie ein Katalog auf weltweite Wanderschaft geht zeigt Uwe Dierolf am Beispiel des Karlsruher KV, der jetzt online in die USA nach Salt Lake City geht zu einer engen Kooperation mit dem Utah Catalog. - Über die Einführung von LIBERO in Sachsen berichtet ausführlich Jürgen Grothe und über ein Wiener Beispiel Rüdiger Maier.

Umfangreich sind nach dem Herbst immer die Reportagen über Reisen und Veranstaltungen. Hochinteressant wird für unsere LeserInnen ein Einblick in das chinesische Bibliothekswesen und insbesondere die Shanghai Library sein, den uns Dr. Rafael Ball von seiner Reise dorthin mitgebracht hat. Desweiteren berichten Dr. Wolfgang Dittrich vom diesjährigen österreichischen Bibliothekartag in Klagenfurt und Dr. Christian Keitel vom Archivtag in Trier.

Es ist also wieder, neben weiteren Kurznachrichten und Rezensionen, ein bunter Strauß von interessanten Informationen, der nun darauf wartet, von Ihnen liebe Leserin und Leser, im Sinne unserer Eingangszeilen, auf- oder ausgelesen zu werden. In diesem Sinne

Ihr Dr. Rolf Fuhlrott
Chefredakteur