Editorial
Sicherheitsfragen??

In der letzten Ausgabe hatten wir, nach gelegentlichen Vorberichten, als Schwerpunktthema die Radiofrequenz-Identifikation, kurz RFID, gewählt und an Hand von Beispielen gezeigt, wie diese Technologie in Bibliotheken eingesetzt werden kann, welche Vorteile sich anbieten und wie verbreitet diese Technologie auch schon in Bibliotheken ist.

Die Reaktion darauf war überaus positiv, wohl auch, weil der RFID-Einsatz im täglichen Leben in der Gesellschaft schon weit bekannt und auch akzeptiert ist. Man denke an die Zugangskontrolle von Gebäuden oder in Skigebieten, den Autoschlüssel und die Wegfahrsperre, die Herstellung fälschungssicherer Markentextilien und nicht zuletzt, aktuell, an den Einsatz von Transpondern bei der Tour de France.

Aber es gibt auch kritische Stimmen zum RFID-Einsatz, besonders in Bezug auf den Datenschutz. Hier beobachtet besonders der "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD) Firmen, öffentliche Verwaltungen und sonstige Institutionen, deren Umgang mit Personendaten als besonders fragwürdig gilt und verleiht für solche Gefahren der Privatsphäre den "Big Brother Award".

Die Bundesregierung dagegen erklärt auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, dass im Bereich der elektronischen Etiketten "ein ergänzender datenschutzrechtlicher Regelungsbedarf nicht erkennbar sei". Anders sieht das der Bundesdatenschutzbeauftragte, der dringend eine Sachverständigenkommission zu diesem Thema fordert. Die Meinungen über die Sicherheitsfragen dieser an sich begrüßenswerten Technologie sind also im praktischen Leben ziemlich konträr - und werden es im Bibliothekswesen auch nicht anders sein. Deshalb wollen wir mit unserer Zeitschrift gerne eine Plattform bieten, diese Meinungen darzulegen und bitten unsere Leserinnen und Leser, diese auch hier kundzutun.

Als erstem bieten wir in dieser Ausgabe Christian Kern von Bibliotheca Library Systems die Möglichkeit, aus seiner Sicht die Bedenken zu zerstreuen. Dass die Frage der Datensicherheit und des Datenschutzes in der gesamten IT-Branche seit langem ein Thema ist, zeigt die jüngste und dritte Tagung von OMNISecure in Berlin, über die Clemens Deider berichtet, auch als Thema für Bibliotheken. Wer weiß schon, dass nur 4-5% der Sicherheitsrisiken auf Hacker zurückzuführen sind, die z.B. Tastaturanschläge an PCs überwachen können, um dann Kennungen und Passwörter zu knacken, der größte Teil der Sicherheitsrisiken aber beim Personal liegt durch Nachlässigkeit, Verärgerung oder Unehrlichkeit. Wer weiß schon, dass es z.B. möglich ist, vermeintlich vernichtete Daten aus von Hand zerrissenen oder geschredderten Papierschnipseln mit Hilfe eines speziellen Softwareprogramms wieder zu Originalen zusammenzuführen?

Also alles Sicherheitsfragen, mit denen sich auch Bibliotheken und wir als Bibliothekszeitschrift in Zukunft verstärkt beschäftigen wollen und müssen, durch stärkeren Informationsaustausch von Institutionen, vielleicht durch noch stärkeres Zusammenrücken, so wie es Vera Münch in ihrem Bericht von der comInfo, der Jahrestagung der DGI und Fachmesse für Vernetzung, Kooperation und Partnersuche, fordert: "Man kann Informations- und Bibliothekswesen nicht mehr trennen", was bereits beim 2. Leipziger Kongress im März zum großen Zusammenschluss führte - die DGI und der BDB riefen den gemeinsamen Dachverband BID "Bibliothek & Information Deutschland" ins Leben. Dies wurde jetzt auf der comInfo auch den DGI-Mitgliedern mitgeteilt.

Wie all diese Fragen auf die Zukunft gerichtet sind, so sind es auch diesmal unsere Fachbeiträge. Ute Krauß-Leichert berichtet über ein Forschungsprojekt der Hamburger HAW, in dem mittels E-Learning Bibliotheken als Partner des lebenslangen Lernens herausgestellt werden. Hermann Rösch versucht, mit Rückblick auf die Entstehung spezieller Fachbegriffe zum Auffinden und Bereitstellen digitaler Informationen, einen typologischen Überblick über die Spezifika von Linklisten, Gateways und virtuellen Fachbibliotheken zu geben und Definitionen für die Zukunft vorzuschlagen. Auch Simon Hölzer versucht sich an einem Wegweiser durch den Dschungel elektronischer Information.

In die Praxis der Zukunft führt uns Harald Jele von der Universitätsbibliothek Klagenfurt, der uns als Ergebnis einer hauseigenen Studie zeigt, dass beim Laden von Titeldateien in Online-Kataloge die üblichen Methoden der Dublettenerkennung durch statistische Abschätzungen ersetzt werden können und so das Produzieren von Titel-Dubletten auf relativ einfache Art vermieden werden kann.

Weitere Neuigkeiten aus der Praxis, Kurznotizen aus der Digitalen Welt sowie Besprechungen von neu erschienenen Werken runden in gewohnter Weise das Bild dieser Ausgabe ab und finden hoffentlich wieder Ihr Interesse, liebe Leserinnen und Leser,

Ihr Dr. Rolf Fuhlrott
Chefredakteur