Virtuelle Fachbibliotheken, Portale und Co.

Ein Kolloquium und Seminar an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

von Claudia Oktar und Christine Ottenbreit

Im Rahmen des 8. Kolloquiums des Bibliotheks- und Informationsmanagements befassten sich Studierende und Berufspraktiker in diesem Jahr abermals mit neuen Serviceleistungen in der Bibliotheksarbeit. Als Schnittstelle zwischen Ausbildung, Forschung und Praxis konzipiert, werden hier regelmäßig aktuelle Themen aus dem Bibliotheksgeschehen präsentiert. Initiiert wurde diese Veranstaltungsreihe von Frau Prof. Dr. Ute Krauß-Leichert (HAW) in Zusammenarbeit mit Werner Tannhof (Universitätsbibliothek der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) und erstmalig auch mit dem Landesverband Hamburg des Berufsverbands Information Bibliothek (BIB).

Was verbirgt sich hinter Virtuellen Fachbibliotheken und Portalen? Sie wurden entwickelt, um den Spitzenbedarf an Literatur durch überregionale Literaturversorgung zu gewährleisten. Sondersammelgebietsbibliotheken, Spezialbibliotheken und zentrale Fachbibliotheken sammeln Literatur zu einem Themenschwerpunkt und stellen diese in Kooperation mit dem Web- und BibliotheksInformationsSystem (WEBIS) zur Verfügung.

Grundlage für dieses System sind die Hauptpositionspapiere der Deutschen Forschungsgemeinschaft/Bibliotheksausschuss (DFG) "Überregionale Literaturversorgung von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik Deutschland - Denkschrift" und "Weiterentwicklung der überregionalen Literaturversorgung - Memorandum". Sie beinhalten die Leitmotive.

Virtuelle Fachbibliotheken erweitern das Angebot der überregionalen Sammelschwerpunktbibliotheken durch Online-Content. Von einer zentralen Website ist der Zugang zu allen fachspezifischen Ressourcen möglich. Sie beinhalten dabei sowohl Print-Material, als auch elektronisch erfasste und bewertete Quellen. Diese werden durch Webkataloge, fachliche Suchmaschinen, Bibliothekskataloge und Dokumentlieferdienste zur Verfügung gestellt.

Dr. Ute Sandholzer stellte als Auftakt der Vortragsreihe das "iPort als Portallösung beim GBV" vor. Der GBV bietet seinen Mitgliedsbibliotheken die Möglichkeit zur Teilnahme am Verbundportal P\7+. Dieses Portal umfasst die Datenbanken aller Bibliotheksverbünde, Aufsatzdatenbanken, Spezialbibliographien und internationale Datenbanken. Eine Demoversion ist unter http://p7.gbv.de:4242/ einzusehen.

Äquivalent dazu befindet sich ein Portal für Öffentliche Bibliotheken im Aufbau, das von Matthias Lange in seinem Vortrag " Portal für Öffentliche Bibliotheken im GBV und weitere Serviceleistungen" vorgestellt wurde. Dieses Portal wird den Verbundkatalog für Öffentliche Bibliotheken (ÖVK), eine Datenbank mit ekz-Titelnachweisen und einen auf Öffentliche Bibliotheken zugeschnittenen Online-Content beinhalten. Eine einzeilige Recherchemaske soll den Sucheinstieg für alle Nutzergruppen erleichtern. Im ÖVK sind die bibliographischen Daten der einzelnen Öffentlichen Bibliotheken gebündelt und können per Online-Fernleihe und GBVdirekt/subito bestellt werden. Das Portal bietet des weiteren Recherchemöglichkeiten in Verzeichnissen des Buchhandels und Antiquariaten, in ausgewählten Suchmaschinen, sowie der Deutschen Internetbibliothek (initiiert vom Deutschen Bibliotheksverband und der Bertelsmann-Stiftung).

Jürgen Christof von der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg sprach über "Die virtuelle Fachbibliothek ViFaPol / politics and peace guide". ViFaPol (http://www.vifapol.de) versteht sich als Vermittlerin fachwissenschaftlicher Inhalte und richtet sich an Wissenschaftler und Studierende der Politik. Die Inhalte, die von den Verbundpartnern Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften und Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg erschlossen werden, können übergreifend genutzt werden (Metadata Sharing). Den Nutzern bieten sich drei unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten in ViFaPol: über die Fachsystematik, den Ressourcentyp oder die Ländersystematik. Eine Besonderheit bietet der Online-Kurs "Wie finde ich....?", der eine Einführung in Recherchemöglichkeiten gibt.

Vascoda - so nennt sich das fächerübergreifende Portal, das Dr. Tamara Pianos unter dem Titel "Google für die Wissenschaft? vascoda - Das Internetportal für wissenschaftliche Information: Status Quo und Perspektiven" vorstellte. Vascoda (http://www.vascoda.de) gewährleistet den Einstieg in alle virtuellen Fachbibliotheken unter einem gemeinsamen Dach. Der Zugriff dieses Internetportals erfolgt auf zum Teil kostenpflichtige Fachdatenbanken und qualitätsgebundene Internetquellen der Bereiche Ingenieur- und Naturwissenschaften, Medizin- und Biowissenschaften, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und Geistes- und Kulturwissenschaften. Es bietet den Nutzern die Möglichkeit, mit nur einer Suchanfrage simultan in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen zu recherchieren und macht somit die Suche in einzelnen virtuellen Fachbibliotheken überflüssig.

Den abschließenden Vortrag "Von Googlementalität und Expertensuche: MetaLib/SFX Vers. 3 - das neue Bibliotheksportal für alle Nutzergruppen" hielt Christine Stohn, Mitarbeiterin der Firma ExLibris. Eine einheitliche Suchoberfläche bietet ihren Nutzern einfachen Zugriff auf Bibliothekskataloge, Suchmaschinen, Sammlungen, Fachportale, etc., sowie einen individuell abgestimmten Service, der auf die Nutzergruppen zugeschnitten ist. MetaLib stellt der Bibliothek eine individuell der Corporate Identity entsprechende Benutzeroberfläche zur Verfügung. In Kürze erscheint die 3. MetaLib-Version, deren Interface aufgrund von Usability-Studien drastisch verändert wurde. Bibliotheken, die bereits mit Version 2 arbeiten, führten entsprechende Überprüfungen durch. Bei der Analyse der Testergebnisse wurde klar, dass besonders Wert auf die Übernahme der leicht verständlichen Googlementalität gelegt werden muss (http://www.exlibrisgroup.com). Ausschließlich das Bereitstellen neuer Serviceleistungen durch die deutschen Bibliotheken kann das Bild der Bibliotheksarbeit in der Öffentlichkeit offensichtlich nicht wandeln.

Problematikbezogene Lösungsansätze erläuterte Christian Hasiewicz in seinem Vortrag "Bibliothek 2007. Plädoyer für eine Neuausrichtung des deutschen Bibliothekswesens" (http://www.bibliothek2007.de). Dieses Projekt der Bertelsmann-Stiftung und der Bundesvereinigung deutscher Bibliotheksverbände (BDB) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Wahrnehmung der Politiker gegenüber dem Bibliothekswesen zu schärfen und eine eindeutige Position des Berufsstandes zu aktuellen Themen gegenüber der Öffentlichkeit zu vertreten. Als weitere Ziele möchten sie eine stärkere Einbindung der Bibliotheken in das Bildungssystem erreichen, eine Empfehlung für die zukünftige Gestaltung des deutschen Bibliothekswesens erarbeiten und einen übergreifenden Strategie- und Änderungsprozess initiieren. Bisherige Ergebnisse setzen sich aus Interviews mit Experten, einer Ist-Analyse der derzeitigen Situation deutscher Bibliotheken und einer internationalen Best-Practice-Recherche (Lernansätze aus Ländern mit erfolgreicher Bibliotheksplanung und -entwicklung, z.B. Dänemark) zusammen.

Das Kolloquium wurde in Kooperation mit dem gleichnamigen Seminar von Frau Prof. Dr. Krauß-Leichert durchgeführt. Ein Teil der studentischen Aufgaben bestand aus aktiver Öffentlichkeitsarbeit und technischer Vorbereitung. Zur Einarbeitung in das Thema und um die Kenntnisse zu vertiefen wurden außerdem zahlreiche virtuelle Fachbibliotheken und Portale unterschiedlicher Inhalte nach Bewertungskriterien, basierend auf Fachartikeln von Herrmann Rösch1, begutachtet. Folgende Kriterien wurden u.a. untersucht: einheitlicher Einstiegspunkt, einfache Handhabung, leistungsfähige Suchwerkzeuge, Strukturierung und Aufbereitung von Informationen, Integration von Zusatzfunktionalitäten und Validierung von Informationen. Die Ausarbeitungen der Studierenden können unter http://munin.bui.haw-hamburg.de/kolloquium eingesehen werden.

Das nächste Kolloquium findet im kommenden Jahr wieder zu einem aktuellen Thema der Fachpresse statt, daher wünschen wir uns auch in der Zukunft reges Interesse unter Berufspraktikern, Lehrenden und Studierenden für Innovationen der Bibliothekslandschaft.


Zu den Autorinnen

Claudia Oktar und Christine Ottenbreit sind Studentinnen der Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Fachbereich Bibliothek und Information
Berliner Tor 5
D-20099 Hamburg
E-Mail: claudia.oktar@gmx.de
E-Mail: christine.ottenbreit@gmx.de

1. RÖSCH, Hermann: Portale in Internet, Betrieb und Wissenschaft. Marktplatz und Instrument des Kommunikations- und Wissensmanagements. In: B.I.T.online 4 (2001) Ausgabe 3, S. 237-246.

RÖSCH, Hermann: Wissenschaftsportal - bibliothekarische Konzeption in der Informationsgesellschaft. <http://bt2000.univie.ac.at/abstracts/roesch.pdf> (geladen am 02.04.2004)