Die notwendigen Informationsressourcen zur richtigen Zeit am richtigen Ort1

Das Portal myETH als Informationshub der ETH Zürich


Abstract

1. Vorbemerkung
2. myLibrary: Die Vision
3. Nutzerumfrage und Machbarkeitsstudie
4. myLibrary: Die Implementierung
5. myLibrary: Kooperation mit anderen Partnern innerhalb der ETH Zürich
6. myETH: Die Integration
7. Technische Aspekte
8. Design und Editierbarkeit von MyETH
9. myETH: Die Nutzung
10. myETH: die nächste Zukunft


von Wolfram Neubauer

Seit einer Reihe von Jahren entwickelt die Bibliothek der ETH Zürich unterschiedliche elektronische Informationsangebote für ihre universitätsinternen Benutzerinnen und Benutzer. Diese Angebote reichen von umfangreichen elektronischen Zeitschriftenbeständen, Monographien, Datenbanken und Linksammlungen über einen mit erweiterten Recherchemöglichkeiten ausgebauten Online-Katalog bis hin zur Bereitstellung eines universitären Volltextservers und in großem Umfang digitalisierten Sondermaterialien, wie Bilder, Karten sowie Archiv- und Nachlassdokumente.2

Vergleichbar zur Situation an vielen anderen wissenschaftlichen Bibliotheken, hat dieses umfangreiche Angebot hinsichtlich Komplexität und Umfang mittlerweile solche Ausmaße angenommen, dass es zumindest für den gelegentlichen bzw. wenig routinierten Interessenten zunehmend schwierig wird, einen umfassenden Überblick zu gewinnen und die potentiell vorhandenen Angebote in der Realität auch wirklich auszunutzen.3

2. myLibrary: Die Vision

Um hier Verbesserungen zu schaffen, hat die ETH-Bibliothek4 Anfang des Jahres 2003 das Projekt MyLibrary@ETH lanciert. Das Ziel dieses Projektes war es, für die jeweiligen Bibliothekskunden die Möglichkeit zu schaffen, auf Einzelinteressen abgestimmte, personalisierte Bibliotheksportale generieren zu können. Aus der Fülle des vorhandenen, prinzipiell relevanten Informationsportfolios der Bibliothek sollte sich jeder Interessent das für ihn jeweils sinnvolle Paket zusammenstellen können. Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich somit noch um eine relativ unscharf formulierte Produktidee.

Im Laufe der weiteren Überlegungen konnten dann für den Aufbau eines Web-Portals der ETH-Bibliothek etwas konkretere Ziele formuliert werden:

Die Universitäts-Community sollte also mit myLibrary@ETH ein neues Werkzeug erhalten, mit dem ein einfacher Zugang zu den jeweils relevanten Informationsressourcen möglich ist.

Bei der detaillierteren Skizzierung der Projektidee wurde allerdings schnell deutlich, dass der IT-relevante Aufwand für ein Projekt dieser Grössenordnung sehr umfangreich sein würde. Somit war es angebracht, vor einer Realisierung potentielle Kundinnen und Kunden nach einem möglichen Interesse zu befragen bzw. deren Kommentare, Anregungen, Verbesserungsvorschläge etc. mit zu berücksichtigen.

3. Nutzerumfrage und Machbarkeitsstudie

So war bereits bei den ersten Diskussionen innerhalb der Bibliothek in den Jahren 2001 und 2002 klar, dass vor einem größeren Einsatz finanzieller und personeller Ressourcen abgeklärt werden sollte, was potentielle Nutzerinnen und Nutzer solcher Dienstleistungen in diesem Kontext eigentlich von der ETH-Bibliothek erwarten.

Um dies zu realisieren, wurde eine Umfrage bei einer Reihe derjenigen Personen durchgeführt, von denen bekannt war, dass sie die Dienstleistungen der Bibliothek intensiv nutzten. Hierbei wurde auf der einen Seite untersucht, wie zufrieden diese Kundinnen/Kunden mit den Dienstleistungen generell waren und andererseits, wie sie auf eine neue Dienstleistung wie MyLibrary reagieren würden. Ein weiteres Ziel der Umfrage bestand darin herauszufinden, welche Ressourcen und Dienstleistungen der ETH-Bibliothek häufig genutzt werden und welche den Kunden unbekannt waren.5 Hier zeigten sich dann einige sehr markante Umfragergebnisse, die auch die grundsätzliche Frage aufwarfen, ob bibliothekarische Aktivitäten ganz allgemein ausreichend genug auf die Interessen der Kundinnen/Kunden ausgerichtet sind (Abb. 1).6

Abb. 1: Nutzung des elektronischen Dienstleistungsangebotes der ETH-Bibliothek
(Frage: "Nutzen Sie das jeweilige Angebot häufig?")

Um die Aussagen dieser Umfrage noch detaillierter zu analysieren, wurden auch Nutzungsstatistiken für elektronische Angebote herangezogen, da diese ja objektivere Aussagen liefern und vor allem für Zeitschriften und Datenbanken einen guten Überblick geben.

Nicht zuletzt auch als Antwort auf diese Situation hat sich die ETH-Bibliothek schließlich entschieden, das Projekt MyLibrary auf den Weg zu bringen.

Ziel war also auf der einen Seite, den Weg von den vielgenutzten Ressourcen und Dienstleistungen zum Nutzer zu verkürzen und andererseits ausgewählte, qualitativ besondere Ressourcen durch neue Präsentationsformen den potentiellen Nutzerinnen/Nutzern näherzubringen.

Um die Realisierungschancen eines solch komplexen Projektes vor einem konkreten Ressourceneinsatz soweit irgend möglich abzusichern, wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Hierzu untersuchte eine bibliotheksexterne Spezialistin bereits existierende Anwendungen auf ihre mögliche Übertragbarkeit und entwickelte auf Basis dieser Informationen ein vorläufiges Pflichtenheft für eine mögliche Anwendung der ETH-Bibliothek.7

Die Entwicklung von MyLibrary-Projekten geht zurück bis zum Ende der 90er Jahre und war in ihren primären Ausprägungen (vor allem in US-amerikanischen Bibliotheken) nicht sehr erfolgreich.8 Die ursprünglich sehr eng gefassten, bibliothekszentrierten Ansätze konnten sich vor allem hinsichtlich der Akzeptanz bei universitätsinternen Nutzerinnen und Nutzern nicht durchsetzen. Mittlerweile steht die Kundenorientierung im Fokus der Bemühungen, da hier durch die mögliche Einbindung aller interessanten Informationsressourcen einer Universität der Mehrwert für die Kunden deutlicher in den Vordergrund tritt.9

Im Rahmen der genannten Machbarkeitsstudie wurden einige wesentliche Anforderungen definiert, auf deren Realisierung besonders geachtet werden sollte:

4. myLibrary: Die Implementierung

Nachdem die Entscheidung für die zweite, eher konzentrierte Lösungsmöglichkeit gefallen war, wurde das bereits vorhandene vorläufige Pflichtenheft überarbeitet, wobei die Definition der für das Angebot vorgesehenen Ressourcen und Dienstleistungen in sog. Servicepaketen im Mittelpunkt stand. Diese (Informations-)pakete werden wiederum in sog. "use cases" beschrieben, die dann in UML (Unified Modelling Language) ausgearbeitet wurden.

Konkret bedeutet dies, dass in einer ersten Phase sechs Use cases erarbeitet werden mussten (Dienstleistungen; aktuelle Meldungen; Suche (hier Katalogrecherche); elektronische Zeitschriften/Datenbanken; E-Texte/E-Collection; Fachinformationen).

Abb. 2: Bibliothekarische Informationspakete (channels) im Portal MyETH

Diese Informationseinheiten oder Dienstleistungspakete werden im Kontext der in diesem Projekt zum Einsatz kommenden Software als sog. "channels" bezeichnet (vgl. Tab. 1 u. Abb. 2).11 Zwei von diesen Channels sollen im Folgenden beispielhaft für alle anderen kurz skizziert werden.

Tab. 1: Angebot an Informationspaketen (channels) im Kontext MyETH

4.1 Use Case "NEBIS-Suche"12

Die Ergebnisse der angesprochenen Benutzerumfrage hatten deutlich gemacht, dass eine möglichst unkomplizierte Einbindung des Bibliothekskataloges in ein MyLibrary-Konzept einem zentralen Kundenbedürfnis entspricht. Folgt man den Ergebnissen dieser Umfrage, dann wünschen sich die Benutzerinnen/Benutzer eine deutliche Vereinfachung bei den komplexen Suchmodalitäten im Katalog. Viele dieser Bibliothekskunden fühlen sich durch die Vielfalt und Unübersichtlichkeit der einzelnen Recherchemöglichkeiten überfordert und wünschen sich hier Vereinfachungen. Ein häufig formulierter Wunsch ist die Idee, möglichst ohne großen Aufwand, durch sog. "short cuts", zu den am häufigsten genutzten Recherchemöglichkeiten zu gelangen. Hierzu gehören etwa die einfachen Suchen nach "Stichwort", "Autor" oder "Titel" sowie die Recherche in abgeschlossenen Dokumentpaketen (also etwa im Zeitschriftenpool, oder in den Beständen der sog. ETH E-Collection).13

Um diesem Anliegen einigermaßen entsprechen zu können, entwickelte das Projektteam in Kooperation mit den Systembibliothekarinnen sog. "short cuts", die innerhalb des Channels "Suche im Bibliothekskatalog" als präferierte Suchfunktion definiert sind und die entsprechende Recherche ohne Umwege an den Bibliothekskatalog durchreichen und das Suchresultat automatisch anzeigen. Die mehrstufige Einwahlprozedur in den Katalog selbst entfällt somit.

4.2 Use Case "Aktuell Channel"

Wie bei den Homepages vieler anderer Bibliotheken auch, so werden auch im Falle der ETH-Bibliothek die Nutzerinnen/Nutzer der Web-Angebote über Neuigkeiten, Bibliotheksführungen, Schulungen etc. kontinuierlich informiert.

Wurden diese Informationen früher manuell in HTML erstellt und an prominenter Stelle auf der Web-Seite aufgeschaltet, kommt nun eine Datenbankanwendung zum Einsatz, mit deren Hilfe neue Meldungen über ein Webinterface direkt eingegeben werden können und nach Prüfung durch eine Kontrollroutine automatisch über MyLibrary angezeigt werden.14

4.3 Angebote von Standardseiten

Die flächendeckende Umsetzung eines MyLibrary-Konzeptes an einer Universität bedeutet also in der Praxis, dass jeder Anwender/jede Anwenderin zumindest einmal die Mühe auf sich nehmen muss, eine persönliche Seite nach den jeweiligen persönlichen Bedürfnissen zu definieren.

Mag dies für routinierte Personen einfach und umkompliziert sein, dürften sich gelegentliche Anwenderinnen/Anwender doch etwas schwerer tun. Um hier Unterstützung zu geben, generiert das System nach dem ersten Login sog. Default Pages, die in Abhängigkeit von der individuellen Authentifizierung ein dem jeweiligen Departement (Fachbereich) entsprechendes Basisangebot bereitstellen.

Die für diesen Prozess notwendigen Informationen zur jeweiligen Fachbereichszugehörigkeit kommen über eine LDAP-Schnittstelle aus dem zentralen Authentifizierungssystem der ETH Zürich.

5. myLibrary: Kooperation mit anderen Partnern innerhalb der ETH Zürich

Die Initiierung (aber auch Finanzierung) von MyLibrary erfolgte als Teilprojekt des gesamtuniversitären Großprojektes ETH World15, in dessen Kontext eine größere Zahl weiterer elektronischer Forschungs- und Infrastrukturaktivitäten gefördert wurden und werden.

So wurde beispielsweise im Zusammenhang mit dem Jubiläum zum 150-jährigen Bestehen der ETH Zürich ein anderes Projekt (ETH-portal) gestartet, das sich zwar nicht auf Bibliotheksanwendungen konzentrierte, von der Zieldefinition und dem Realisierungsansatz her jedoch sehr ähnlich war.16 Die eigentliche Idee war hier, die von unterschiedlichen, hochschulinternen Lieferanten generierten elektronischen Inhalte unter einer Präsentationsplattform zusammenzufassen und möglichst kundengerecht anzubieten.

Nachdem sich im Jahre 2003 abzeichnete, dass beide Teilprojekte konzeptionell und inhaltlich sehr eng bei einander lagen, kamen alle Beteiligten überein, eine Kooperation bzw. Fusion beider Anwendungen zu prüfen und wenn irgend möglich auch zu realisieren. Ein Zusammenschluss erfolgte vor allem auch im Hinblick auf die Angehörigen der ETH Zürich, denen man nicht zumuten wollte, für letztlich doch sehr ähnliche Dienstleistungsangebote zwei Anwendungen benützen zu müssen. Darüber hinaus wurde sehr schnell deutlich, dass sich bei einer Kooperation der Beteiligten und einer Fusion der Projekte erhebliche Synergieeffekte ergeben würden.

Aus bibliothekarischer Sicht ist diese Kooperation in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen konnte sich die Bibliothek in einem in hohem Maße technisch orientierten, universitätsweiten Projekt als wichtigster Partner etablieren und zum zweiten wurde offensichtlich, dass ein Universitätsportal ohne bibliothekarische Inhalte nicht sinnvoll realisiert werden kann.

Andererseits bedeutete die Kooperation für das ursprüngliche Projekt MyLibrary eine nicht unerhebliche zeitliche Verzögerung, da nun "fremde" Inhalte und unterschiedliche Arbeitsphilosophien integriert werden mussten. Auch auf der technischen Seite ergaben sich einige wesentliche Veränderungen. So musste die bereits komplett aufgebaute technische Infrastruktur von MyLibrary auf einen zentralen Universitätsserver portiert werden und teilweise mussten bereist entwickelte Programmteile umgearbeitet und vereinheitlicht werden.

Für die ETH-Bibliothek bedeutete die Fusion der Anwendungen einerseits die Möglichkeit, vor allem personelle Ressourcen für den technischen Betrieb zu reduzieren, andererseits ergab sich jedoch auch ein Mehraufwand für Absprachen und Abstimmungen zwischen den Projektpartnern.

Der Mehrwert der gemeinsamen Anwendung ist allerdings letztlich so bedeutend, dass die kooperativ realisierte neue Dienstleistung "myETH" vor allem auch im Hinblick auf potentielle Nutzerinnen/Nutzer einen großen Erfolg darstellt.

6. myETH: Die Integration

Die Integration der beiden Portalprojekte myLibrary und ETH-portal zum neuen universitären Portal myETH wurde ab Beginn des Jahres 2004 mit großem Nachdruck verfolgt. Hierbei ergab sich vor allem auf der technischen Seite ein beträchtlicher personeller Aufwand, da die bereits komplett aufgebaute technische Infrastruktur für myLibrary auf einen zentralen Rechner der Universität portiert werden musste.

Darüber hinaus sollte auch vermieden werden, einen Wildwuchs bei den verwendeten Datenbanksprachen zuzulassen, so dass es notwendig wurde, Teile der fertig entwickelten Produkte umzuprogrammieren. Hiermit sollte, so weit möglich, eine Einheitlichkeit der Anwendungen sichergestellt werden.

Zeitgleich mit der Portierung wurde auf ein neues Release der Basissoftware uPortal umgestellt, so dass sich auch hierdurch eine Vereinheitlichung ergab.

Parallel zu diesen technischen und logistischen Aufgaben wurden im Frühjahr und Sommer 2004 jedoch auch inhaltliche und gestalterische Aktivitäten intensiv weitergeführt, um auch von dieser Seite her dem gemeinsamen Ziel der Entwicklung eines universitären Informationsportals rasch näher zu kommen.

Der eigentliche Start von myETH erfolgte im Juni 2004, wobei das Angebot an Informationspaketen (channels) sukzessive weiterentwickelt wurde und auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt (März 2005) noch nicht abgeschlossen ist. Eine mehr oder weniger im Routinebetrieb laufende Portalanwendung existiert seit Oktober 2004 (Abb. 3).

Abb. 3: Channel-Angebot der Rubrik (sog. Tab) "Aktuell" von MyETH

7. Technische Aspekte

Abb. 4: IT-Architektur des Projektes MyLibrary
Die technische Realisierung des Projektes MyLibrary und die weiteren Portalaktivitäten an der ETH Zürich stützen sich im Grundsatz auf das Softwareprodukt uPortal, doch mussten komplexe technische Datenbankstrukturen aufgebaut werden, um die in den Channels definierten Inhalte bestmöglich darstellen zu können (Abb. 4).

Das Softwaretool uPortal ist eine Open Standard-Software, die Java, XML, JSP und J2EE benutzt. Da es sich bei dieser Software um ein Framework-Produkt und nicht um eine sofort einsetzbare Anwendungssoftware handelt, waren umfangreiche und komplexe Eigenentwicklungen notwendig; allerdings eignet sich uPortal vom Grundsatz her sehr gut für die Entwicklung von Portalanwendungen.

Gegenwärtig (Herbst 2004) ist die Anwendung auf zwei Servern (PowerEdge 2650 der Fa. Dell) im Einsatz.17

Das Zentrum der Anwendung MyLibrary bildeten die MyLibrary Channels, also die Servicepakete, aus denen die Benutzerinnen/Benutzer beliebig auswählen können. Der größte Teil der Daten wird aus dem Bibliothekssystem extrahiert und in XML aufbereitet. Teile dieser Daten werden dann in verschiedenen Datenbanken abgelegt und über die "Channel-Datenbank" verwaltet. Über diese Datenbank werden auf der einen Seite die persönlichen Einstellungen der Nutzerinnen/Nutzer kontrolliert und andererseits die Recherchen durchgeführt. Nach der Einwahlprozedur wird über die sog. LDAP-Schnittstelle bei der zentralen Nutzerdatenbank die Berechtigung überprüft, während hierzu parallel in der uPortal-Datenbank abgeklärt wird, ob der Nutzer bereits über eine eigene MyLibrary verfügt. Der nächste Schritt ist dann entweder die Anzeige der entsprechenden persönlichen Seite, oder aber es wird automatisch ein spezifisches persönliches Profil angeboten18, das dann natürlich ohne große Probleme verändert bzw. erweitert werden kann.

8. Design und Editierbarkeit von MyETH

Die Notwendigkeit, für komplexe Webanwendungen auch ein attraktives, d.h. benutzungsorientiertes Design zu entwickeln, dürfte heute vor allem auch aus Gründen der einfachen Bedienbarkeit unbestritten sein. Etwas schwieriger zu beantworten ist dann in der jeweiligen konkreten Situation die Frage, was denn unter "Nutzerfreundlichkeit"19 genau zu verstehen ist.

Unter Designgesichtspunkten war für das Projekt MyETH (bzw. MyLibrary) die Basisstruktur (also Kopf, Navigation, Channels, Spalten usw.) durch die verwendete Software uPortal bereits weitgehend vorgegeben. Darüber hinaus waren einige grundsätzliche Vorgaben der ETH Zürich zu beachten.

Obwohl durch diese Randbedingungen also bereits nicht unerhebliche Einschränkungen hinsichtlich einer Gestaltung der Seiten existierten, wurde innerhalb des gegebenen Rahmens mit erheblichem Aufwand versucht, ein benutzerfreundliches und darüber hinaus auch ästhetisches Design zu realisieren.

Wie bereits erwähnt, ist die Realisierung des Projektes MyETH ja letztlich in Kooperation von vier Partnern entstanden, so dass sich auch an dieser Stelle das konkrete Ergebnis als Kompromiss einer intensiven Diskussion darstellt. Trotzdem sollten die bibliothekarischen Inhalte auf der einen Seite logisch auf dem gemeinsamen Portal präsent sein und andererseits sollte doch ihre zentrale Rolle für das gesamte Projekt sichtbar werden.

Wie erwähnt, wird nach dem erstmaligen Login eine auf den jeweiligen Kunden zugeschnittene Musterseite aufgeschaltet, um auch auf diese Weise die Akzeptanz und die einfache Nutzung zu unterstützen. Vor allen auch als Ergebnis der Umfragen vor Projektstart gingen die Projektverantwortlichen davon aus, dass es für die Nutzerinnen/Nutzer sehr viel einfacher ist, in einem bereits bestehenden Angebot Veränderungen und Erweiterungen anzubringen, als auf einer mehr oder weniger leeren Einstiegsseite ein persönlichen Portal (sozusagen aus dem Nichts) zu generieren. Allerdings müssen natürlich in einfacher Weise Editier- und Layoutmöglichkeiten vorhanden sein, um auch persönliche Vorlieben und Interessen unproblematisch berücksichtigen zu können. Für diese Aspekte gibt es eine ganze Reihe von Editierfunktionen, die etwa das Hinzufügen von Channels und Tabs, deren veränderte Anordnung auf dem Bildschirm, Bezeichnungs- und Layoutänderungen usw. möglich machen .

Abb. 5: Wer nutzt das Portal MyETH?
Abb. 6: Anzahl registrierter Nutzerinnen/Nutzer bei MyETH
(Der deutliche Nutzungsanstieg von September/Oktober 2004 lässt sich auf unterschiedliche Weise interpretieren. Einmal fällt in den genannten Zeitraum der Semesterbeginn des Wintersemester 2004/05 und zum zweitenwurde zum Oktober 2004 der SMS Channel als neues Angebot bereitgestellt.)
Abb. 7: Die zehn wichtigsten Informationspakete von MyETH
(n =21; Auswertung 11/2004)
Noch nicht realisiert werden konnte allerdings das sog. Single-Sign-On, also das zentrale Log-In-Verfahren, was aufgrund einer durchgeführten Nutzerbefragung vor allem bei den studentischen Nutzerinnen/Nutzern zu Unzufriedenheit geführt hat.20

9. myETH: Die Nutzung

Naturgemäß stehen bei der Lancierung eines neuen elektronischen Produktes bald nach erfolgreicher Projekteinführung Akzeptanz-, sprich Nutzungsaspekte im Vordergrund.

Können sich die neuen, häufig mit großem Ressourceneinsatz realisierten Dienstleistungsangebote am "Markt" durchsetzen? Konnten die ehemals formulierten Ziele erreicht werden? Gibt es Möglichkeiten der Optimierung? Wenn ja, welche?

Um diese und weitere Fragen beantworten zu können, sind in erster Linie Nutzungsdaten von entscheidender Relevanz.

Um diese Daten zu erhalten, bieten sich Befragungen der wirklichen und potentiellen Nutzerinnen und Nutzer, aber in ganz erheblichem Maße auch die Auswertung statistischer Daten an.

Das bisher vorliegende Datenmaterial (vgl. Abb. 5 bis 7) erlaubt bereits erste Schlussfolgerungen, doch sind an dieser Stelle sicherlich noch weitere Differenzierungen notwendig. So wird zwar deutlich, dass studentische Nutzerinnen/Nutzer deutlich überwiegen, doch wäre es sicherlich wünschenswert zu wissen, welche Nutzergruppen welche einzelnen Channels in besonderem Maße nutzen. Ebenso wichtig wäre die Beantwortung der Frage, wie häufig die einzelnen Nutzerinnen/Nutzer das Portal besuchen und was sie dann dort tun.

Da diese Angaben für eine Weiterentwicklung bzw. Bewertung der einzelnen Channels von großer Wichtigkeit sind, werden die noch nicht ausreichend strukturierten Statistikverfahren in den nächsten Monaten ausgebaut und verbessert.

10. myETH: die nächste Zukunft

Nach etwa zehn Monaten Einsatz unter realen Bedingungen lassen sich hinsichtlich einer Bewertung des Portalprojektes der ETH Zürich sicherlich erste Schlussfolgerungen ziehen.

Man kann sicherlich davon ausgehen, dass die Anwendung myETH@eth.ch ein grundsätzlich vernünftiger Schritt in die Richtung ist, für alle Angehörigen der Universität einen zentralen Einstieg in das elektronische Informationsangebot anzubieten. Im Gegensatz zur Strukturierung des Informationsangebotes auf der klassischen Homepage bietet ein Portal die Möglichkeit, persönliche Präferenzen zu berücksichtigen und sich auf diese Weise wenigstens teilweise von der Informationsflut zu entlasten. Insoweit bietet die skizzierte Portalanwendung einen ersten Einstieg in diesen Ansatz und ermöglicht zumindest grundsätzlich ein Vertrautwerden mit einem personalisierten Zugang zu Informationsressourcen.

Andererseits zeigen vor allem auch die Nutzungsdaten, dass wirklich "harte" Informationsangebote nur von relativ wenigen Nutzerinnen/Nutzern abgefragt werden. Hier besteht also hinsichtlich Marketing, Schulung und Information noch Nachholbedarf. Soll das Portal für alle Mitglieder der ETH Zürich der zentrale Einstieg in die elektronische Welt werden, sind noch deutliche Anstrengungen notwendig.

Die Projektphase von MyETH wird zum Ende des Jahres 2005 auslaufen, so dass bis zu diesem Zeitpunkt auch ein Fahrplan für die weitere Zukunft vorliegen muss. Alle Beteiligten gehen davon aus, dass das Projekt ab 2006 in den Routinebetrieb überführt wird und zukünftig ein Standardangebot der ETH Zürich sein wird.


Zum Autor

Dr. Wolfram Neubauer ist Direktor der

Bibliothek der ETH Zürich
Rämistraße 101
CH-8092 Zürich
E-Mail: neubauer@library.ethz.ch


Anmerkungen

1. Der vorliegende Beitrag basiert auf dem Vortrag "myETH@eth.ch: Maßgeschneiderte Information für Forschung und Lehre", den der Verfasser auf dem 94. Deutschen Bibliothekartag in Düsseldorf gehalten hat.

2. Eine detaillierte Übersicht über das Angebot an elektronischen Dienstleistungen der ETH-Bibliothek findet sich in folgendem Werk: Neubauer, W.; Gysling, C. [Hrsg.]: Auf dem Weg zur digitalen Bibliothek.- Zürich: ETH Zürich, ETH-Bibliothek, 2005. - (erscheint im Juni 2005)

3. Die skizzierten Angebote dokumentieren selbstverständlich nur einen ersten Überblick. Bei der konkreten Nutzung der entsprechenden Dienste und Dienstleistungen gibt es naturgemäß häufig noch Untergruppierungen und verschiedene Varianten, die wiederum teilweise unterschiedliche Rechercheoberflächen aufweisen.

4. Die ETH-Bibliothek ist die Hauptbibliothek der ETH Zürich und bildet das Zentrum eines mehrschichtigen Bibliothekssystems. Neben der ETH-Bibliothek als zentraler Informationseinrichtung der Universität existieren eine Reihe weiterer, deutlich kleinerer Bibliotheken auf Instituts- bzw. Fakultäts(Departements-)ebene. Diese stehen zur Hauptbibliothek in unterschiedlicher organisatorischer Verbindung. Vom Gesamtbestand an Medien sind allerdings etwa 90-95% an der ETH-Bibliothek konzentriert (Details s.: www.ethbib.ethz.ch).

5. Die Frage nach den Kundenwünschen wurde im Kontext des Projektes MyLibrary durch eine Fremdfirma erledigt. Die Ergebnisse basieren auf einer Umfrage bei ausgewählten Bibliotheksbenutzern: Verdegaal, I.: Bedarfsabklärung "MyLibrary". Schlussbericht. Zürich, 2002 (interner Bericht; nicht publiziert).

6. Neben diesen konkreten Angaben wurde weiter deutlich, dass die meisten Bibliothekskunden im allgemeinen sowieso nur einen (mehr oder weniger) kleinen Ausschnitt der umfangreichen Angebote nutzen. Des weiteren wurde offensichtlich, dass ein erheblicher Teil der zur Verfügung stehenden Dienstleistungen den potentiellen Nutzerinnen/Nutzern überhaupt nicht bekannt ist.

7. Zhan, J.: MyLibrary@ETH. A preliminary study for the library of ETH Zurich ; Pt. 1 and 2 (interner Bericht; nicht publiziert).

8. Eine der ersten mehr oder weniger brauchbaren Anwendungen dürfte das Portal MyLibrary@NCSU der North Carolina State University in Raleigh, NC, USA gewesen sein, das im Jahr 1998 an den Start ging. Das Portal ist noch in Betrieb (s.: http://my.lib.ncsu.edu/).

Eine grundlegende Arbeit von Erci L. Morgan zu diesem Thema findet sich unter: http://arxiv.org/abs/cs.DL/9902003

9. Die Frage, wer bei diesen Anwendungen letztlich die Inhalte zur Verfügung stellt, ist aus "Konsumentensicht" in jedem Falle irrelevant. Dies ist aus bibliothekarischem Blickwinkel vielleicht ein schmerzlicher Erkenntnisprozess, ist aus Sicht der Kundinnen und Kunden allerdings nachvollziehbar.

10. Im Kontext einer Portalanwendung ist dieser Aspekt besonders bei einer Nutzung (etwa Medienausleihe) des Online-Kataloges der Bibliothek von Bedeutung, da ohne eine LDAP-Anbindung eine erneute Identifizierung des Kunden notwendig wird.

11. Die in Tab.1 aufgelistete Zahl von 23 Channels ist natürlich eine erhebliche Erweiterung der ursprünglich sechs Channels von MyLibrary.

In Abb.2 sind lediglich fünf eigentliche Bibliothekschannels dargestellt. Das Informationspaket "Fachinformation" (d.h. eine Kommunikationsmöglichkeit zum jeweiligen Fachreferenten) befindet sich gegenwärtig (März 2005) in der Endphase der Entwicklung. Der Channel "Lesezeichen" ist kein spezifisches Informationspaket der ETH-Bibliothek.

12. NEBIS ist die Bezeichnung für den Bibliothekskatalog, in dem die Bestände von etwa 80 Bibliotheken innerhalb der Schweiz nachgewiesen sind. Neben dem Gesamtbestand an Monographien und sonstigen Medien der ETH Zürich sind u.a. die Bestände der Zentralbibliothek Zürich sowie der Technischen Hochschule (EPFL) in Lausanne verzeichnet, um hier nur die drei größten Einrichtungen zu erwähnen.

13. Diese Forderung ist natürlich für die meisten Bibliotheksfachleute keine wirkliche Überraschung. Bedauerlicherweise hapert es allerdings mit einer Realisierung. Ein Teil des Erfolges von Suchmaschinen wie Google u.a. dürfte auch auf diese Situation zurückzuführen sein (eine vermeintlich einfache Recherche mit gleichzeitigem "guten" Ergebnis).

14. Nach wie vor werden diese Meldungen natürlich auch über die Bibliothekswebseite angezeigt, doch stellt der skizzierte Weg eine Vereinfachung des Gesamtprozesses dar.

15. Das Projekt ETH World wurde von der ETH Zürich bereits im Jahr 1999 als strategisches Projekt ins Leben gerufen. Mit der Lancierung und Finanzierung einer größeren Zahl von einzelnen Kommunikations- und Kooperationsprojekten sollte ein virtueller Raum für alle Stakeholder an der Hochschule (also ETH World) geschaffen werden. Das Projekt ETH World sollte hierbei sowohl Elemente einer neuen physischen Infrastruktur für die Universität umfassen, als auch wesentliche Elemente der sich rasant entwickelnden Kommunikationsinfrastruktur einbeziehen. Somit war (und ist) die Schaffung eines "virtuellen Campus ETH" eines der wesentlichen Ziele von ETH World. Unter dem Dach dieses Gesamtprojektes hat die ETH-Bibliothek insgesamt drei bibliotheksspezifische Teilprojekte (erfolgreich) realisieren können. Details finden sich unter: http://www.ethworld.ethz.ch

16. Es handelte sich um ein von den Bereichen Corporate Communications und Zentrale Informatikdienste (= Rechenzentrum der Universität) lanciertes Projekt, das in nahezu identischer Weise allgemeine, elektronisch vorliegende Informationsangebote für die ETH-Community bereit stellen sollte. Sowohl die technische Plattform, als auch die eigentliche Produktidee waren mehr oder weniger identisch.

17. Folgende Softwareversionen laufen gegenwärtig (Herbst 2004) auf den genannten Maschinen: uPortal Version 2.2.1; Java Version 1.4.2; ServletContainer: tomcat 5.0.18; Datenbank: Postgres DB 7.2.1 und MySQL Version 3.25.56

18. Diese spezifischen Profile erscheinen automatisch als sog. Musterseiten (default pages) nach dem ersten Login. Die hierbei angebotenen Inhalte entsprechen einem Basisangebot für die jeweiligen Departemente (Fachbereiche) in der konkreten Situation der ETH Zürich. Zusammen mit zwei eher allgemeinen Sachgruppen, ergeben sich somit insgesamt 18 mögliche Profile.

19. Trotz intensiver Anwendung auch im bibliothekarischen Umfeld ist der Begriff "Benutzerfreundlichkeit" nach wie vor einigermaßen unklar. Hinzu kommt, dass die Begriffe "usability" bzw. "Gebrauchstauglichkeit" häufig parallel oder synonym verwendet werden, was ebenfalls nicht zur Präzisierung beiträgt. Weitere Informationen finden sich unter: www.benutzerfreundlichkeit.de

20. Obwohl die Ursachen hierfür in der Strukturierung der eingesetzten Bibliothekssoftware liegen, wird dies natürlich dem Projekt MyETH angelastet.