Was ist heute noch sicher?

Die internationale Konferenz "Virus - Sicher im Netz"
in der Bibliothek des Goethe-Instituts in Brüssel

von Rafael Ball

Die bibliothekarische Arbeit der Goethe-Institute ist nicht erst bekannt, seit dem das Goethe-Institut mit dem Bibliotheksportal Deutschland weltweit über das Informations- und Bibliothekswesen informiert. Schon immer war und ist die Informationsarbeit, die sich durch Bibliotheken und Lesesäle sowie viele Veranstaltungen auszeichnet, ein wichtiger Beitrag der internationalen kulturellen Aktivitäten der Goethe-Institute.1 So kann man immer davon ausgehen, dass von Veranstaltungen in der Hand von den Bibliothekarinnen und Bibliothekaren der Goethe-Institute etwas Besonderes erwartet werden darf. Seien es die Themenauswahl, die Internationalität, die vielfältigen kulturellen Kontakte oder das große weltweite Netzwerk, auf das die Kolleginnen und Kollegen der Goethe-Institute zurückgreifen können. Meist macht die Mischung aus informationswissenschaftlicher Praxis und kulturellem Background den besonderen Reiz solcher Veranstaltungen aus.

Am 2. und 3. Februar 2005 veranstaltete die Bibliothek des Goethe-Instituts in Brüssel2 unter der Leitung von Cornelia Röpke zusammen mit der Königlichen Bibliothek Brüssel3 und der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich4 in Zusammenarbeit mit der Ambassade de France en Belgique, der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland und CICEB5 die Konferenz "Virus - Sicher im Netz?". Nachdem bereits vor zwei Jahren die Konferenz "DIGITAL" erfolgreich von der Bibliothek des Goethe-Instituts in Brüssel veranstaltet worden war, nahmen sich die Organisatoren diesmal unter dem beziehungsreichen Titel "VIRUS - Sicher im Netz?" dem Thema "Sicherheit in Netzwerken" unter den verschiedensten Aspekten an. Als zentrale Fragen wurden ausgemacht: Welche technische Errungenschaften und Entwicklungen sind wegweisend? Welche Bedeutung haben technische Möglichkeiten für den Anwender? Wie weit ist das Copyright ausreichend für die Welt der Netze? Welche nationalen und internationalen Bestimmungen gibt es? Welche philosophisch-ethische und künstlerische Dimension hat die Sicherheit im Netzwerk?

In den Räumlichkeiten des Goethe-Instituts, mitten im Herz des EU-Viertels von Brüssel gelegen, trafen sich denn auch 150 internationale Teilnehmer aus der Informations- und Bibliotheksbranche, um der Konferenz, die in Deutsch, Englisch, Französisch und Niederländisch simultan übersetzt wurde, zu folgen und zu ihr beizutragen. Für das Programm hatten die Veranstalter interessante und bekannte Redner gewinnen können, die zu den verschiedensten Themen Stellung bezogen. Der Eröffnungsvortrag wurde von Professor Dr. Ernst Pöppel, dem Vorstand des Instituts für medizinische Psychologie und Vorstand des Humanwissenschaftlichen Zentrums der Ludwig-Maximilian-Universität in München, gehalten. Der Hirnforscher machte dabei klar, wie sicher die Netzwerke im Hirn eines Menschen funktionieren und konnte in hervorragend didaktisch-methodischer Weise in das Thema einführen.

In der Sektion I, Informationswissenschaften und Anwendung - Theorie und Praxis, sprach Professor Dr. Josef Herget von der HTW-Chur über Trends in der Entwicklung von Informationsdiensten, -methoden und -praktiken. Er wies darauf hin, dass Sicherheit Geld kostet und das Informationsverhalten sich ändert und konnte dazu eine Delphie-Studie zitieren, während Dr. Thomáš Řehák, Direktor der Zentralen Öffentlichen Bibliothek in Prag, mit seinem provokanten Titel "Der größte Feind sitzt auf meinem eigenen Stuhl" die Basics der täglichen Netzwerksicherheit in das Bewusstsein brachte. Dr. Fabio Ghioni, Security Chief Technology Officer der Telecom Italia, Milano, entlarvte in einem medial sehr opulenten Vortrag die absolute Netzwerk-Sicherheit als Illusion, nur sei sie nach der Diskussion der letzten Jahre jetzt im Bewusstsein aller. Dr. Rafael Ball, Leiter der Zentralbibliothek im Forschungszentrum Jülich, erläuterte die verschiedenen Formen der Sicherheit in der elektronischen Wissenschaftskommunikation.

In der Sektion II ging es um Reflektionen zu Aspekten der Sicherheit im Netz aus philosophischer, ethischer und künstlerischer Sicht. Dabei stellte Jan Gudentops von den BA Testlabs in Leuven die provokative Frage: "Gibt es so was wie ethisches Hacking?" Er beantwortete diese Frage mit einem klaren Ja und erläuterte, dass ethisches Hacking aus seiner Sicht nichts anderes sei als das Auffinden von Sicherheitslücken in großen Unternehmen und Behördensystemen, wofür den "weisen Hackern" eigentlich zu danken sei, während man sie üblicherweise strafrechtlich verfolge. MA Christa Müller von der Stabstelle Digitalisierung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien berichtete über Digitalisierungsprojekte der Wiener Nationalbibliothek und stellte eine Case-Study zur Digitalisierung von historischen Zeitschriften vor. Das Urheberrecht lasse aber nur zu, historische Dokumente elektronisch zur Verfügung zu stellen.

Technische Aspekte der Netzwerksicherheit wurden in der Sektion III diskutiert. "Im magischen Dreieck: IT-Sicherheit in einem Forschungszentrum" war der Titel von Dr. Thomas Eickermanns Vortrag, dem Leiter der Abteilung Kommunikationssysteme des Zentralinstituts für angewandte Mathematik des Forschungszentrums Jülich. Er legte anschaulich dar, wie sich die Position der IT- und Netzwerksicherheit in einem Dreieck aus Sicherheit, Funktion und Kosten positionieren und bewegen müsse. Während Urpo Nylander, IT-Designer der Helsinki City Library (Kirjakaapeli) über sichere Lösungen für öffentliche Netzwerke und Workstations sprach und dabei die Sicherheitstipps, die Thomáš Řehák bereits in der Sektion I vorgetragen hat, noch einmal erweitern konnte.

Jan-Frans Lemmens, Herausgeber der Sektion Informationstechnologien bei Best of Publishing, erläuterte in seinem Vortrag "Informationssicherheit - ein nachträglicher Einfall", dass für die IT-Security im öffentlichen wie im privaten Sektor viel zu wenig Geld investiert werde. Nur durch eine Verstärkung der Investitionen sei wirkliche Sicherheit erreichbar.

Raquel Pérez-Comenero vom Virtual Center des Instituto Cervantes in Madrid sprach zum Thema "Hacken und Schützen einer kulturellen Webseite. Sie berichtete wie diese Webseite durch verschiedene IT-Lösungen vor Imitation und Korruption geschützt werden konnte.

Claire Chaumet, Leiterin der Abteilung Informatik der Bibliothèque publique d'information in Paris, diskutierte in ihrem Beitrag die Sicherheit des freien Internetzugangs in öffentlichen Bibliotheken. Dabei wies sie auf gravierende Sicherheitsmängel bei der Nutzung öffentlicher Internetzugänge in Bibliotheken hin und belegte dies mit eindrucksvollen Beispielen aus den öffentlichen Pariser Bibliotheken.

Bo Weymann, Leiter des IT-Service Centers des Dansk BibliotheksCenter in Ballerup, berichtete von einer besonderen Art von Sicherheitsmängeln: Eine Case-Study aus seinem eigenen Unternehmen belegte, wie ein IT-Mitarbeiter das hauseigene Sicherheitssystem bewusst sabotierte und die Firma nahe an die Insolvenz brachte. Hier saß der größte Feind der Sicherheit nicht auf dem eigenen Stuhl (Dr. Thomáš Řehák) sondern im Nachbarbüro. Brendan Teeling, Stellvertretender Direktor der An Chomhairle Leabharlanna (The Library Council) in Dublin konnte als Antwort auf die von Claire Chaumet (Paris) aufgeworfenen Sicherheitsprobleme beim Internetzugang öffentlicher Bibliotheken allerdings so weit beruhigen, in dem er aus eigenen Versuchen berichtete, dass die Filterung und der Einsatz von Sicherheitssystemen zwar eine deutliche Verschlechterung der Internetnutzung in öffentlichen Bibliotheken nach sich ziehe, dennoch den issbrauch reduzieren könne.

In der Sektion IV "Gesetzgebung und Netzwerksicherheit - ein nationaler und europäischer Überblick" berichteten Dr. Harald Müller, Direktor der Bibliothek des Max-Planck-Institutes für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, über Richtlinien der EU zum Urheberecht und zur Netzwerksicherheit. Dabei erläuterte der Referent die verschiedenen Perspektiven des Urheberrechts sowie das gesetzliche Verständnis des Zusammenhangs von Netzwerktechnologie und Inhalten. Anna Schmidt, Justiziarin bei der Bertelsmann Verlagsgruppe Random House aus München berichtete über Risiken und Möglichkeiten der Buchveröffentlichung übers Internet. Dabei wurde klar, dass die E-Books nur einen marginalen Umsatz der Bertelsmann Gruppe darstellen und im belletristischen Bereich mittelfristig kaum eine Rolle spielen. Der runde Tisch als Sektion V fasste noch einmal die zentralen Punkte zusammen und mit Bernard Smith, dem Leiter der Abteilung E.1 der EU-Kommission, hatten die Veranstalter einen bekannten und kompetenten Redner für die Schlussbetrachtung gewonnen.

Das Rahmenprogramm der Veranstaltung war ebenfalls bemerkenswert. Neben der Kunstinstallation "Netzwerke" von Professor Dr. Halling aus dem Forschungszentrum Jülich waren der Besuch der Königlichen Bibliothek sowie der Referentenabend in den Räumen der Goethe-Bibliothek Höhepunkte des Rahmenprogramms. Die Proceedings mit den Beiträgen der Referenten werden im Verlag der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich verlegt. Sie sind ab Juni 2005 dort erhältlich.6 Dass die Bibliothek des Goethe-Institutes, die sich wieder einmal als hervorragender Hauptveranstalter einer internationalen und interdisziplinären Konferenz präsentieren konnte, geschlossen wird, mag der Wehmutstropfen der Veranstaltung sein. Es bleibt zu hoffen, dass die kompetente und hochwertige Arbeit nicht umsonst war und im Herzen des Brüsseler EU-Viertels ein angemessener Ersatz für die Leistungen und das Image der Bibliothek des Goethe-Instituts geschaffen wird.


Zum Autor

Dr. Rafael Ball ist Leiter der

Zentralbibliothek
Kernforschungszentrum Jülich GmbH
D-52425 Jülich
E-Mail: r.ball@fz-juelich.de


Anmerkungen

1. http://www.goethe.de/kug/prj/bib/deindex.htm

2. http://www.goethe.de/ins/be/bru/inz/bib/deindex.htm

3. http://www.kbr.be

4. http://www.fz-juelich.de/zb/

5. http://www.ciceb.org

6. http://www.fz-juelich.de/zb/verlag/