Honegger, Jürg; Vettinger, Hans:
Ganzheitliches Management in der Praxis


- Zürich: Versus Verlag AG, 2003
ISBN 3 03909 012

"120 Seiten ganzheitliches Management", das klingt recht wenig für ein so umfassendes Thema. Tatsächlich sind die Autoren bemüht, in knappen, wenigen Sätzen diese umfassende Managementmethode darzustellen. Dass dies gelingt - soviel vorab - liegt an der Erfahrung der Autoren der St. Galler Managementschule, in der die Tradition des ganzheitlichen systematischen Managementdenkens verankert ist.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert und führt, von einer Einführung ausgehend, über die Methode des ganzheitlichen Managementansatzes zu Anwendungsbeispielen, die die Autoren in der beruflichen Beraterpraxis erworben haben. Dass dabei die Hälfte des Buchumfangs von Praxisbeispielen eingenommen wird, mag der eine oder andere als wenig hilfreich und als bloße Kompilation der beruflichen Beraterpraxis ansehen. Dennoch nutzt dieses Praxiskapitel, wie wir an Beispielen sehen werden. In der Einführung schreiben die Autoren, warum ganzheitliches Management aus ihrer Sicht sinnvoll ist und warum ganzheitliches Denken in den wirtschaftlichen Prozessen unserer heutigen Tage unbedingt erforderlich sei. Die Zunahme an Komplexität erfordert die Sicht auf das Ganze, um komplexe Managementaufgaben aber auch strategische Maßnahmen, angefangen von der Planung und Organisation bis zur Führung und zum Controlling, mitzugestalten und zu lösen. Als Anwendungsfelder haben Honegger und Vettinger unternehmerische, politische und gesellschaftliche Fragestellungen, ausgemacht: aber auch persönliche und individuelle Fragestellungen können mit ganzheitlichem Denken, systematischem Management oder der ganzheitlichen Management-Methode angegangen werden.

Diese noch sehr allgemein und banal klingenden Aussagen werden konkretisiert in der methodischen Erläuterung der ganzheitlichen Management-Methode im zweiten Kapitel. Der Aufbau einer solchen Managementanalyse folgt einer klaren Struktur. Zunächst wird die Fragestellung definiert, die mit der ganzheitlichen Management-Methode gelöst werden soll, etwa in der Form: "Welche Zusammenhänge und Konfliktfelder müssen für den langfristigen Erfolg unserer Organisation beachtet werden?". Nach der Definition der Fragestellung wird eine Stakeholder-Analyse eingeführt: Wer hat Interesse am Erfolg unserer Organisation und wer hat Interesse am Misserfolg unserer Organisation? Erst wenn alle verschiedenen Anspruchsgruppen definiert und die Erfolgsfaktoren zugeordnet sind, kann mit der Erfolgslogik begonnen werden. Sie ist das Kernstück der ganzheitlichen Management-Methode. Geklärt werden muss hier, wie die Erfolgsfaktoren miteinander zusammenhängen und wie schnell und stark sie in diesen Zusammenhängen wirken und wirken können. Die schematische Darstellung dieser Wirkungs- und Erfolgsfaktoren und die Richtungen der Pfeile der Erfolgsfaktoren in ihrem Verhältnis zueinander bestimmen die unterschiedlichen Wirkungsrichtungen und die Dicke der Pfeile die unterschiedlichen Wirkungsgeschwindigkeiten und -stärken. Wenn diese Erfolgslogik aufgezeichnet ist, steigen die Autoren mit den Lesern ins "Management-Cockpit". Dieses Tool haben sie entwickelt, um in Anlehnung an das Cockpit eines Flugzeuges die entscheidenden Stellgrößen, Hebel und Lenkbarkeiten zu identifizieren. Denn nach der sehr plausiblen Aussage des ganzheitlichen Managements lässt sich nur verändern, was direkt zu beeinflussen ist. Alles Andere ist reines Lamentieren und muss in einer rationalen Management-Betrachtung außer Acht gelassen werden. Die zentralen Fragen beim Management-Cockpit etwa sind: "Wie können die Verantwortlichen in das System eingreifen? An welchen Zielgrößen können sie sich orientieren? Welche Rahmenbedingungen müssen sie im Auge behalten? Welche Stellgrößen haben sie zur Verfügung?" Dabei werden zunächst jene Indikatoren oder Zielgrößen bestimmt, die es zu erreichen gilt und danach die Stellgrößen festgelegt, die zur Erreichung dieser Ziele geeignet sind. Bei der Analyse der Rahmenbedingungen und der Stellgrößen werden außerdem die Randbedingungen des komplexen Systems analysiert. Der letzte Schritt in der Praxis der ganzheitlichen Management-Methode leitet aus der Analyse die konkreten Management-Aufgaben ab. Im Rahmen der Managementgrundaufgaben wie Planung, Organisation, Führung und Controlling müssen nun die Aktionen festgelegt werden, die das Erreichen der Zielgrößen ermöglichen.

Im dritten Teil des Buches werden praktische Beispiele aus der Beraterpraxis der Autoren vorgestellt. So etwa die Analyse des Kantonspitals in Winterthur, ein Strategiecheck beim Verband Deutscher Flugleiter oder auch die Einführung von Total Quality Management bei einem Kunststoffhersteller in der Schweiz. Dabei ist es für die informationspraktische oder bibliothekarische Praxis sicherlich weniger von Belang, die Details der jeweiligen Case-Study zu verstehen. Wichtiger und nützlicher sind hingegen die einzelnen Schwerpunkte, die die Autoren bei den jeweiligen Praxisbeispielen herausstellen. Sechs Case-Studies werden vorgestellt und sechs verschiedene zentrale Punkte des ganzheitlichen Managements jeweils in extenso vorgeführt. So kann auch der Praxisteil des Buches für das Erlernen der ganzheitlichen Management-Methode hilfreich sein. Auf den letzten Seiten des Buches stellen Honegger und Vettinger ein IT-Tool vor, das bei der Erstellung der zum Teil hochkomplexen Schaubilder des ganzheitlichen Managements hilfreich eingesetzt werden kann. Dies wirkt völlig unaufdringlich und hat keinesfalls den Eindruck einer Verkaufsempfehlung für ein bestimmtes Produkt.

Insgesamt kann das Buch als "nette Lektüre" zum ganzheitlichen Management empfohlen werden. Es ist durch viele erklärende Schaubilder und eine überschaubare Literaturliste mit einem ausführlichen Stichwortverzeichnis gut nutz- und lesbar. Dass das Büchlein innen und auf dem Einband mit Zeichnungen der Stuttgarter Künstlerin Iris Flexer ausgestattet ist, mag man als weiteres nettes Detail ansehen.


Anschrift des Rezensenten

Dr. Rafael Ball
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