Kooperationen von Kultureinrichtungen
1. Die Kooperation von Kultureinrichtungen
2. Gemeinsame Bestrebungen in der Digitalisierung
3. Kulturelles Erbe und Langzeitarchivierung
4. MEDIA.ALP - Ein Netzwerkinstrument für den Alpenraum
von Sigrid Reinitzer, Walter Koch und Gerda Koch
1. Die Kooperation von Kultureinrichtungen
Bibliotheken, Archive und Museen bemühten sich von 1945 bis 1995 ihre Besonderheiten zu betonen und die jeweiligen anderen Einrichtungen auszugrenzen.
Wir kennen Bibliotheken und Büchereien als öffentliche oder private, systematisch angelegte Büchersammlungen. Es bestehen National- und Regionalbibliotheken, Universal-, Spezial- und Fachbibliotheken, Universitäts-, Akademie-, Hochschul-, Fachhochschul- und Schulbibliotheken. Aufgabe der Bibliotheken ist es je nach Schwerpunkt der Bibliothek die erforderlichen Informationsmedien zu sammeln, bereitzustellen, zu vermitteln und für spätere Generationen zu bewahren.
Archive sind Einrichtungen zur systematischen Erfassung, Ordnung, Verwahrung und Erschließung von Schrift-, Bild und Tondokumenten staatlicher Dienststellen, anderer Institutionen oder Einzelpersonen. Es entstanden Staats-, Landes- und Gemeindearchive, Parlaments- und Kirchenarchive, Universitäts- und Hochschularchive, Literatur-, Kunst-, Presse-, Rundfunk- und Filmarchive. Die Archivalien sind die in Archiven aufbewahrten Objekte, die vom Archivar nach bestimmten Richtlinien gesammelt bzw. ausgeschieden, d.h. skartiert werden.
Museen sind Orte gelehrter Beschäftigung, vom Griechischen "museion" - der Musensitz. Seit dem 18. Jahrhundert waren Museen öffentliche Sammlungen von künstlerischen und wissenschaftlichen Gegenständen. Heute sind Museen Kulturinstitute, die Sammlungen von Gemälden, Skulpturen und Kleinkunst, moderner Kunst sowie Kunstgewerbe beinhalten. Museen haben die Aufgabe, an der Erfüllung des öffentlichen Bildungsauftrags auf wissenschaftlicher Grundlage mitzuwirken. Museen sind nicht nur Sammlungen von Kunstgegenständen, sondern sind zu verschiedenen Themenbereichen aufgebaut worden wie Volks- und Völkerkunde, Heeresgeschichte, Naturwissenschaften, Mineralogie oder Literatur. Museen entstehen nicht nur als selbständige Institutionen des Landes oder von Privatpersonen, sondern auch von Universitäten.
Folgende negative Auswirkungen dieser ab- und ausgrenzenden Entwicklung sind festzustellen:
Es entstanden getrennte Ausbildungen für Bibliotheks-, Archiv- und Museumsfachleute.
Jede Gruppe hatte eigene Standesvertretungen bzw. Berufsvereinigungen. Die öffentlichen Büchereien und wissenschaftlichen Bibliotheken haben jeweils eigene Vereinigungen, was vor allem in der unterschiedlichen politischen Zugehörigkeit der Bibliothekstypen begründet lag. Außerdem hatte sich das Dokumentationswesen, das in allen drei Kulturbereichen von Bedeutung ist, getrennt entwickelt, was in einer internationalen aber auch nationalen Tendenz begründet lag.
Doppelarbeiten entstehen dadurch beim elektronischen Katalogisieren, beim Digitalisieren von Kulturobjekten oder beim Archivieren elektronischer Daten.
Es kommt zu einer immer stärkeren Beeinträchtigung der Vernetzung der vorhandenen Informationen zu einem Thema.
Seit der Entwicklung des Internets in den 90er Jahren erkannte man die Nachteile dieser trennenden Sichtweise und es entstanden weltweit Bemühungen um die Kooperation von Bibliotheken, Archiven und Museen (BAM) im regionalen, nationalen und internationalen Bereich.
Als gemeinsame Themen erkannte man:
die Digitalisierung des kulturellen Erbes
die Vernetzung der Online-Kataloge
die Langzeitarchivierung
die umfassende Verfügbarkeit der elektronischen Daten
die Erweiterung des e-Contents auf e-Content-plus.
Die EU-Rahmenprogramme hatten bis zum 3. Rahmenprogramm (1991-1994) ebenfalls jeweils eigene Projekte für Bibliotheken, Archiven und Museen vorgesehen, ab dem 4. Rahmenprogramm (1994-1998) sollten sich die BAM-Einrichtungen gemeinsam um Projekte bewerben und kooperativ zusammenarbeiten. Die Möglichkeit der weltweiten Vernetzung der Kultureinrichtungen, verbunden mit der rasanten technologischen Entwicklung, veränderte die Arbeitsbedingungen für MitarbeiterInnen und BenützerInnen in den BAM-Einrichtungen grundlegend. Gleichzeitig werden die elektronisch gespeicherten Inhalte der Kultureinrichtungen in die übrigen vernetzten Dienstleistungen der Gesellschaft integriert. Tourismus und öffentliche Einrichtungen von Stadt und Land vermitteln allgemein interessante Informationen und Freizeitangebote über das Internet oder auch bereits über die Mobiltelefonie (Handy).
Es entsteht eine neue Wirklichkeit, in der die Kultureinrichtungen mitspielen müssen, wenn sie sich in der Zukunft behaupten wollen. Kultureinrichtungen müssen lernen stetig präsent zu sein, ihre Schätze interessant und weltweit sichtbar bzw. hörbar zu machen. Der wichtigste Rohstoff im 21. Jahrhundert ist Information, die in allgemein notwendiges oder unterhaltsames Wissen umgewandelt werden kann. Das lebensbegleitende Lernen ist zum zentralen Anliegen der Menschen in der Arbeits- und Freizeitwelt geworden und Bildungseinrichtungen müssen darauf reagieren. Daher investieren die Länder in die Vernetzung von Bibliotheken untereinander und mit den anderen Bildungseinrichtungen, um den Zugang zu wissenschaftlichen und technischen Informationen zu fördern.
Ziele sind also die Vernetzung aller BAM-Kultureinrichtungen untereinander und miteinander im lokalen Bereich, wie an Universitäten und Fachhochschulen, in nationalen Bereichen, wie Gemeinden und Ländern und grenzüberschreitend in Regionen wie Alpen-Adria, Donauländer, Tirol mit Ost-, Süd- und Nordtirol oder den Alpenländern.
Um die Vernetzung der BAM-Einrichtungen in Europa zu stärken, wurden verschiedene Initiativen gesetzt. In Deutschland z.B. wurde die EUBAM-Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die als Portal zu europäischen Angelegenheiten für Bibliotheken, Archive und Museen fungiert. Wichtige Aufgaben sind spartenübergreifende Digitalisierungsprojekte zum Kulturerbe, Fragen der Standardisierung und die Organisation von Informationsveranstaltungen. Wichtige Themen sind weiters e-Science, vascoda und Langzeitarchivierung.
e-Science ist das kollaborative Arbeiten im Netz von WissenschafterInnen, wobei Internet und das World Wide Web (WWW) aktiv und passiv genutzt werden. Wesentliche Veränderungen in der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit sind durch die GRID-basierte Technologie zu erwarten. Entwickelt werden hochskalierbare Informationssysteme, wodurch das Information-Lifecycle-Management eine umfassende Verbesserung erfährt, wobei die Speicherkosten aber verringert werden können.
Vascoda ist ein Kooperationsprojekt zum Aufbau eines interdisziplinären Internetportals für Recherchen wissenschaftlicher Informationen in Deutschland. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Das Ziel ist der rasche und einfache Zugang zu den auf verschiedenen Ebenen vorhandenen Informationsangeboten von Bibliotheken, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Datenbanken und aus dem Internet. Alle relevanten Informationen sollen zusammengeführt und den WissenschafterInnen in geeigneter Weise vernetzt angeboten werden. Vascoda stützt sich bei der Gestaltung der Fachportale auf eine arbeitsteilige Zusammenarbeit aller Teilnehmer an diesem Projekt und nutzt auch die Ergebnisse weiterer Projekte der in Deutschland öffentlich geförderten Informationstechnologie.
2. Gemeinsame Bestrebungen in der Digitalisierung
Die europäische Initiative zur Koordination der Digitalisierung des kulturellen Erbes wird von Minerva - eEurope durchgeführt, wobei alle EU-Staaten beteiligt sind. 2003 ist über die Entwicklungen in den einzelnen Ländern ein Progress-Report erschienen.
MINERVA = Ministerial NETWORK for Valorising Activities in Digitisation
Minerva bemüht sich um die Koordinierung von Strategien und Initiativen für die Digitalisierung kultureller und wissenschaftlicher Inhalte auf europäischer und nationaler Ebene. In allen Ländern werden für das Projekt e-Europe Nationale RepräsentantenGruppen (NRGs) eingerichtet.
In der Initiative von Minerva - eEurope wurde die Charta von Parma als nationales Strategiepapier (19.11.2003) entwickelt. Sie umfasst im Kern 10 Punkte für die Erhaltung des kulturellen Erbes:
Vernünftige Verwendung neuer Technologien
Zugänglichkeit
Qualität
Urheberrecht und Privatsphäre
Interoperabilität und Standards
Inventare und Mehrsprachigkeit
Benchmarking
Beziehungen zu europäischen und internationalen Institutionen
Erweiterung und Kooperation
Zukunftsperspektiven.
Am Sektor der Digitalisierung ist Minerva - eEurope von herausragender Bedeutung für europäische Kultureinrichtungen hinsichtlich:
der Erhaltung und Aufwertung des europäischen kollektiven Kulturerbes
der Sicherung der kulturellen Vielfalt
des verbesserten Zugangs der BürgerInnen zu diesem Erbe
der Stärkung von Bildung und Tourismus sowie
der Leistung eines Beitrages zur Entwicklung von neuen digitalen Inhalten und der Service-Industrie.
Minerva - eEurope stellt am Sektor der Digitalisierung auch wesentliche Anforderungen zur Fixierung von Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit:
Harmonisierung mit der Entwicklung in anderen Staaten und innerhalb dieser
Laufende Verbesserung von Kosteneffizienz und Qualität der Digitalisierungsinitiative
Erleichterung des europaweiten Zugangs zu digitalisierten Inhalten
Verbesserung der Koordination innerhalb der europäischen Politik für die Digitalisierung von kulturellen Inhalten
Enge Zusammenarbeit mit den neuen EU-Beitrittsländern.
Die von allen Ländern eingesetzten Nationalen Repräsentanten Gruppen setzen Aktivitäten, die auf folgende Aspekte abzielen:
die Abstimmung zwischen nationalen und regionalen Services zu verbessern
die Adaptierung von erfolgreichen Modellen anderer Länder und Regionen zu fördern
die Entwicklung von kulturellen e-Services, die den Bedürfnissen von Lernenden, TouristInnen und BürgerInnen, als auch der Kultur- und Kreativindustrie entsprechen, voranzutreiben
die Umsetzung von transeuropäischen Kultur- und Wissenschaftsportalen auf Basis verteilter Systeme zu fördern.
Mit der Initiative Minerva - eEurope muss es gelingen auf höchster Ebene zu diskutieren, was digitalisiert werden muss und von wem es durchgeführt werden sollte. Wir müssen festlegen, wofür wir die Verantwortung tragen und auch fixieren, wofür wir nicht zuständig sind. Das kann viel Geld einsparen, das derzeit für eine Vielzahl von kleinen Projekten in allen Ländern ausgegeben wird, die untereinander (zueinander) keine Abstimmung erfahren haben. Natürlich kann nicht nur eine Institution alles durchführen, auch hier muss ein vernetztes System aufgebaut werden, das die oben genannten Kriterien berücksichtigt und transparent alle Partner über neue Entwicklungen informiert.
Richtlinien für Good-Practice Projekte (10 Punkte)
Planung des Projekts: Begründung, erforderliche Arbeitskräfte, begleitende Forschung, Gefahren
Auswahl der Materialien zur Digitalisierung: warum oder warum nicht
Vorbereitung: Auswahl von Hard- und Software
Umgang mit den Originalen: Schutz (Sicherheit, Temperatur, …)
Digitalisierungsprozess: Scanner, digitale Kameras, Software für OCR-Umwandlungen (Optical Character Recogition)
Aufbewahrung der Master-Kopien: File-Formate, Migrationsstrategien
Meta-Daten: Verwendung geeigneter Standards für die jeweiligen Objekte
Publikation: Bilddarstellungen in fixen oder bewegten Bildern, Online-Darstellungen; korrigierbare Textangebote
IPR (Intellectual Property Rights) & Copyright: Berücksichtigung aller urheberrechtlichen Bestimmungen
Management des Digitalisierungsprojekts: Personal-Schulung, Zusammenarbeit mit technischem Personal, Bekanntmachung des Projekts und Zusammenarbeit bei ähnlichen Projekten um beidseits Kosten zu sparen.
Minerva - eEurope führte zum Schwerpunktthema Digitalisierung europaweit Informationsveranstaltungen durch und hatals Grundlage für die Entwicklung von Web-Portalen ein Handbuch herausgegeben:
Handbook for quality in cultural Web sites Improving quality for citizens. Version 1.2 - Draft; 6. Nov. 2003; Ed. by Minerva Working Group 5; Identification of user needs, contents and quality criteria for Cultural Web Applications.
Hier werden den BAM-Einrichtungen besondere Aspekte zugewendet und folgende Forderungen aufgestellt:
Vernetzung der Sachgebiete
homogene Zuordnung zu Sachgebieten und Online-Katalogen
Vielsprachigkeit und Interoperabilität
Urheberrecht und in Planung: Creative Commons Lizenzen
leichte und transparente Anwendung mit Benützerfreundlichkeit
Sicherheit und Nachhaltigkeit.
Als Qualitätsmerkmale für Websites werden einige Merkmale definiert:
Sprachen stellen noch immer die größte Barriere bei der Nutzung des kulturellen Erbes dar
der Umstieg in die gewünschte Sprache muss leicht und eindeutig sein
die Multi-Lingualität muss von Beginn der Entwicklung der Websites eingeplant werden
die Festlegung der Sprachen für die Websites muss neben der eigenen Sprache unter folgenden Aspekten fixiert werden: Nachbarländer, EU-Länder, außereuropäische Länder
welche Teile der Websites werden in mehr als einer Sprache angeboten?
Einbeziehung der Benützer
Verbindung mit anderen Online-Angeboten
Interoperabilität: Nutzung von offenen Systemen unabhängig von der verwendeten Hard- und Software
Langzeitarchivierung (LZA): wie soll sie vorgenommen werden, durch wen, wie lange soll sie erfolgen? Die LZA ist für alle drei BAM-Einrichtungen von hoher Bedeutung, doch gelten unterschiedliche Aspekte. Dabei ist zu beachten, dass es für die LZA eine regionale, nationale und internationale Zusammenarbeit geben muss.
3. Kulturelles Erbe und Langzeitarchivierung
In Deutschland wurde für die Langzeitarchivierung ein Kompetenznetzwerk aufgebaut. Informationen dazu findet man unter folgender URL: http://www.langzeitarchivierung.de das Projekt Nestor (Network Expertise in longterm STOrage of digital resources).
Ziel des Projektes ist die Bündelung von Informationen und Aktivitäten zur Langzeitarchivierung und Langzeitverfügbarkeit digitaler Quellen (digital preservation) für Deutschland in einer dauerhaften Organisationsform sowie die Abstimmung über die Übernahme von Daueraufgaben.
Zu den grundlegenden Aufgaben gehören u.a. die Erarbeitung von Kriterien für vertrauenswürdige digitale Archive, Zertifizierungsverfahren für Archivserver, Auswahlverfahren für die Archivierung digitaler Quellen, Grundsätze für die Langzeitarchivierung sowie die Einbindung der drei BAM-Einrichtungen.
In Österreich fand zur Thematik der Langzeitarchivierung am 9. März 2005 in der Österreichische Nationalbibliothek eine gemeinsame Veranstaltung der Österreichischen UNESCO-Kommission und der Österreichischen Nationalbibliothek statt, bei der eine Resolution verabschiedet wurde: "Langzeitarchivierung im digitalen Zeitalter". Die UNESCO-Charta zur Bewahrung des digitalen Kulturerbes und österreichische Strategien. Die Ergebnisse findet man unter folgender URL: www.onb.ac.at/about/lza/veranstaltungen/unesco/
An der Universität Graz hat die Universitätsleitung diesen internationalen Bemühungen frühzeitig Rechnung getragen. Ab 2004 wurde eine eigene Stelle unter folgendem Titel eingerichtet: "Strategisches Management für Bibliotheken, Museen und Archive im lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Bereich", womit die Bibliotheksdirektorin selbst betraut wurde. Die Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare installierte die BAM-Arbeitsgruppe unter Leitung des Präsidenten und der Mitarbeit der Leiterin des strategischen Managements der BAM-Einrichtungen an der Universität Graz. Dieser Arbeitsgruppe gehören 15 VertreterInnen aller drei BAM-Einrichtungen und ihrer Berufsvereinigungen an.
Die Universität Graz bemüht sich auch um eine enge Zusammenarbeit mit den Kultureinrichtungen von Stadt und Land und verabschiedete einen "Letter of Intent", der die Zusammenarbeit im Bereich Museologie und Kulturmanagement zwischen der Karl-Franzens-Universität Graz und dem Steiermärkischem Landesmuseum Joanneum intensivieren soll. Ziel ist die Schaffung einer Schnittstelle von Wissenschaft, Forschung, Lehre und Weiterbildung zur Museumspraxis.
Außerdem werden an der Universitätsbibliothek-Graz seit 1992 in Kooperation mit nationalen und internationalen Einrichtungen Digitalisierungsprogramme bzw. best-practice Studien durchgeführt. Involviert sind hierbei zwei Abteilungen, die Abteilung für Sondersammlungen mit ihren mittelalterliche Handschriften und Inkunabeln und die Abteilung für Internationale Projekte. Informationen über beide Einrichtungen und ihre Projekte findet man unter folgenden URLs:
http://ub.uni-graz.at/sosa/digitalisierung.html
http://ub.uni-graz.at/a_bis_z/int_projekte.php
Dem Beschreiten neuer Wege zu vernetzten Kooperationen zwischen Bibliotheken, Museen und Archiven wird national und international eine immer stärkere Bedeutung beigemessen.
Einem weiteren Aspekt der Zusammenarbeit, der Kooperation zwischen Kultur, Medien und Tourismus, widmet sich das EU-Projekt Media.Alp.
4. MEDIA.ALP - Ein Netzwerkinstrument für den Alpenraum
Media.Alp ist ein Zwei-Jahres Umsetzungs-Projekt der Europäischen Gemeinschaftsinitiative INTERREG IIIB - ALPINE SPACE (Initiative zur Stärkung der Vernetzung, Kommunikation und Wirtschaftskraft alpiner Regionen). Am Projekt sind neun EU-Partner aus Italien, Österreich und Frankreich und zwei Partner aus der Schweiz beteiligt.
Das Hauptanliegen von Media.Alp ist es, den Austausch von digitalen Inhalten und Informationen für Einrichtungen und Privatpersonen im Alpenraum zu erleichtern.
Die technische Lösung wird eine Netzwerkstruktur für Kultur-Medien-Tourismus unterstützen und die Informationen und Daten über kulturelle Ereignisse und Bestände im Alpenraum sammeln, bündeln und verwalten. Ein gemeinsamer Datenverbund für die Bereiche Kunst, Kultur, Medien und Tourismus soll entstehen.
Für den Endbenutzer sollen Internet Portale den Zugang zur gebündelten Information bieten. Das Sammeln und Verteilen der Information wird automationsunterstützt erfolgen, eine Abrechnung und Verrechnung von Produkten über eShop-Lösungen kann jedoch direkt mit dem einzelnen Anbieter abgewickelt werden. Die Zielgruppe für das Media.Alp Angebot umfasst Privatpersonen und Experten, Einrichtungen des Kultur-, Tourismus- und öffentlichen Sektors, sowie die Medienbetriebe der Regionen.
4.1 Die Kooperationsplattform
Die Kontrolle der Qualität der Inhalte im Portal wird von der Media.Alp Medienagentur durchgeführt. Diese stellt sicher, dass die über das Portal verbreiteten Inhalte einen Bezug zu den Themenbereichen von Media.Alp aufweisen (Kultur-Alpen-Wirtschaft-Tourismus) und koordiniert die Erzeugung der Media.Alp-eigenen Produktionen und die Umsetzung der Mehrsprachigkeit im Portal.
Die regionalen Kooperationspartner liefern Inhalte und Beiträge, sie bieten aber auch zusätzliche Dienstleistungen an, wie z.B. die Errichtung von Datenbanken, Beratung in der Aufbereitung der Daten und das Anbot von redaktionellen Diensten und Kommunikationsdiensten für regionale Kunden.
Den Datenfluss und Ablauf der Bearbeitung von Information im Media.Alp Netzwerk verdeutlicht die nachfolgende Skizze.
Die Dokumentationsarbeit von Media.Alp konzentriert sich auf die Suche, das Management und die Verbreitung von Informationen und Daten. Die Bündelung/Sammlung der heterogenen Daten und deren Vermittlung und Verwertung über eine einheitliche Plattform soll besonders für regionale Kulturschaffende, Medien und Einrichtungen eine wertvolle Unterstützung bieten. [DATEN sind z.B. Katalogdaten, Internetinformationen, News, Events, Produktinfos etc...]
4.2 Die Kommunikationsplattform
In den einzelnen Alpenregionen werden bei Bedarf regionale Media.Alp Portale errichtet, deren Informationsangebot aber auch im zentralen Portal gebündelt zur Verfügung steht. In den Regionalportalen ist die Recherche stark auf die Bedürfnisse der Benutzer der jeweiligen Region abgestimmt. Informationen können bezogen auf thematische und/oder geografische Kriterien, oder auf den Medientyp (Audio, Video, Text ...) gesucht werden.
In den Portalen wird es unterschiedliche Zugänge einerseits für die breite Öffentlichkeit, andererseits für Fachexperten geben. Allgemein zugänglich werden ein zentraler Veranstaltungskalender, ein Verzeichnis kultureller Institutionen im Alpenraum, eine Verzeichnis von Tourismusinformation und die Media.Alp eigenen Multimedia-Produktionen sein. Die kulturelle Information wird in vier Bereiche gegliedert: Theater und Tanz, Musik, Bildende Kunst und Film, und kulturelles Erbe und Architektur.
Für Fachleute und registrierte Nutzer ist im Portal ein passwort-geschützter Bereich eingerichtet. Hier können ausgewählte Produktkataloge (mit hochqualitativen Multimedia Inhalten) eingesehen und wirtschaftliche Kooperationen initiiert werden - ein spezialisierten Marktplatz für Multimedia-Anbieter wird angeboten.
Die Nutzung der Media.Alp Nachrichten-Services kann im Push und Pull Modus erfolgen. Bei den Push Services erhält der Nutzer per E-Mail oder SMS Nachrichten und Information entsprechend seinem gewählten Interessensprofil. Die Pull Services ermöglichen z.B. eine Suchanfrage für bestimmte Veranstaltungen in einer Region, das Ergebnis erhält der Nutzer dann ebenfalls per SMS oder E-Mail. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Push und Pull Services stehen dem registrierten Mitglied Möglichkeiten zur Informationsverbreitung (über periodische Angebote wie z.B. RSS, Newsletter, Publizieren von Neuigkeiten im Portal, Foren etc.) zur Verfügung.
Ein erster Prototyp des Portals ist seit Frühjahr 2005 für die Pilotphase verfügbar.
4.3 Technische Umsetzung
4.3.1 Das gemeinsame Datenarchiv
Die technische Plattform besteht im Wesentlichen aus vier Einzelkomponenten: dem Metadaten-Archiv, einem Brokering System, einem Content Management System und dem Media.Alp Portal.
Da Media.Alp in Ergänzung zu den bestehenden Datenbanken/Katalogen der eingebundenen Organisationen einen zentralen Zugangspunkt errichtet, werden im Portal selbst nicht die Originaldaten, sondern die Beschreibungsdaten, Metadaten, zu den Informationen in einem Metadaten-Archiv gespeichert. Lediglich "low quality" Produkte (Produkte geringerer Qualität), das sind kurze Vorschauen (z.B. thumbnails, Hörbeispiele, Videoausschnitte) auf das Originalprodukt sollen in die zentrale Datenbank miteingebunden werden. Dies ermöglicht eine rasche und unkomplizierte Suche quer über den gesamten Bestand, den virtuellen Media.Alp Katalog. Will der Benutzer die Ergebnisse seiner Suche dann im Originalformat betrachten, herunterladen oder bestellen, so gelangt er automatisch zur Datenbank des jeweiligen Anbieters.
Die einheitliche Suche im vorhandenen Datenbestand erfordert im Gegenzug eine einheitliche Klassifizierung/Beschreibung der Daten. Für die Beschreibung der Metadaten wird daher das Dublin Core Schema herangezogen. Dieser Standard umfasst unabhängig vom Datentyp die wichtigsten Beschreibungskriterien (Metadaten) wie Titel, Urheber, Schlagwort, Beschreibung, Herausgeber, Datentyp, Format, Herstellungsdatum, Beitragende, eindeutige Identifikationsnummer, Quelle, Sprache, verbundene Dokumente, Raum- und Zeitangaben und Rechte.
Die Metadateninformationen, sowie die low quality Produkte werden von den einzelnen Beitragenden selbst in den zentralen Katalog eingebunden. Dies kann automatisch in periodischen Abständen, oder manuell je nach Bedarf erfolgen.
Die Daten werden in das back-office system von Media.Alp eingespielt, und von dort entweder direkt oder nach erfolgter Qualitätskontrolle durch die Media.Alp Agency in das front system (Portal) übernommen. Die Übernahme erfolgte technisch durch den sogenannten Metadaten-Harvester (eine "Erntemaschine" für frei gestellte Dateninformationen).
Für die automatische Übernahme der Daten in das Portal ist es notwendig, eine technische Schnittstelle bei der anbietenden Institution zu konfigurieren. Umgesetzt wird dies mit der Implementierung des Open Archives Initiative Protokolls für Metadaten Harvesting (OAI-PMH). Die Vorteile des Austauschprotokolls sind vor allem seine internationale Ausrichtung, die einfache Implementierbarkeit und die Verwendung gängiger Webstandards, wie XML und Dublin Core. Bei der Abwicklung des Protokolls werden zwei Funktionsbereiche benötigt. Zum einen ist das der sogenannte Datenprovider, auf der Seite der Daten anbietenden Institution und der Serviceprovider auf der Seite eines zentralen Knotens, der die übergreifende Suche ermöglicht. Die Metadaten der Datenprovider werden vom Serviceprovider gesammelt (Metadata-Harvesting) und abgespeichert. Regelmäßige Updates und ein durchdachtes System zur Prüfung geänderter Datensätze beim "Einsammeln" verhindern Redundanzen und veraltete Informationen.
Mit der Datenübernahme einher gehen muss selbstverständlich auch eine klare Regelung der Rechte und Befugnisse zur Verbreitung der Inhalte.
In einem nächsten Schritt ist daran angedacht an die Suche der im Portal verfügbaren Metadaten ein Brokering System, mit Bestellmöglichkeit der einzelnen Produkte, anzuschließen.
4.3.2 Nachrichten und Informationsdienste
Die Neuigkeiten, News, werden über das RSS Newsservice in das Portal eingebunden. RSS bietet die Möglichkeit mehrere Informationsströme im Portal zusammenzuführen. Media.Alp unterstützt die Versionen 0.9, 1.0 und 2.0 von RSS. Die Abkürzung RSS bedeutet "Really Simple Syndication" - V2.0, oder RichSite Summary (RSS 0.9) und RDF Site Summary (RSS 1.0). Dieses Syndizierungs-Format ist plattform-unabhängig und basiert auf XML. Es hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt und wird von zahlreichen Medien-Webseiten eingesetzt. Man verwendet das Format um Meldungen oder Kurzbeschreibungen zu speichern und bereitzustellen. Der RSS-Newsfeed besteht aus einer XML-Datei, die ausschließlich den Inhalt bereit hält. Diese Inhalte werden vom Media.Alp Portal automatisch heruntergeladen und geordnet angezeigt. Mit anderen Worten bietet der RSS-Newsservice die Möglichkeit, an einer zentralen Stelle (hier: das Media.Alp Portal) aktuelle Neuigkeiten und Nachrichten der eingebundenen Nachrichtenlieferanten, sortiert und archiviert, abzurufen. Will man Details zu den einzelnen Nachrichten lesen, so gelangt man in einem weiteren Schritt automatisch zu den jeweils publizierenden Webseiten. Umgekehrt man auch für eigene Nachrichten einen RSS-Feed erstellen, der dann aktuelle Änderungen an das zentrale Portal weiterleitet.
Eine andere technische Funktionalität, die das Angebot an maßgeschneiderter Information durch Media.Alp abrundet, ist ein eigener Media.Alp "Web Crawler" (oder "spider"), der eine Auswahl an vordefinierten Webseiten überprüft, indexiert und suchbar macht. Webcrawler an sich sind automatisch ablaufende Computerprogramme die vor allem von Suchmaschinen (z.B. Alta Vista, Google) eingesetzt werden. Der bedeutende Unterschied des Media.Alp Crawlers zu jenen der bekannten Suchmaschinen ist jedoch, dass dieser Crawler spezialisiert ist, das heißt ausschließlich interessante und wesentliche Webseiten für den Alpenraum in den Bereichen Kultur, Medien und Touristik indexiert. Der Inhalt dieser Seiten wird ausgewertet und gespeichert und die gesammelten Daten können später zentral über das Media.Alp Portal gesucht werden. Inhalte, die nur über Suchmasken oder zugangsbeschränkte Portale erreichbar sind, werden vom Crawler allerdings nicht gefunden.
4.4 Media.Alp Services in Österreich
Die Spezialisierung des österreichischen Partners im Media.Alp Projekt, der AIT Angewandten Informationstechnik in Graz, liegt in den Bereichen der elektronischen Aufbereitung von Daten und deren Einbindung in virtuelle Kataloge. Das Unternehmen war bereits in einigen EU-Forschungsprojekten für die Bereiche kulturelles Erbe und IT-Infrastruktur erfolgreich tätig. (Projektbeispiele finden sich auf: http://www.ait.co.at/projekte.html). Für Media.Alp ist es geplant; die Produktdaten aus dem virtuellen Katalog später in einen eigenen eShop einzubinden und über das zentrale Portal zum Verkauf anzubieten. Das von AIT entwickelte regionale Österreich-Portal wird neben den zentralen Media.Alp Services auch nationale und transnationale Marketingservices für kleine und mittlere (Kultur-) Organisationen anbieten. So sind in diesem Regionalportal Werkzeuge zum Publizieren von Neuigkeiten und Links, zum Erstellen eines eigenen Forums, zum Generieren eines Newsletters und von Nachrichten und eine Dokumentenplattform für einzelne Benutzergruppen vorhanden.
Das Media.Alp Projekt will neue, interessante Kooperationsmöglichkeiten für kulturelle Einrichtungen aufzeigen. Hier sieht sich das Projekt am Beginn eines Prozesses der Öffnung, nicht nur hinweg über geographische Grenzen, sondern vor allem hin zu neuen Partnern im Medien-, Wirtschafts- und Tourismusbereich. Interessierte Einrichtungen sind gerne eingeladen, Kontakt aufzunehmen und sich am Netzwerk und weiteren Folgeprojekten zu beteiligen.
Media.Alp
Ein Projekt im Rahmen der EU-Initiative Interreg IIIB (Alpine Space)
Projektkoordinator:
Presidenza del Consiglio dei Ministri, Dipartimento per
gli Affari Regionali - Abteilung für regionale
Angelegenheiten des Ministerrat Italiens (I, Rom)
Medienpartner:
Radio Televisione Svizzera di Lingua Italiana (CH, Lugano)
Ansprechpartner für Österreich/Deutschland:
AIT Angewandte Informationstechnik Forschungsgesellschaft mbH (A, Graz)
Zu den Autoren
Hofrätin Dr. phil. Sigrid Reinitzer
Strategisches Management für Bibliotheken, Archive und Museen
an der Universitätsbibliothek der Karl-Franzens-Universität Graz
Universitätsplatz 3
A-8010 Graz
E-Mail: sigrid.reinitzer@uni-graz.at
Ao. Univ. Prof. Dr. Walter Koch
Steinbeis Transferzentrum IMCHI
Informationsmanagement und Kulturerbe-Informatik
Klosterwiesgasse 32
A-8010 Graz
E-Mail: office@imchi.org
Mag. Gerda Koch
AIT Angewandte Informationstechnik Forschungsgesellschaft mbH
Klosterwiesgasse 32/1
A-8010 Graz
E-Mail: kochg@ait.co.at