Online Educa Berlin 2006: Trends in der eLearning-Branche
Das Hotel InterContinental in Berlin war vom 28. November bis 1. Dezember 2006 Tagungsort der Spezialisten für IT-gestütztes Lernen. 2048 Teilnehmer aus 92 Ländern kamen hier zur weltweit größten E-Learning-Konferenz zusammen, die unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der EU-Generaldirektion Informationsgesellschaft und Medien stand. Auf der Online Educa Berlin dreht sich alles um E-Learning in der Aus- und Weiterbildung. Dominierende Themen der Veranstaltung waren der Einsatz von Web 2.0 im Aus- und Weiterbildungsbereich, informelles Lernen, Lernspiele und Simulationen, E-Learning für informationelles und lebenslanges Lernen sowie der Einsatz neuer Lerntechnologien in verschiedenen Branchen, wie zum Beispiel in der Medizin und in der Automobilindustrie. Besondere Berücksichtigung fand auch das Thema Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in Schulen, Universitäten und anderen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen.
Neben etwa 300 Vorträgen, Workshops und Seminaren zeigten etwa 120 Aussteller aus 25 Ländern, was die Branche zu bieten hat. Sehr stark vertreten waren Anbieter aus den skandinavischen Ländern. In erster Linie richtet sich die Online Educa Berlin an Bildungsverantwortliche im akademischen Bereich, in Unternehmen sowie in Regierungen, Verwaltungen und öffentlichen Institutionen. Für den BID-Bereich relevante Vorträge wurden in den folgenden Sektionen angeboten:
Die folgende kleine Auswahl unter den 125 Ausstellern kann das breite Spektrum, das durch das Thema E-Learning abgedeckt werden kann, nur andeuten.
BLA - Großbritannien
Die British Learning Association (http://www.british-learning.com) versteht sich als unabhängiges Kompetenzzentrum in Sachen Learning & Development; Quality & Best Practice; eLearning Solutions; blended Learning Solutions; Education & Training; www.british-learning.org.uk/info/llguides.htm; Distance Learning. Die BLA veröffentlicht Best-Practice-Beispiele, identifiziert Trends und führt Schulungen durch. Zu den Mitgliedern der Networking-Organisation gehören, wie BLA-Direktor Mike Long berichtete, unter anderem Unternehmen, (Hoch-)Schulen und öffentliche Bibliotheken.
t:m - Berlin
Der 1994 gegründete Berliner Verlag Technik + Medien entwickelt multimediale Lernprogramme und Informationssysteme für die berufliche Aus- und Weiterbildung. Neben CBT- oder WBT1-Anwendungen gehören auch Schulungsangebote zum Verlagsprogramm. Auf dem Gemeinschaftsstand mit der Fachhochschule für Wirtschaft und Technik (FHTW) präsentierte t:m unter anderem ein E-Learning-Modul zur Werkstoffprüfung für die FHTW.
D.I.T.T. - Belgien
Beeindruckend das Engagement des Ehepaars Dziallas, deren D.I.T.T.-Stand stets gut besucht war. Unter dem Motto "Das Geheimnis der verlorenen Buchstaben" präsentierte die belgische Nonprofit-Organisation Dyslexia International - Tools and Technologies (D.I.T.T.) Lösungen zum Thema Dyslexia, besser bekannt unter dem Namen Legasthenie. Dyslexia wird häufig verschwiegen. Nur wenige Prominente bekennen sich dazu. Berühmte Beispiele, so Rolf Dziallas, seien Ferdinand Piëch (VW-Aufsichtsrat) oder Fernsehpfarrer Jürgen Fliege. Das ehrenamtlich arbeitende D.I.T.T.-Team setzt sich aus Eltern von legasthenen Kindern, Profis und Experten zusammen. "Das Geheimnis der verlorenen Buchstaben" wurde von der BBC mit der Absicht entwickelt, auf die Probleme legasthener Schüler aufmerksam zu machen und darauf hinzuweisen, wie Computer, Internet und moderne Technologien das Leben dieser jungen Menschen positiv beeinflussen kann. Die animierte interaktive Lernsoftware, bei der die Belgischen Comic-Figuren Tim und Struppie eine wichtige Rolle spielen, hilft bei der Entdeckung des eigenen Lernstils. Die Handlung spielt in den vier Räumen: Einganghalle, Ehrenhalle (Interviews mit erfolgreichen legasthenen Menschen), Spiegelsaal (auf spielerische Weise sind hier persönliche Fragen zu beantworten) und das "gefährliche Kellerverlies" (wo die Benutzer ihr persönliches Feedback auf die Antworten erhalten). Am Schluss landen die Benutzer auf dem Turm der Sieger (der logische Höhepunkt des Spiels mit Animationen und das letzte Suchspiel, um nun auch die positiven Seiten des eigenen Verhaltens zu erkennen). Die Website www.ToSuccess.org informiert über die neusten Forschungsergebnisse und Hilfsmittel für legastehene Schüler. CD und www.ToSuccess.org sind in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar.
Fronter - Norwegen
Großen Aufwand an Personal und Fläche betrieb Fronter, der norwegische Anbieter von Online e-Learning Management Solutions, was auch häufig als Virtual Learning Environments (VLS) oder Learning Management Systems (LMS) bezeichnet wird. Fronter versteht sich mit seiner Open Source Learning Platform and Personal Learning Environment (PLE) als Provider für den gesamten europäischen Bildungssektor. Fronter setzt rund 90 einfach zu bedienende Web-Tools ein, die durch eine Referenzgruppe sorgfältig ausgewählt wurden. Mehr als 1000 Bildungseinrichtungen nutzen diese Plattform, darunter (Hoch-)Schulen, Organisationen, Behörden. Fronters Motto lautet: Knowledge through Collaboration by offering a state of the art web based and multilingual VLE where students and learners alike can benefit from collaboration and learning. Die Stellung Fronters in der europäischen E-Learning-Branche wird durch zahlreiche Preise dokumentiert, darunter den CEBIT Innovation Prize European Seal of Excellence in Multimedia in Gold (2004 und 2006), dessen Vergabekriterien unter anderem Innovation, Leistung, Usability und gesellschaftlicher Nutzen sind. Im Dezember 2006 erhielt das Unternehmen auch die Becta2 Learning Platform Service Accreditation.
Plagiat.pl - Polen
Mit dem Service Strikeplagiarism.com des Warschauer Unternehmens Plagiat.pl steht eine Plattform zur Aufdeckung von Verstößen gegen das Geistige Eigentum zur Verfügung. Marciej Ptaszynski bringt die Gründungsidee so auf den Punkt: "Die Copy-and-Paste-Kultur bereitet insbesondere da Probleme, wo es um die Bewertung von Eigenleistung geht, also vor allem in Bildungssektor." Plagiat.pl wurde 2002 von Absolventen der Fakultäten Informatik, Mathematik, Mechanik an der Warschauer Universität gegründet. Inzwischen gehören 42 polnische Hochschulen zum Netzwerk, verschiedene Regierungsstellen und Verlage, aber auch private Personen werden im Kampf gegen alle Formen der geistigen Piraterie unterstützt. So geben beispielsweise die Hochschulen alle dort angefertigten Haus-, Bachelor- und Masterarbeit in eine gemeinsame Datenbank ein. Bei einem Verdacht werden die betreffenden Stellen mit der Datenbank und zusätzlich mit dem Internet verglichen. So besteht beispielsweise an der Maria Curie-Sklodowska-Universität in Lublin die Pflicht, wie Marciej Ptaszynski berichtet, alle Diplom- und Magisterarbeiten vor ihrer Verteidigung mittels des Antiplagiat-Programms überprüfen zu lassen. Bisher funktioniert das System nur in der jeweiligen Sprache. Marciej Ptaszynski sucht Kooperationspartner in Deutschland, um ein deutschsprachiges Netzwerk aufzubauen. (www.plagiat.pl)3
VOX/NADE - Norwegen
Auf dem Gemeinschaftsstand eNorway versammelten sich eine Reihe von Bildungsdienstleistern. Im Doppelpack präsentierte sich VOX, National Institute for Adult Learning, und NADE, Norwegian Association for Distance and Flexible Education. VOX ist eine Agentur des norwegischen Ministeriums für Bildung- und Forschung. In Auftrag des Ministeriums fördert VOX mit rund 100 Mitarbeitern (Stand: Januar 2007) die Vermittlung von Basiskompetenzen für Erwachsene. Læring for arbeitslivet (Lernen für das Arbeitsleben) ist das Motto von VOX. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf die Verbesserung der Kenntnisse und Fähigkeiten in den vier Feldern Lesen, Schreiben, Rechnen sowie Informations- und Kommunikationstechnik bei Erwachsenen. Mit der digitalen Kompetenztreppe (digital competence staircase) definiert Vox die Rahmenbedingungen für verschiedene Kompetenzniveaus. Darüber hinaus gab es auf den Stand noch Information zu eCitizenship, zum nationalen Programm für Grundfähigkeiten am Arbeitsplatz oder InterAct, ein internationales Lernmodell zum Einüben von Grundfähigkeiten am Arbeitsplatz.
Der 1968 gegründet Verband NADE vernetzt Einrichtungen für E-Learning und Fernbildung. Mitglieder sind unabhängige Institutionen für E-Learning und Fernbildung wie Hochschulen oder private Trainingszentren für Industrie und Wirtschaft. NADE berät und arbeitet eng mit dem norwegischen Ministerium für Bildung- und Forschung in Sachen Distance Learning zusammen. Ein Auftrag von VOX/NADE besteht in der Vermittlung von Basisfähigkeiten für Erwachsene.
eTwinning (Europäische Kommission)
eTwinning steht für eine Initiative der Europäischen Kommission zur Förderung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mittels Informations- und Kommunikationstechnik zwischen Schulen der EU-Mitgliedsstaaten, aber mit Schulen in Norwegen, Bulgarien oder Island. Im Mittelpunkt stehen internationale Projekte, die von Schülern durchgeführt und von den Lehrern initiiert und betreut werden. An der 2005 gestarteten Initiative beteiligen sich inzwischen 13.000 Schulen. Ziel ist es, gemeinsam mit Lehrern, Schülern, Rektoren, Lehrerausbildern, Eltern den Aufbau einer gemeinsamen Identität und die Wertschätzung der europäischen Kultur zu fördern. Beispiele Cross the Culture Divide (Deutschland, England, Schweden), E-Journalismus in der Schule (Deutschland, Slowakei) oder Ein virtuelles Buch (Deutschland, Finnland).
IDO UlSTU - Russische Förderation
Die 800 Kilometer südöstlich von Moskau gelegene Staatliche Technische Universität Ulyanovsk (UlSTU) war ebenfalls mit einem Stand vertreten. Besonderes Interesse weckte das vor etwa zehn Jahren gegründete Institut für Fernbildung (IDO). Ausländische Studierende, die beispielsweise am College of Economics and Information Technology ein Fernstudium4 absolvieren, was wahrscheinlich über das IDO erfolgt, erhalten zwei Abschlüsse. Zu den internationalen Partnern gehören untern anderem die Universität Klagenfurt, die Technische Universität Darmstadt und die Universität Göttingen. Neben den online-gestützten Angeboten müssen auch Präsenzphasen absolviert werden. Die Prüfungen können vor Ort als auch via Videokonferenz durchgeführt werden.
Gesamteindruck
Die Online Educa Berlin hat sich im Laufe der Jahre zu einer festen Größe für IT-gestütztes Lernen entwickelt. Sowohl die Konferenz als auch die Ausstellung waren auf höchstem Niveau. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, wird hier bestens bedient. Die nächste Gelegenheit bietet sich vom 28. bis 30. November 2007 in Berlin.
Anmerkung
1. D.h. Computer Based oder Web Based Training
2. Becta - British Educational Communications and Technology Agency
3. Am Gespräch mit Marciej Ptaszynski beteiligte sich auch Doreen N. Ramsperger vom Multimedia Lehr- und Lernzentrum der Humboldt Universität Berlin (www.cms.hu-berlin.de/MLZ; www.hu-berlin.de/Moodle).
4. Bei der Nachrecherche auf der sehr knapp gehaltenen englischen und der ausführlichen russischen Website der UlSTU war das Institut nicht zu finden. Dagegen war das Institut für Fernbildung mit einer umfangreichen Präsentation auf Russisch vertreten.
Zum Autor
Prof. Dr. Wolfgang Ratzek
Hochschule der Medien
FB Information und Kommunikation
Wolframstraße 32
D-70191 Stuttgart
E-Mail: ratzek@hdm-stuttgart.de