Fischer, Natalie:
Kundenorientierte Platzierung der Medien in Öffentlichen Bibliotheken


- Berlin: Logos, 2007. 191 S.
(Berliner Arbeiten zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft; 18)
ISBN 978-3-8325-1501-0

Konrad Umlauf betont im Vorwort dieser am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin 2006 verteidigten Dissertation, dass die Bibliotheks- und Informationswissenschaft methodisch offen ist und immer wieder Ansätze aus anderen Disziplinen anwendet. Er warnt aber davor, „diese heuristisch auf Gegenstände und Fragestellungen der Bibliotheks- und Informationswissenschaft zu übertragen, ohne noch zu reflektieren, ob diese Übertragung der Spezifik ihrer Gegenstände und Fragestellungen gerecht wird.“

Natalie Fischer greift die im Bibliothekswesen unreflektiert geführte Diskussion über kundenorientierte Bestandspräsentation und -platzierung auf und stellt sie durch theoretische Untersuchungen und praktische Erfahrungen erstmals im deutschsprachigen Raum auf eine empirisch gesicherte Grundlage. Sie „analysiert die Gestaltung der Bibliothek und ihren Einfluss auf das kognitive Kundenverhalten“ (S. 66).

Die Publikation besteht aus einem kurzen Vorwort von Konrad Umlauf, einer informativen Einführung in den Stand der Forschung (Kap. 1) und den von der Autorin vorgenommenen theoretischen und praktischen Untersuchungen (Kap. 2-4), einer Schlussbetrachtung (Kap. 5) und einem Anhang (Abkürzungsverzeichnis, Abbildungsverzeichnis, Anlagenverzeichnis mit Anlagen, Literatur- und Quellenverzeichnis).

Im ersten Kapitel „Problemstellung“ werden die Defizite klar beschrieben:

  1. „Eine kundenorientierte Bestandsplatzierung, die das Kriterium der Sucheffizienz erfüllt, ist bis heute nicht in Öffentlichen Bibliotheken verwirklicht worden.“ (S. 3)
  2. „In Öffentlichen Bibliotheken steht der Kontakt zwischen Kunde und Bestand im Vordergrund. Doch existiert im Bibliotheksmarketing kein theoretisches Konzept, das die Bibliotheksgestaltung als eigenständiges Marketing-Instrument definiert und in den Marketing-Mix integriert.“ (S. 5)

Im Anschluss an diese Problemstellung wird im zweiten Kapitel „Präsentation und Platzierung als Entscheidungsbereiche der Bibliotheksgestaltung“ auf die Situation in den Öffentlichen Bibliotheken eingegangen und eine allgemeine Systematik des Instrumentes Bibliotheksraumgestaltung dargelegt. Hier finden sich auch die Definitionen (vgl. S. 19, 44): Unter Präsentation wird sowohl die Innengestaltung (das sind die den Bibliotheksraum betreffenden Gestaltungselemente) als auch die Bestandspräsentation verstanden; zur Platzierung gehören die Platzierungsgruppenbildung (das ist die Gruppenbildung der zusammen zu platzierenden Medien) und die Bestandsplatzierung (das ist die Anordnung der Medien im Raum). Interessanterweise werden wichtige kognitive Aspekte der Bibliotheksgestaltung wie die Unterstützung der Orientierung durch Leit- und Orientierungssysteme einschließlich der Regalbeschriftung sehr oft in Wissenschaftlichen Bibliotheken verwendet, während sich viele Öffentliche Bibliotheken bei der Beschilderung auf die Regalbeschriftung beschränken (S. 14-15).

Das dritte Kapitel ist den theoretischen Grundlagen der kundenorientierten Bestandsplatzierung vorbehalten. Da im Mittelpunkt der Arbeit die Gestaltung der Bibliothek und ihr Einfluss auf das kognitive Kundenverhalten stehen, beschäftigt sich dieses Kapitel sehr ausführlich mit kognitiven Prozessen, kognitiven Karten und kognitiven Kategorien. Auf diesen theoretischen Grundlagen aufbauend, analysiert das vierte Kapitel empirisch die optimale Bestandsplatzierung am Beispiel der Stadtbibliothek Siegen und der Stadtbücherei Düsseldorf. In der ersten Analyse wurden von Bibliotheksbenutzern die kognitiven Lagepläne erhoben und die Art ihrer Mediensuche erfragt. „In der zweiten Analyse wurden durch die Untersuchung der kognitiven Kategorien kundenorientierte Gliederungsprinzipien für die Dauerplatzierung festgestellt und eine kundenorientierte Platzierung der Wissensbereiche der Bibliothek abgeleitet“ (S. 93). Auf der Basis dieser Ergebnisse wurde ein Vorschlag einer neuen Platzierung ausgearbeitet.

Das fünfte Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen und gibt einen Ausblick auf weiteren Forschungsbedarf. Als Ansatzpunkte für weitere Forschungsaktivitäten nennt die Autorin u.a. Analysen zum Zusammenhang zwischen kognitiver und emotionaler Platzierung, die Nutzung kognitiver Strukturen für die Klassifikationssystematik, die Schaffung unterschiedlicher Platzierungen für unterschiedliche Nutzerstrukturen digitaler Bibliotheken sowie „Möglichkeiten, die Ergebnisse auf andere Gebiete, die Wissensbereiche zur Ordnung nutzen, zu übertragen“ (S. 152) – der Rezensent fügt hinzu: die Untersuchung der kundenorientierten Platzierung in anderen Bibliothekstypen, z.B. in Regionalbibliotheken und Spezialbibliotheken1.

Zwei kleine Anmerkungen:

  1. Am Rande ist zu fragen, ob in einer bibliothekswissenschaftlichen Dissertation Begriffe wie kundenorientiert oder Bibliothekskunde besser durch im Bibliothekswesen gängige Begriffe, in diesem Falle also nutzerorientiert bzw. Bibliotheksbenutzer, ersetzt werden sollten, womit der Titel der Dissertation besser „Nutzerorientierte Platzierung der Medien in Öffentlichen Bibliotheken“ heißen sollte.
  2. Die Autorin hätte noch deutlicher herausarbeiten müssen, dass die kundenorientierte Platzierung der Medien ein wesentlicher Bestandteil des Baus und der Einrichtung von Bibliotheken ist.

Diese fundierte Arbeit ist allen Bibliotheksleitern und -mitarbeitern in Öffentlichen Bibliotheken, die sich mit diesem Thema beschäftigen, sehr zu empfehlen.


Anmerkung

1. Eine frühe Form findet sich in der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg. Vgl.: Schäfer, Hans-Michael: Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg. Berlin, 2003. u.a. S. 220-234.


Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
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