Der Übergang vom Mikrofilmarchiv zum digitalen Archiv: Scannen on demand von Film und Fiche mit MyBib-eDoc® - Zwei Lösungen

von Astrid Großgarten und Christian Holtkamp

Die 2002 gegründete Schwäbisch Hall Facility Management GmbH (SHF) ist der Servicedienstleister für die Bausparkasse Schwäbisch-Hall und die VR Kreditwerk AG, Deutschlands größtem Kreditdienstleister. Die Bausparkasse Schwäbisch Hall ist mit einem Marktanteil von 26,8 % (Stand Ende 2005) die mit Abstand größte Bausparkasse Deutschlands. Per Ende Juni 2006 wurden 6,6 Mio.. Kunden mit insgesamt 7,1 Mio.. Policen betreut. Die Kreditwerk AG betreut 7,8 Mio.. Kreditverträge.

Die vielen Millionen Seiten von Verträgen und Schriftwechsel wurden und werden zentral in der Archiv- und Verfilmungsstelle der SHF erfasst und verwaltet. Laufender Schriftwechsel wurde bis 2003 auf Rollfilm gesichert, Darlehensakten auf Jackets. Ab 2004 wurden Policen und Schriftwechsel nur noch digital erfasst und verwaltet.

Nachfolgend werden zwei Projekte geschildert, die in enger Zusammenarbeit zwischen der Verfilmungsstelle der SHF und ImageWare Components aus Bonn durchgeführt wurden. Ziele waren die Integration des Film-Altarchivs in den nunmehr überwiegend digitalen Workflow und die Migration des Jacket-Archivs in ein digitales Archiv.

Projektphase 1 - Einbindung des Filmarchivs in den digitalen Workflow

Vor der Umstellung des policenbezogenen Schriftverkehrs auf die digitale Ablage- und Sicherungsvariante 2003/2004 kam es im Monat zu Verfilmungszahlen von ca. 0,5 Mio. Datenseiten auf Mikrofiche (ca. 3.000 Stk.) und zu ca. 1,5 Mio. Datenseiten auf 16 mm Rollfilm (ca. 150 Rollen).

Die Anzahl der noch laufenden Verträge, die vor dem Übergang in die digitale Verwaltungsära abgeschlossen wurden, dürfte bei weit mehr als 10 Millionen liegen. Benötigen Verwaltungsmitarbeiter Einsicht in die Vertragsunterlagen und zugehörige Korrespondenz vor dem Jahr 2004, müssen Anfragen nach Mikrofilmrückkopien an das Archiv gestellt werden.

Jahr Anzahl Aufträge Rückkopien Beauftragte Seitenzahl
2000 800-1200 3
2003 500-600 3
2006 200 3
Quelle: SHF, Filmstelle, Zahlen sind Durchschnittswerte

Die Bereitstellung an den anfragenden Sachbearbeiter hatte innerhalb von 24 Stunden zu erfolgen. Mit Eilstatus kommen 10% der Anfragen und sind innerhalb von zwei Stunden zu bearbeiten.

Für die Mikrofilmrückkopien wurden bis 2003 sechs Canon-Mikrofilmscanner eingesetzt. Benutzt wurden diese als Readerprinter, so dass für jeden Rückkopie-Auftrag entsprechende Papierausdrucke erzeugt wurden und per hausinternem Botendienst oder Fax an den anfragenden Sachbearbeiter ausgeliefert wurden.

Diese Vorgehensweise erwies sich mehr und mehr als zu zeit- und kostenintensiv, umweltbelastend (Botengänge, hoher Papier- und Tonerverbrauch) und auch arbeitsorganisatorisch als nicht mehr zeitgemäß, da viele Rückkopien mehrfach angefordert und immer wieder aufs Neue von den Mitarbeitern des Mikrofilmarchivs bearbeitet wurden.

Gesucht wurde nun eine nachhaltige neue Lösung für die Arbeitsabläufe zwischen anfragendem Sachbearbeiter und Archivabteilung. Vor allem sollte die Verbindung der bestehenden Mikrofilmtechnik zu neuen digitalen Techniken hergestellt werden. Kostenstellenzuordnung der Anfragen und Ausschluss von vielfachen Rückkopien derselben Vorgänge waren zentrale Anforderungen.

Für die leistungsfähige technische Infrastruktur musste noch eine ebenso leistungsstarke und zuverlässige Software gefunden werden, die diese internen Arbeitsabläufe als eine Art Warenwirtschaftssystem für das Mikrofilmarchiv verbinden und steuern konnte.

Technische Rahmenbedingungen der SHF Typ/System
5 Mikrofilmscanner für Rollfilm Canon MS800
1 Mikrofilmscanner für Jackets Canon Fileprint 400
HOST mit IMS Datenbanken und Cobol-Programmierung IBM
Arbeitsrechner/-stationen Windows NT
Netzwerkumgebung Novell
E-Mail/Workflowsystem Lotus-Notes
Quelle: SHF, Filmstelle, Status 2006

Lösungsmodell

Das von der ImageWare Components GmbH aus Bonn entworfene Lösungsmodell, fußend auf der Liefer- und Serverlösung MyBib eDoc®, sah folgendermaßen aus:

Für den Sachbearbeiter ändert sich in der Vorgehensweise der Anforderung gegenüber früher nichts. Für seinen Auftrag wird, automatisiert vom Host, eine Anforderungs-E-Mail im xml-Format erstellt. Die E-Mail muss alle notwendigen Datensätze für die zweifelsfreie interne Identifikation von beauftragten Rückkopien und beauftragendem Sachbearbeiter enthalten. Diese E-Mail wird an ein Bestellpostfach geschickt. Dieses wird regelmäßig vom MyBib eDoc®-System gepollt, wobei korrekt ausgefüllte Anforderungen automatisch übernommen werden. In MyBib eDoc®, das ein komplettes Liefersystem und Auftragstracking inkl. Abrechnungsmodulen und Reklamationskomponente bietet, werden nun Aufträge für die Rückkopierstelle erzeugt. Ebenso werden automatisch Deckblätter mit Barcode für jeden Scanauftrag erzeugt. Für die Ansteuerung der Mikrofilmscanner wird nun neu die Capturing Software BCS2® von ImageWare Components eingesetzt.

Die sichtbare Arbeitserleichterung setzt nun bei der Rückkopienerstellung ein. Diese werden nach Anforderung durch einen Sachbearbeiter jetzt nicht mehr ausgedruckt, sondern kommen nach dem Scanvorgang als digitale Images auf einen Web-Server, der zugleich als Imagelager dient. MyBib eDoc® erkennt fertig bearbeitete Aufträge, ändert den entsprechenden Bearbeitungsstatus, liefert automatisch per E-Mail an den Anfrager aus und erzeugt über ein frei konfigurierbares Web-Publisher Modul auf dem MyBib eDoc® Server eine dynamische Website für jeden Auftrag. Mit der Liefer-E-Mail erhalten die Sachbearbeiter einen Link/URL auf den Web-Server. Nach dessen Aufruf können die Images auf der entsprechenden Website eingesehen werden.

Kommt es nun zu Anforderungen nach Rückkopien von Filmen/Bildern, die bereits gescannt wurden, entfällt eine erneute Bearbeitung. Denn vor jeder Auftragserzeugung prüft MyBib eDoc® die eingehenden Anforderungen auf Vorhandensein im Imagelager. Liegen schon Images vor, wird der Auftrag automatisch auf den Status "auslieferbar" gesetzt und der entsprechende Link wird zugestellt.

Über benötigte Server- und Rechnerkapazitäten hat man in der Planungsphase ausführlich gesprochen und entsprechende Hochrechnungen, basierend auf realen Auftragswerten und einer Testreihe, angestellt. Man entschied sich schließlich für bitonale Scans in 200 dpi Auflösung.

Alle Beteiligten sind zufrieden mit der gefundenen Lösung, die von der Auftragserteilung bis zur Inbetriebnahme in neun Monaten umgesetzt wurde. Neben der nun wesentlich schnelleren Auftragserfüllung ist der Verbrauch von Kopierpapier und Toner drastisch gesenkt worden.

Projektphase 2 - Migration des Jacketarchivs in ein digitales Archiv

Microfiche-Scanstation in der Bausparkasse Schwäbisch-Hall

Die erfolgreiche Lösung wurde 2006 erweitert auf die on-demand Kopie von Jackets, deren bisheriges Bearbeitungsverfahren auch genügend Potential zur Ersparnis von Zeit und Material bot.

Pro Tag gehen bei der SHF ca. 600 Anfragen zu Duplikaten von Jackets ein. Das bisherige Anforderungsverfahren unterscheidet sich wesentlich vom Verfahren der Rollfilmrückkopie-Bearbeitung vor Einführung der MyBib eDoc® Lösung. Fordert ein Sachbearbeiter ein Jacket an, wurde bislang ein DIAZO-Fiche (Duplikat; Materialkosten 0,2-0,3 ?) erstellt und an den Sachbearbeiter geliefert. In den abteilungseigenen Lesegeräten wurde der Fiche dann eingesehen. In 5-8 % der Fälle erteilte der Sachbearbeiter danach einen Auftrag an die Mikrofilmstelle zur Kopienerstellung. In vielen Fällen erfolgte mit der Zustellung des Auftragszettels keine Rückgabe des DIAZO-Fiche und so musste dann erneut das Jacket zur Kopieerstellung eines Papierausdrucks gezogen werden. Ein durchschnittlicher Kopierauftrag enthält im Schnitt zehn Seiten zu scannen.

Gegenwärtig läuft in der Kreditwerk AG die Umstellung auf elektronische Akten, verwaltet mit dem System Filenet. Für Kreditwerkanfragen nach Jacketkopien sollen künftig die gesamten Jackets gescannt und in einer elektronischen Akte abgelegt werden, und damit dauerhaft digital gespeichert werden. Durch das Zusammenspiel von MyBib eDoc® und dem Archivsystem wird langfristig ein großer Pool an digitalen Darlehensakten erschaffen, auf den auch langfristig zugegriffen werden kann, ohne physische Darlehensakten mehrfach zu digitalisieren.

Die vorhandenen Abläufe sollten analog zu dem für Rollfilm erprobten Verfahren geändert werden. Die bereits vorhandene technische Infrastruktur der SHF Filmstelle kann voll genutzt werden. Zur Erweiterung wurden vier weitere Kodakscanner mit jeweils einer Microfly3 Fichebühne installiert. MyBib eDoc® musste eine neue Schnittstelle für Filenet erhalten. Mit der Erfahrung aus dem ersten Projekt und der sehr guten Zusammenarbeit mit dem Projektverantwortlichen beim Kunden, Hugo Espaillat, konnte die Erweiterung schnell umgesetzt werden. "Der Erfolg und die Einhaltung des Zeitplans von solchen Projekten hängt maßgeblich vom Engagement der Projektverantwortlichen des Kunden ab", sagt Rolf Rasche, Geschäftsführer von ImageWare Components, aus langjähriger Erfahrung. "Unsere Projektentwickler benötigen unbedingt die Mitarbeit des Kunden durch deren Systemtests und Rückmeldungen, denn sonst läuft unsere Arbeit ins Leere. Denn schließlich kann nur der Kunde entscheiden, ob die erzielten Lösungsschritte auch seiner Vorgabe entsprechen."


Zur Autorin

Astrid Großgarten

PT Verlags GmbH

Co-Autor:

Christian Holtkamp

ImageWare Components GmbH
Am Hofgarten 20
D-53113 Bonn
E-Mail: bookeye@imageware.de
Web: www.bookeye.com