29. März 2024
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In der Ausgabe 2/2024 (März 2024) lesen Sie u.a.:

  • „Need to have”
    statt „nice to have”.
    Die Evolution
    der Daten in der Forschungsliteratur
  • Open-Access-Publikationen: Schlüssel zu höheren Zitationsraten
  • Gen Z und Millennials lieben
    digitale Medien UND Bibliotheken
  • Verliert Google seinen Kompass?
    Durch SEO-Spam werden
    Suchmaschinen zum Bingospiel
  • Die Renaissance des gedruckten Buches: Warum physische Bücher in der digitalen Welt relevant bleiben
  • KI-Halluzinationen: Ein Verwirrspiel
  • Die Technologie-Trends des Jahres 2024
  • KI-Policies und Bibliotheken: Ein globaler Überblick und Handlungsempfehlungen
  • Warum Bücherklauen aus der Mode gekommen ist
u.v.m.
  fachbuchjournal
Ausgabe 6 / 2023

BIOGRAFIEN
Vergessene Frauen werden sichtbar

FOTOGRAFIE
„In Lothars Bücherwelt walten magische Kräfte.“
Glamour Collection, Lothar Schirmer, Katalog einer Sammlung

WISSENSCHAFTSGESCHICHTE
Hingabe an die Sache des Wissens

MUSIK
Klaus Pringsheim aus Tokyo
Ein Wanderer zwischen den Welten

MAKE METAL SMALL AGAIN
20 Jahre Malmzeit

ASTRONOMIE
Sonne, Mond, Sterne

LANDESKUNDE
Vietnam – der aufsteigende Drache

MEDIZIN | FOTOGRAFIE
„Und ja, mein einziger Bezugspunkt
bin ich jetzt selbst“

RECHT
Stiftungsrecht und Steuerrecht I Verfassungsrecht I Medizinrecht I Strafprozessrecht

uvm

Dank französisch-deutsch-amerikanischer Kooperation
kehrt eine mittelalterliche Handschrift nach 77 Jahren nach Berlin zurück

In gemeinsamer Anstrengung gelang es vier Institutionen in Frankreich, Deutschland und den U.S.A., eine mittelalterliche Handschrift wieder dorthin zurückzubringen, von wo aus sie vor 77 Jahren ihren über viele Jahre unbekannten Weg genommen hatte: in die Staatsbibliothek zu Berlin, Unter den Linden. Beteiligt waren die Pariser Société des manuscrits des assureurs français, die Bibliothèque Nationale de France mit Sitz in Paris, die B.H. Breslauer Foundation, New York, und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit der Staatsbibliothek zu Berlin.

Im Jahr 1852 schenkte das Preußische Königshaus die kostbare mittelalterliche französische Handschrift, die sich zuvor im Besitz des Prinzen Heinrich befunden hatte, der damals Königlichen Bibliothek, später Preußische Staatsbibliothek, heute Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. 1941 kam die Handschrift zusammen mit anderen Pretiosen der Bibliothek nach Schlesien ins Schloß Fürstenstein, um vor möglichen Kriegsschäden geschützt zu sein. Jedoch verlor sich dort ihre Spur, die mittelalterliche Handschrift galt jahrzehntelang als verschollen.

Als die Pariser Société des manuscrits des assureurs français, SMAF, im Jahr 1980 eben diese Handschrift erwarb, war deren wahre Herkunft nicht feststellbar, denn schon Jahre zuvor waren Besitzstempel und Signaturen entfernt und der originale Einband durch einen anderen ersetzt worden. Die SMAF hatte, ebenso wie schon im Jahr 1972 ein anderer Käufer, die Handschrift im guten Glauben erworben. Erst 1996 konnte die Provenienz durch Forschungsarbeiten zweifelsfrei als Altbestand der Staatsbibliothek zu Berlin geklärt werden.

Als sich die SMAF entschied, ihre inzwischen zum nationalen Kulturgut Frankreichs erklärte Handschriftensammlung zu verkaufen, wurde diese von der BnF nahezu vollständig erworben, nicht jedoch die Handschrift mit der Berliner Provenienz, die zwischenzeitlich bekannt geworden war. Später bot die SAMF der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz den Rückerwerb der Handschrift an. Kürzlich nun gelang dank der Vermittlung und finanziert durch die B. H. Breslauer Foundation, New York, gegenüber der SMAF ein angemessener finanzieller Ausgleich.

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Executive President Europa Nostra, erklärt, dass „noch mehrere Generationen mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges, der von Deutschland ausging, werden umgehen müssen. In ganz Europa wurden Kulturgüter verlagert, gingen verloren oder wurden nachweislich zerstört, andere unterlagen unrechtmäßigen Aneignungen und vielerlei anderen Umständen. Dabei entstanden auch solche komplexen Rechtslagen, die wie im Fall der mittelalterlichen Handschrift nach einer pragmatischen Lösung verlangen. Ich bin dankbar, dass dies zwischen Paris und Berlin mithilfe unserer amerikanischen Freunde gelungen ist.“

Bertrand de Feydeau, Präsident der Société des manuscrits des assureurs français, Paris, betont, dass „der Rat der SMAF sich mit der Entscheidung, der Staatsbibliothek zu Berlin die Handschrift zu einem Viertel des geschätzten Preises zu überlassen, insbesondere für die deutsch-französische Freundschaft aussprach. Damit würdigte die SMAF auch die enge Kooperation beider Länder, die trotz früherer schmerzhafter Phasen der gemeinsamen Geschichte ein fester Bestandteil der einstigen Gründung und des Gedeihens der Europäischen Union ist.“

Der Präsident der B.H. Breslauer Foundation, New York, Felix de Marez Oyens: "Die spätmittelalterliche Handschrift über ‚das gute Regieren‘ wurde zu jener Zeit von Berlin aus in Sicherheit gebracht, in der kurz zuvor auch die Familie Breslauer gezwungen war, von eben hier zu fliehen und sich ebenfalls in Sicherheit zu bringen, allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Die Folgen solcher Ereignisse werden auch weiterhin den Kunst- und Antiquariatsmarkt verfolgen und beeinflussen. Wir können sicher sein, dass Martin und Berndt Breslauer, die dieser großartigen Berliner Bibliothek aufs Engste verbunden waren und deren Archive hier auf Dauer ihren Platz gefunden haben, es sehr begrüßt hätten, welche entscheidende Rolle ihre Stiftung bei der Rückführung der Handschrift Ms.gall.fol.177 jüngst gespielt hat."

Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, würdigt vor allem „das konstruktive Aufeinander-Zugehen der drei Präsidenten der Société des manuscrits des assureurs français, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wie auch der B. H. Breslauer Foundation, die es gemeinsam schafften, für die ungewöhnliche Problemlage eine einvernehmliche Lösung zu finden.“

Die Handschrift Ms. gall. fol. 177

Die Handschrift aus dem 15. Jahrhundert enthält auf 100 Pergament-Seiten zwei prachtvoll mit drei großen und 18 kleinen Miniaturen ausgemalte „Fürstenspiegel“. Fürstenspiegel sind Texte mahnender und belehrender Art, die für Adlige und ihre Erzieher verfasst wurden, um den künftigen Regenten das Rüstzeug für gutes Regieren und Handeln mitzugeben. Enthalten sind

    a) Ghillebert de Lannoy (1386-1462), ein flämischer Adliger, schrieb zur Erziehung des jungen Karls des Kühnen (1433-1477), des Sohnes des Herzogs von Burgund, einen Fürstenspiegel, die Instruction d’un jeune prince pour se bien gouverner envers Dieu et le monde. Eine überarbeitete Version seines Textes ist in der Berliner Handschrift überliefert.

    b) Auch Olivier de la Marche (1425-1502) war ein Adliger im Burgundischen Dienst, war Page, Sekretär und Gesandter. Sein Chevalier délibéré („Der entschiedene Ritter“) umfasst 2.704 Verse, die er Franz Phoebus (1466-1483), König von Navarra, einem Neffen des französischen Königs Ludwig XI., widmete.

http://www.staatsbibliothek-berlin.de/