OmniCard 2001:
Internationaler Kongress der Chipkartenwelt in Berlin

von Clemens Deider

Es ist schon fast Tradition, dass sich im Januar die Chipkartengemeinde zum OmniCard-Kongress in Berlin zusammenfindet. Diesmal waren es mehr als 500 Teilnehmer, wobei zur Verwunderung von Mathias Fluhr, Veranstalter Firma inTime Berlin, auch Erstteilnehmer den Kongress besuchten. Diesmal stand OmniCard 2001 unter dem Thema "Neue Sicherheitskonzepte und Wertschöpfungsmodelle". Wie auch im vorhergehenden Jahr schuf das Grand Hotel Esplanade in Berlin Tiergarten, ganz in der Nähe des alten wie auch jetzt neuen Diplomatenviertels, den für diese internationale Veranstaltung angemessenen Rahmen. Den Kongressteilnehmern bot sich in den Pausen zwischen den 13 Vortragsblöcken, Foren, ausreichend Zeit, um untereinander Erfahrungen auszutauschen und die Stände von 39 Ausstellern aufzusuchen.

Das Kongressprogramm, von 47 Referenten aus dem In- und Ausland getragen, führte durch die recht breite Palette der Einsatzmöglichkeiten von Chipkarten. An drei Tagen wurde ein umfassender Überblick über den augenblicklichen Stand der Technik und über die Einsatzgebiete der Chipkarte gegeben. Es wurde über aktuelle Projekte und Entwicklungen berichtet, neue Trends aufgezeigt und Problematiken diskutiert. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Kongressveranstaltungen mussten sich die Teilnehmer diesmal nicht zwischen Parallelforen entscheiden, was auch mehr Ruhe und Kontinuität in den Kongressablauf brachte. Boten ausreichend Kaffeepausen genügend Zeit, das aus den vorangegangenen Foren Gehörte zu besprechen, war es doch angenehm, am Tagesende durch interessante Podiumsdiskussionen über aktuelle Themen wie "Die digitale Signatur", "Erfolgsfaktoren für elektronische Geldbörsen" und "Kennen die Lieferanten wirklich ihre Märkte?" noch einmal themengerecht gefesselt zu werden. Den tagesoffiziellen Teil beschloss an den ersten beiden Tagen eine Grundsatzrede einmal von Hans Martin Bury, Bundeskanzleramt Berlin und von Günter Ederer. So wurde deutlich, dass man sich auch auf Bundesebene für das Kongressthema offen zeigt. Günter Ederer wie auf die Veränderung unserer Bevölkerung hin, forderte mehr Eigenverantwortung, mehr Freiheit und soziale Gerechtigkeit, also eine offene, freiheitliche, eigenverantwortliche Gesellschaft, die durch den Einsatz der Chipkarte gefördert werden soll. Das wie blieb weitgehend den Teilnehmern überlassen. Bei sozialer Gerechtigkeit wurde das Beispiel umsiedelnder Sozialempfänger genannt. Freiheit und Verantwortung könnte u.a. die Verfügungsgewalt über den Zugriff auf die eigenen im Kartenchip gespeicherten persönlichen Daten bedeuten.

Die Foren des ersten Tages gingen im Zusammenhang mit der Chipkarte auf die vernetzte Welt, die elektronische Verwaltung, das E-Government und die Anwendungen der Biometrie ein. So bietet die Vernetzung einen der Wege zur Wissensgesellschaft. Informatisierung und Digitalisierung prägen das Büro der Zukunft, das so unabhängiger von Ort, Zeit und Struktur wird. Hier seien die Stichworte Telearbeit, Videokonferenz angeführt, wie sie schon zum Jahresende 1998 von der Bibliothekarischen Auslandsstelle des ehemaligen Deutschen Bibliotheksinstitutes (eDBI) während des internationalen Kongresses "Die medienkompetente Bibliothek in der Informationsgesellschaft" der bibliothekarischen Welt zur Diskussion gestellt wurden.

Innovative Technologien erlauben das Arbeiten "mit wem, wo und wann Du willst". Das hat auch Auswirkungen auf das E-Government, gekennzeichnet u.a. durch das virtuelle Rathaus, durch die digitale Signatur als Datensicherungskomponente. Auf letzte ging Heinrich Aller, Minister des Finanzministeriums Niedersachsen ein. Sicher auch ein Thema für Verwaltungsvorgänge in Bibliotheken. Dieses Forum machte deutlich, dass auch Verwaltungen auf dem Stand der Entwicklung stehen können. Eine der Hauptaufgaben besteht nun für Heinrich Aller darin, den Bürger zu überzeugen, dass es Sinn macht, z.B. die digitale Signatur zu benutzen. Das Projekt Finanzamt 2003 soll dabei helfen. Zur Beantwortung direkter Anfragen steht das Finanzministerium gern zur Verfügung.

Um den Sicherheitsaspekt ging es auch bei dem Thema Biometrie, biometrischer Identifikationssysteme und biometrischer Verifikation, deren Anwendung in der technischen Kombination mit der Chipkarte und aus verbraucherpolitischer Sicht. Zu den Verbrauchern dürften auch die Benutzer von Bibliotheken zählen.

Geschäfte elektronisch über das Internet abzuwickeln (E-Commerce) braucht sichere Zahlungssysteme. 1 Gibt es überhaupt schon sichere Zahlungssysteme und stellt die Chipkarte hierzu eine gangbare Brücke dar? Etwa 50 Zahlungssysteme sind auf dem Markt. Prof. Dr. Rüdiger Grimm von der Technischen Universität Ilmenau testet mit seinen Studenten verschiedene Systeme und bezeichnet diese noch als in der Marktfindungsphase befindlich und ging mit Pro und Contra auf einige von ihnen in seinem Vortrag ein.

Mobile Dienstleistungen werden zunehmend zur Triebfeder des E-Commerce. So wird der Zugang zum Internet in wenigen Jahren in großem Maße von Handys und dann von mobilen Palmtops aus stattfinden. Wobei letzte die Fähigkeit eines PCs und eines Mobiltelefons in sich vereinigen werden. Die neuen technischen Möglichkeiten und Konsequenzen der UTMS-Vermarktung (Universale Telekommunikations Management System) sind dabei zusätzliche Katalysatoren. Also auch ein Markt am Anfang seiner Entwicklung, der sicher die Benutzer der Bibliotheken und so auch diese selbst tangieren dürfte.

Das Thema Transport und Touristik behandelte leider nur belegloses Reisen mit der Chipkarte und den Einsatz der Chipkarte im öffentlichen Nahverkehr. Hier wäre der Einsatz von Chipkarte, Transponder und Internet im Speditionswesen wie auch Güterverkehr ein interessantes Feld gewesen, da davon der "Büchertransportdienst" der Bibliotheken ideenmäßig hätte eventuell profitieren können. Vielleicht auf der OmniCard 2002 ein Thema?

IT-Sicherheit und Kundenbindung bildeten den Abschluss des Kongresses. Der Aspekt Sicherheit wurde hier erstmalig auf einer Veranstaltung von OmniCard angeboten. Er hat in den bisher besprochenen Bereichen große Bedeutung erlangt, die rasch zunehmen wird und damit auch der Wert der Chipkarte. Nicht zu vergessen ist dabei die Sicherheit der Betriebssysteme und der Datenübertragungswege. Denn das Spektrum der Angriffsmöglichkeiten wird größer. So hat am Jahresende 2000 ein städtischer Beamter in einem Berliner Bezirksamt durch Manipulation am Computer innerhalb dreier Monate 250.000 Mark beiseite geschafft. Ein Sprecher des Hamburger "Chaos Computer Clubs" meinte dazu: "Unter UNIX haben Passwörter immer Probleme bereitet". Fazit von Dr. Michael Gehrke: IT-Sicherheitsmanagement, horizontal wie vertikal, ist ein Prozess, kein Status, und so als lebenslange Aufgabe eine unabdingbare Lebensversicherung für Unternehmen, sicher auch für Bibliotheken und da nicht nur für Benutzerdaten.

Wieso ist Kundenbindung so wichtig? Franz Hediger aus der Schweiz führte wachsende Konkurrenz, aggressive Preiskämpfe, sinkende Marchen, sich ändernde rechtliche Voraussetzungen (Rabattgesetz) als einige der Gründe an, die Bedürfnisse des Kunden zu kennen, um ihn bedienen zu können. Dazu muss dessen Vertrauen zu Produkt und Service gewonnen werden. Die Chipkarte soll zeigen, dass das Unternehmen auf der Höhe der Zeit ist. Doch sie allein reicht nicht aus, obwohl ihr Einsatz 20 bis 30 Prozent bei Werbe- und Aktionskosten einsparen kann. Wichtig ist ein Kundenkonzept, ein Programm, um Nutzen für den Kunden als Programmteilnehmer und gleichfalls Nutzen für das Unternehmen zu bringen; also zielgruppenorientiertes Marketing. Verstehen sich Bibliotheken als Dienstleister, nicht nur als Medienausleiher und Literaturvermittler, dürften dies auch für sie diskutierbare Aspekte sein. Dabei ergibt sich die Frage, welche Art von Karte sich etablieren wird. Vor- und Nachteile sind abzuwägen, wie zum Beispiel: Kunde trägt sein Datenprofil selbstverantwortlich bei sich, keine Transaktionssysteme sind erforderlich. Nachteilig wären Terminalkosten, Kompatibilitätsprobleme, fehlende Standards, um nur einige zu nennen.

Auch Peter Schmeer trieb die Frage um, welcher Service bringt den Kunden, welcher bindet ihn. Seine Aussage: eine integrierte E-Payment Plattform mit Customer Relationship Management (CRM) - Komponenten unterstützt ein effizientes Beziehungsmanagement. Er glaubt an Mehrwerte durch E-payments unter Zuhilfenahme der Chipkarte.

So gab OmniCard 2001 einen Einblick, wie sich Chipkartentechnologien verändern, welche neuen Einsatzmöglichkeiten sich auftun und welche Projekte spruchreif sind. Es zeigte sich, wie wichtig und notwendig es ist, die damit zusammenhängenden Probleme der Sicherheit, die damit zusammenhängenden Rechtsfragen, wie auch die Bedürfnisse und Anforderungen der am Geschehen Beteiligten untereinander in Übereinstimmung zu bringen.

OmniCard 2001 hat überzeugend versucht, den neuesten Stand der Entwicklungen aufzuzeigen, was durch eine Fachausstellung erfolgreich unterstützt wurde. Um dies weitergehend fortzusetzen und zu vertiefen, gab Mathias Fluhr von inTIME berlin die Zusammenarbeit mit der Internetfirma XCom bekannt. Mit ihr soll unter einem neu gestaltetem Internetportal - www.omnicard.de - die Chipkartenlobby im Internet besser focussiert werden. Jedem Kongressteilnehmer wurde ferner u.a. eine Kongressdokumentation, die über inTIME berlin zu beziehen ist, wie auch eine Teilnehmerliste ausgehändigt. Letzte kann eine Hilfe für weitere Kontaktaufnahmen sein. Einige der Referate können außerdem in der renommierten Fachzeitschrift Card-Forum von Januar 2001, Heft 1 2 nachgelesen werden.

Diesmal waren nur drei Universitäten unter den Teilnehmern vertreten, Vertreter aus bibliothekarischen Anwendungsgebieten fehlten ganz. Schon am ersten Kongresstag hatte der Minister des Niedersächsischen Finanzministeriums, Heinrich Aller, deutlich darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig es ist, dass aus allen anwendenden Branchen, bei ihm war es die Finanzverwaltung, Fachleute zur Verfügung stehen, um neben Zeit- und Kosteneinsparungen die Synergien der Zusammenarbeit öffentlicher Verwaltungen zu nutzen. Wiederholt bot der Finanzminister die aktive Hilfe seines Ministeriums bei Fragen zum E-Government an. Dabei sollten sich auch Bibliothekare angesprochen fühlen, damit sie aufgrund der länderbezogenen Kulturhoheit, aufgrund der Globalisierung der Aufgaben, aufgrund der internationalen Vernetzung von Kommunikation und Datenverkehr, auch auf diesem Gebiet kompetente Gesprächspartner abgeben können. Es reicht nicht aus, dies nur dem einzelnen versierten Techniker zu überlassen. Es wäre also zu begrüßen, wenn neben etwas mehr universitären Teilnehmern auch Bibliothekare die Gelegenheit auf der nächsten OmniCard 2002 wahrnehmen könnten, sich mit dem Thema Chipkarte und deren Umgebung vertraut zu machen.

Informationen:

InTIME berlin
Mathias Fluhr
Plüschowstraße 5b
D-14167 Berlin
E-Mail: office@intime-berlin.de
www.omnicard.de


Anmerkungen
1. Auf das Internet-Zahlungssystem "net900" wurde in B.I.T.online (2000 H. 1, S. 71) eingegangen.

2. Siehe Card Forum Januar 2000 H. 1, S. 24


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