König Kunde - Einführung des Beschwerdemanagements
in der UB der Helmut-Schmidt-Universität


Abstracts

Einleitung
Universitätsbibliothek der HSU
Projektgestaltung
Konzeptentwicklung
Informationstechnologische Umsetzung
Die Funktionsweise des Ticketsystems
Mitarbeiterakzeptanz und -schulung
Stimulierungs- und Marketingmaßnahmen
Testphase, Einführung und die ersten Ergebnisse
Fazit

von Olga Goihl

Einleitung

„You are not a format. You are a service.”1 Dieser Satz aus dem Blog von Karin Schneider bringt die Veränderungen des letzten Jahrzehntes im bibliothekarischen Bereich genau auf den Punkt. Wörter wie Kunde, Dienstleistung, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung fallen immer öfter auch in Bibliotheken, die Wünsche und Bedürfnisse der Benutzer bestimmen ihre Entwicklungspolitik. So war es auch nur eine Frage der Zeit, dass das Beschwerdemanagement zum festen Bestandteil des bibliothekarischen Alltags wird. Über die Notwendigkeit solch eines Mechanismus wurde schon viel geschrieben2. Allerdings verläuft seine Implementierung in Deutschland sehr unterschiedlich. Während die ersten Bibliotheken schon vor 10 Jahren das Beschwerdemanagement eingeführt haben3, sind die anderen erst in den letzten 2–3 Jahren nachgezogen. Und immer noch gibt es viele Bibliotheken, öffentliche wie auch wissenschaftliche, die den Nutzen der organisierten Handhabung von Kundenfeedback durchaus einsehen, bei sich aber noch kein Beschwerdemanagement aus verschiedenen Gründen (meistens personeller oder finanzieller Natur) eingerichtet haben. Bis vor kurzem gehörte dazu auch die Universitätsbibliothek der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, obwohl konsequente Kundenorientierung hier schon seit Jahren gelebt wird. Im September 2008 wurde aus diesem Grund ein Projekt gestartet, dessen Verlauf und Ergebnisse in diesem Beitrag vorgestellt werden.

Universitätsbibliothek der HSU

Die UB der HSU als wissenschaftliches Informationszentrum dient vorrangig der Forschung und Lehre an der Universität. Darüber hinaus steht sie auch der wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung. Mit ca. 9.400 Benutzern (das Verhältnis der Universitätsangehörigen zu auswärtigen Benutzern beträgt ungefähr 40 zu 60 %) zählt sie eher zu den kleineren Universitätsbibliotheken, ist allerdings mit ca. 745.000 Bänden, 2320 laufenden Print- und 34.000 elektronischen Zeitschriften, ca. 200 fachwissenschaftlichen Datenbanken und einem jährlichen Zugang von 14.500 Medieneinheiten recht gut ausgestattet. Eine wichtige Besonderheit der UB der HSU im Bezug auf das Beschwerdemanagement sind kostenlose Benutzung und fehlende Mahngebühren, welche unter den Beschwerdegründen in anderen Bibliotheken oft einen der ersten Plätze einnehmen. Somit zielt das Beschwerdemanagement der UB der HSU verstärkt auf das Dienstleistungsangebot der Bibliothek ab.

Projektgestaltung

Die aktive Arbeit der abteilungsübergreifend besetzten Projektgruppe fing nach einer Vorbereitungsphase Ende August 2008 an. Die ersten Aufgaben umfassten die Formulierung der Projektziele, die Unterteilung des Arbeitsvolumens in Projektphasen und die Erstellung eines Zeitplans.

Als Ziel des Projekts wurde formuliert:

Die Aufteilung des gesamten Arbeitsumfangs in einzelne Phasen (Konzeptentwicklung, informationstechnologische Umsetzung, Mitarbeiterschulung, Marketingmaßnahmen, Layoutentwicklung und -umsetzung, Testlauf und Einführung) diente viel mehr der organisatorischen Klarheit und der Vereinfachung der Arbeitsteilung, als sie den chronologischen Ablauf des Projekts widerspiegelte. Die zeitliche Planung sah ursprünglich vor, das Beschwerdemanagement Ende September im Echtlauf zu starten. Da aber der Testlauf einigen Korrekturbedarf aufdeckte, wurde die Einführung auf Mitte Oktober 2008 verschoben.

Konzeptentwicklung

Da das Beschwerdemanagement möglichst „nahtlos“ und effizient in das Tagesgeschäft integriert werden sollte, war die Analyse der bestehenden Prozesse und Kommunikationsmöglichkeiten in der Bibliothek im ersten Schritt unabdingbar. Den Bibliotheksbenutzern standen zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung, die in vier Gruppen unterteilt werden können: direkter, telefonischer (Auskunft, Ausleihe, Fernleihe, einzelne Mitarbeiter), elektronischer (Chat- und Mailauskunft, Mailverkehr) und schriftlicher Kontakt (Post, Fax). Aufgrund dieser Analyse wurden die Entscheidungen über geeignete Beschwerdekanäle und Bearbeitungswege getroffen, wobei die Option, für die Beschwerden und Anregungen der Kunden die bestehenden Kommunikationskanäle zu benutzen, ungeeignet erschien. Zum einen hätte in diesem Fall die Gefahr bestanden, dass die Zweckbestimmung der angebotenen Kontaktmöglichkeiten nicht mehr eindeutig zu erkennen wäre (z. B. Auskunft und Beschwerden), was eine Hemmschwelle für die Meinungsäußerung darstellen könnte. Zum anderen wäre eine effektive Arbeitsteilung für die Mitarbeiter nur begrenzt möglich, außerdem gäbe es zusätzliche Schwierigkeiten bei der Sammlung und Auswertung der Beschwerden und Anregungen.

Es wurde beschlossen, neue Kanäle in Anlehnung an bestehende einzurichten, dabei aber verstärkt auf möglichst geringe Hemmschwellen seitens der Kunden bei der Benutzung dieser Kanäle zu achten. Dies setzte voraus, dass die Kunden die Möglichkeit haben sollen, jederzeit, ohne notwendigen Kontakt mit Personal und bei Wunsch auch anonym ihre Meinung zu äußern. Ein weiterer wichtiger Punkt beim Entwurf der Bearbeitungsprozesse war die einfache Beantwortung, Speicherung und Auswertung der Kundenmitteilungen. Zu diesem Zweck schien ein Ticketsystem am besten geeignet. Die Ergebnisse der Konzeptphase sind in der Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1

Ganz gleich, auf welchem Wege die Feedbackmitteilung hereinkommen sollte, sie soll im Ticketsystem und somit in der Datenbank landen. Dort wird sie von den Verantwortlichen einem bestimmten Bereich zugeordnet und entweder gleich beantwortet oder zu diesem Zweck an die zuständigen Mitarbeiter weitergeleitet. Die in der Datenbank gespeicherten Mitteilungen werden in regelmäßigen Abständen ausgewertet und analysiert, um Ansätze zur Verbesserung des Dienstleistungsangebots zu generieren. Um den Stellenwert des Beschwerdemanagements im innerbetrieblichen Ablauf zu unterstreichen, sollte eine Person in Führungsposition die Verteilung der Tickets und somit die Verantwortung für den korrekten Ablauf übernehmen. In der UB der HSU wird diese Aufgabe vom stellvertretenden Bibliotheksdirektor ausgeführt. Die Umsetzung, Betreuung und Bewerbung aller vier Kanäle erschien unzweckmäßig, außerdem sollten die Mitarbeiter im Kundenkontakt mit der Annahme und Bearbeitung von Beschwerden nicht zusätzlich zum Tagesgeschäft belastet werden. Aus diesem Grund wurde der Schwerpunkt auf den schriftlichen und elektronischen Annahmeweg gelegt. Die genaue Ausgestaltung des Eingangsprozesses konnte aber erst nach der Klärung der technischen Fragen vorgenommen werden.

Informationstechnologische Umsetzung

Wie oben erwähnt, war die zentrale Sammlung und Auswertung der Beschwerden eine der Hauptbedingungen für unser Beschwerdemanagement-Konzept. Das gesuchte System sollte die interne Bibliotheksorganisation abbilden können, Unterstützung bei der Bearbeitung und Verwaltung von Feedbackmitteilungen bieten und die statistischen Operationen erleichtern. Als eine kostengünstige, flexible und relativ einfache Lösung hat sich das Open-Source-Produkt Open Request Ticket System (OTRS)4 erwiesen. Seine wichtigsten Vorteile (neben dem Kostenfaktor) sind eine visuelle Admin-Oberfläche, welche die Systemkonfiguration auch ohne Programmierkenntnisse ermöglicht, eine E-Mail-Schnittstelle, zahlreiche Bearbeitungs- und Verwaltungsfunktionen für die Tickets, eine umfangreiche Rechteverwaltung und ein Modul zur Erstellung von Statistiken. Außerdem ist OTRS webbasiert (kann also unabhängig vom Arbeitsplatz genutzt werden) und verfügt über eine recht große Community, die bei Problemen hilfreich sein kann. Als Nachteile können unzureichende Erklärungen der einzelnen Optionen und logische Strukturierung der Admin-Oberfläche genannt werden. Ein Punkt war auch, dass dieses System für Unternehmen mit mehreren Hundert Anfragen täglich entwickelt wurde und somit für die Anwendung in Bibliotheken wie die UB der HSU etwas überdimensioniert ist. In diesem Zusammenhang bestand zusätzlicher Aufwand in der Abschaltung von nicht benötigten Funktionen, der allerdings nicht als wesentlich bezeichnet werden kann.

Nach dem Testen der E-Mail-Schnittstelle des OTRS konnten auch die Eingangswege der Beschwerden endgültig definiert werden. So wurde beschlossen, die Eingaben im elektronischen Formular mittels eines php-Scripts in eine E-Mail umzuwandeln und an die speziell für das Beschwerdemanagement eingerichtete Sammeladresse zu schicken. Auf diese Weise werden die Kundenmitteilungen in einer Inbox auf dem Mailserver gesammelt, das Ticketsystem greift alle 10 Minuten (einstellbarer Wert) darauf zu, holt die Mitteilungen ab und wandelt sie in Tickets um. Beim Anlegen eines neuen Tickets schickt das System eine Benachrichtigung an die zuständigen Mitarbeiter. Dank dieser Funktionalität konnten die Annahmewege endgültig definiert werden (siehe Abb. 2).

Abbildung 2

Der schnellste und einfachste Weg für den Kunden (in der Abbildung blau), seine Meinung zu äußern, ist das elektronische Formular auf der Homepage der Bibliothek5. Seine Eingabefelder wurden so entworfen, dass das Ausfüllen möglichst wenig Zeit und Aufwand kostet. Das einzige Pflichtfeld ist der Inhalt der Mitteilung selbst, alle andere Felder (Betreff, Name, E-Mail-Adresse) sind optional. Der Kunde kann statt der Mailadresse auch seine Telefonnummer oder andere Kontaktdaten eingeben. Die Art der Mitteilung (Kritik, Anregung, Lob), die Zugehörigkeit zur Universität und erwünschte Rückmeldung können mit Hilfe der Radio-Buttons ausgewählt werden. Darüber hinaus enthält das Formular eine Datenschutzerklärung.

Der zweite Beschwerdekanal sieht die Benutzung eines Feedbackzettels vor. Seine Eintragungsfelder wurden an die des E-Formulars angepasst, was die Übertragung der Inhalte in elektronische Form erleichtert. Die Feedbackzettel werden an allen oft frequentierten Plätzen verteilt (Arbeitstische, Katalogarbeitsplätze, Kopierer und Drucker usw.), gesammelt werden sie in vier Feedbackboxen. Die Standorte dieser Boxen wurden so gewählt, dass sie für die Benutzer gut sichtbar, ohne lange Wege erreichbar und nicht im direkten Blickfeld des Bibliothekspersonals sind. Die Boxen werden täglich während des üblichen Rundgangs vor der Öffnung der Bibliothek geleert, die Zettel mit dem Buchtransport in die Verwaltung geschickt und dort zeitnah in das E-Formular eingegeben. Die Hemmschwelle, diese beiden Wege zu benutzen, ist bei den Kunden sehr niedrig. Hierin liegt der große Vorteil gegenüber den direkten Beschwerdekanälen, die dennoch im Konzept berücksichtigt wurden. Letztendlich sollte der Kunde selbst entscheiden, welcher Weg für ihn am besten geeignet ist.

Wenn sich ein Kunde mit seinem Anliegen direkt an das Personal wendet, soll sein Problem nach Möglichkeit vor Ort gelöst werden. Je nach Wichtigkeit des Anliegens und der vorhandenen Zeit (das Tagesgeschäft geht vor), wird das Gespräch vom Mitarbeiter in kurzer Form entweder auf dem Feedbackzettel oder direkt im Formular festgehalten. Besonders wichtig ist es in dem Fall, wenn das Problem nicht sofort gelöst werden kann und die Einschaltung anderer Mitarbeiter erfordert. Beim Anlegen eines Tickets können ihm Kommentare hinzugefügt werden, die z. B. eine Beschreibung der ergriffenen Maßnahmen enthalten. Die Dokumentation des Vorfalls wurde ganz bewusst als eine optionale Handlung definiert (wird in der Abb. 2 als gestrichelte Linien dargestellt), da das primäre Ziel des Beschwerdemanagements nicht die statistische Auswertung, sondern die Zufriedenstellung des Kunden ist. Die Mitarbeiter sollen und können selbst über die Notwendigkeit der Dokumentation entscheiden.

Ein ähnliches Vorgehen wurde für die telefonische Annahme von Kundenfeedback festgelegt. Beim Eingang der Beschwerden oder Anregungen per E-Mail wird sie an die Sammeladresse weitergeleitet und anschließend im Ticketsystem bearbeitet.

Die Funktionsweise des Ticketsystems

Damit die Prozesse innerhalb des Ticketsystems verständlich gemacht werden können, müssen zuerst die zentralen Begriffe Benutzer, Gruppe, Rolle und Queue erklärt werden. Als Benutzer (oder Agent) wird ein „elektronischer“ Mitarbeiter innerhalb der Software bezeichnet. Dieser kann mit den realen Mitarbeitern identisch oder auch fiktiv sein (z. B. Testuser). Benutzer werden bestimmten Gruppen zugeordnet, durch die sie ihre Rechte im Ticketsystem erhalten. Eine Gruppe ist somit eine „Versammlung“ von Benutzern, die im Ticketsystem ähnliche Aufgaben erledigen. Der Gruppe werden Rechte zugewiesen, die ihre Mitglieder befähigen, bestimmte Operationen auszuführen, und sie daran hindern, auf „fremde“ Inhalte zuzugreifen. Die Benutzer können entweder die gesamten Gruppenrechte oder auch nur einen Teil davon erhalten (z. B. nur Lesezugriff), sodass die Rechte einzelner Benutzer innerhalb einer Gruppe unterschiedlich sein können. Eine Rolle erlaubt, bestimmten Benutzern breitere Rechte zu vergeben, ohne ihre Gruppenzugehörigkeit zu verändern. Dies kann für den Fall einer Vertretung hilfreich sein, bringt aber auch zusätzliche Komplexität mit sich. Die UB der HSU entschied sich angesichts ihrer Größe gegen die Rollenverwendung. Eine Queue ist eine Art Warte- oder Bearbeitungsschleife, in der die Tickets landen und auf ihre Bearbeitung warten. In dieser Queue kann das Ticket beantwortet und geschlossen oder auch in eine andere Queue verschoben werden. Die Queues können die Abteilungsstruktur des Betriebs widerspiegeln oder eine thematische Klassifikation darstellen, so dass die Verteilung der Tickets in die entsprechenden Queues eine Kategorisierungsfunktion hat, die für die spätere statistische Auswertung hilfreich ist.

Wie oben beschrieben, holt das System die neuen Mitteilungen vom Mailserver ab und wandelt sie in Tickets um. Für diese neuen Tickets wurde eine Hauptqueue „Warteschleife“ eingerichtet (siehe Abb. 3). Das Rechtekonzept sieht vor, dass auf diese Queue nur ein enger Kreis von Vorgesetzten zugreifen kann (ein Verantwortlicher und seine Vertreter). Der Grund dafür sind mögliche personenbezogene Beschwerden, die nicht betriebsöffentlich diskutiert werden sollen. Außerdem sollte die Sortierung der Tickets in die zugehörigen Queues am besten von einer Person vorgenommen werden, um Überschneidungen und Differenzen zu vermeiden.

Abbildung 3

Beim Anlegen neuer Tickets in der Warteschleife schickt das System per E-Mail eine Benachrichtigung an die entsprechenden Mitarbeiter. Diese Benachrichtigung enthält die Ticketnummer, die ausgeführte Aktion (z. B. „neues Ticket“ oder „Ticket verschoben“), den Betreff und die ersten 10 Zeilen der Mitteilung, einen Vermerk, ob sie beantwortet werden soll (eine entsprechende Angabe wird vom Kunden im Formular gemacht), und den Link zum Ticket. Auf diese Weise kann der Mitarbeiter vom Inhalt der Kundenmitteilung erfahren, ohne im System angemeldet zu sein. Wenn dies erforderlich ist, kann er über den Link ins System gelangen, wo er nach der Anmeldung das Ticket bearbeiten kann. In der Queue „Warteschleife“ wurde die Möglichkeit, ein Ticket zu beantworten, abgeschaltet, damit alle Tickets zuerst in die entsprechenden Queues verschoben und somit kategorisiert werden.

Alle Queues außer der Warteschleife werden bei der UB der HSU als Bearbeitungsschleifen bezeichnet und bilden zum Teil ihre Organisationsstruktur ab. So werden die Tickets nach ihrem Inhalt den Queues „Benutzung“, „Erwerbung/Katalogisierung“, „IT/EDV“, „E-Medien“, „Zeitschriften“ oder „Webteam“ zugeordnet. Darauf haben die Mitarbeiter der entsprechenden Abteilungen Zugriff. Wenn ein Ticket in ihre Queue verschoben wird, bekommen sie darüber automatisch eine Benachrichtigung. Des Weiteren gibt es Queues „Personenbezogenes“ (Zugriff nur für die Vorgesetzten), „Gemischtes“ und „Lob“. Für die beiden letzten Bearbeitungsschleifen haben alle Mitarbeiter lesenden Zugriff, denn die Lobesäußerungen sind eine gute Motivation für das Bibliotheksteam. Die letzte eingerichtete Queue ist „Junk“. Das Ticketsystem erlaubt die Definition von Filtern, die E-Mails nach vorgegebenen Parametern analysieren (wie z. B. bestimmte Mailadressen oder bestimmter Inhalt) und ggf. in diese Queue verschieben. Die Junk-Mails, die trotz der Filter in der Warteschleife landen, können manuell verschoben werden. Zugriff auf diese Queue haben die Administratoren.

Der Mitarbeiter kann ein Ticket verschieben, für eine bestimmte Zeit zur Bearbeitung sperren (d. h. innerhalb dieser Zeit hat nur er Zugriff darauf), ihm eine interne Notiz oder einen Anhang hinzufügen, drucken, schließen (wenn z. B. keine Antwort erwünscht ist) oder beantworten. Das OTRS erlaubt auch die Benutzung von vorformulierten Antwortbausteinen, die je nach der Situation in die Antwortmail eingebaut werden. Allerdings entsteht dabei die Gefahr, dem Kunden den Eindruck einer standardisierten Antwort zu vermitteln, welche oft unpersönlich wirkt. Deshalb werden in der UB der HSU alle Mitteilungen individuell und in natürlicher Sprache beantwortet. Das beantwortete Ticket wird geschlossen und automatisch ins Archiv verschoben, es sei denn, das Problem konnte noch nicht endgültig gelöst werden. In diesem Fall bleibt das Ticket zur weiteren Bearbeitung offen.

Mitarbeiterakzeptanz und -schulung

Auch wenn das technische Konzept bis ins Detail durchdacht ist und die In- und Outputprozesse klar definiert sind - entscheidend für den Erfolg des Beschwerdemanagements sind die Mitarbeiter, denn sie müssen die Idee und die Ziele des Projekts im Tagesgeschäft mittragen. Daher wurden das Einbeziehen und die Schulung von Mitarbeitern von Anfang an als wesentliche Projektbedingungen angesehen. Um alle innerbetrieblichen Sichtweisen und Blickwinkel beim Entwurf des Beschwerdemanagements zu berücksichtigen, wurde das Projektteam aus Vertretern unterschiedlicher Abteilungen zusammengesetzt. Auch hat die Dokumentation des Projektfortschritts im bibliothekseigenen Wiki-Intranet zum „Bekanntwerden“ und somit zur Akzeptanz des neuen Modells beigetragen.

Mit den Mitarbeiterschulungen wurden zweierlei Ziele verfolgt: zum einen die Mitarbeiter im Kundenkontakt für das Thema Beschwerden und Umgang mit Beschwerden zu sensibilisieren, zum anderen sie auf Beschwerdesituationen vorzubereiten und ihnen die für deren erfolgreiche Bewältigung erforderlichen Qualifikationen zu vermitteln. Mit diesem Hintergrund nahmen zwei Kolleginnen an einer zweitägigen Weiterbildungsveranstaltung6 teil, deren Inhalte sie als Multiplikatoren später an andere weitergaben. Und da diese Veranstaltung von beiden Kolleginnen als überaus positiv und hilfreich empfunden wurde, hat die Bibliotheksleitung beschlossen, sie im Frühjahr 2009 vor Ort für alle Mitarbeiter durchführen zu lassen.

Abbildung 4

Stimulierungs- und Marketingmaßnahmen

Viele Kunden (und nicht nur im bibliothekarischen Bereich) sind es nicht gewohnt, ihre Meinung ohne Aufforderung zu äußern. Dabei kann gegebenes Feedback nicht nur die eventuellen Probleme des Kunden lösen, sondern auch wertvolle Anregungen für den Betrieb enthalten. Aus diesem Grund ist die Ermunterung der Kunden zur Meinungsäußerung mindestens genauso wichtig, wie auch die Einrichtung leicht zugänglicher Beschwerdekanäle und effizienter Bearbeitungswege. Neben der Reduzierung der Hemmschwellen auf ein Minimum kommt daher der aktiven Kommunikation und Bewerbung der Beschwerdekanäle eine besondere Bedeutung zu. Zu diesem Zweck wurden entsprechende Plakate für die Bibliotheksräume und Grafiken für die Homepage entworfen, die am Tag der Einführung aufgehängt bzw. freigeschaltet wurden. Denselben Effekt strebten wir auch mit der auffallenden Positionierung der Feedbackzettel und -kästen an. Dazu sollte angemerkt werden, dass zur Schaffung des (Wieder)Erkennungswertes für die Feedbackzettel und -kästen, die Plakate und Grafiken auf der Homepage dasselbe Grundelement verwendet wurde (siehe Abb. 4). Auch eine ansprechende optische Gestaltung schafft einen Anreiz zur Meinungsäußerung, denn sie verleitet die Kunden dazu, auf den Link zum Formular zu klicken oder ein Feedbackzettel in die Hand zu nehmen, worauf dann doch öfters ein Eintrag folgt.

Mit dem Versprechen, auf jede Kundenmitteilung eine Rückmeldung (falls erwünscht) innerhalb von 24 Stunden zu geben, möchte die UB ihr Interesse und den Stellenwert des Kundenfeedbacks zum Ausdruck bringen. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen wurde die Einführung des Beschwerdemanagements via Bulletin-Service (schließt alle Mitarbeiter und Studenten der Universität ein) und in der hausinternen Zeitschrift bekannt gemacht.

Es darf aber nicht vergessen werden, dass die beste Stimulierungsmaßnahme für den Kunden ein positives Erlebnis seiner Beschwerdesituation ist. In diesem Zusammenhang stellt eine kundenorientierte und zügige Bearbeitung der Feedbackmitteilungen das Mittel erster Wahl dar. Außerdem sind in der UB der HSU auch die halbjährlichen Reports an die Kunden auf der Website und in Form von Aushängen geplant, die auf den statistischen Auswertungen der Beschwerden basieren und die dadurch angestoßenen Veränderungen präsentieren.

Testphase, Einführung und die ersten Ergebnisse

Damit ein reibungsloses Funktionieren der implementierten Prozesse im normalen Betrieb gewährleistet sein kann, mussten sie in einem Testlauf erprobt werden. Dafür wurden die Mitarbeiter gebeten, fiktive Beschwerden oder Anregungen auf dem Wege ihrer Wahl zu äußern und zu beantworten, sodass sie sich mit dem Ticketsystem vertraut machen konnten. Schon nach kurzer Zeit wurden einige Schwachstellen im Prozessablauf und in der Systemkonfiguration identifiziert, was die Bedeutung solch einer Testphase nochmals vor Augen führte. Nachdem diese Fehler beseitigt und beim wiederholten Testen keine weiteren gefunden werden konnten, fand Mitte Oktober die Einführung des Beschwerdemanagements im Echtlauf statt. Die neuen Kontaktmöglichkeiten wurden von den Bibliotheksbenutzern sehr gut angenommen, das Feedbackvolumen übertraf bei weitem die Erwartungen. Besonders angenehm war die Tatsache, dass auch Lob nicht ausblieb.

Mittlerweile läuft das Beschwerdemanagement in der UB der HSU seit ca. drei Monaten, in dieser Zeit erreichten die Bibliothek über 70 Kundenmitteilungen, etwa 63 % in Papierform (Feedbackzettel), 36 % über das E-Formular und nur eine mittels direkten Kontakts mit dem Personal. Was die Art des Feedbacks angeht, so halten sich Kritik, Lob und Anregung die Waage: 32 %, 33 % und 33 % entsprechend. Die Bedeutung der anonymen Äußerungsmöglichkeit unterstreicht die Tatsache, dass 67 % der Mitteilungen ohne Absenderangabe eingingen. Als größte Probleme werden von den Kunden der Lärmpegel in den Arbeitsbereichen der Bibliothek und der fehlende WLAN-Anschluss für auswärtige Benutzer wahrgenommen. Kleinere der beanstandeten Punkte wurden umgehend korrigiert, Lösungen für größere Probleme werden auf der Leitungsebene diskutiert.

Fazit

Das entwickelte Beschwerdemanagement-Konzept konnte nach Abschluss der Projektphase erfolgreich ins Tagesgeschäft integriert werden und hat sich inzwischen gut bewährt. Insgesamt wurden ca. 300 Arbeitsstunden in die Projektphase investiert (10 Arbeitswochen, die Projektarbeit lief teils neben dem Tagesgeschäft), für die laufende Betreuung sind je nach Eingangsvolumen 1 bis 2 Stunden wöchentlich notwendig. Somit weist das eingeführte Modell ein gutes Aufwand-Nutzen-Verhältnis auf. An dieser Stelle sollte noch angemerkt werden, dass das vorgestellte Konzept keine endgültige Lösung darstellt. Die Prozesse und Bearbeitungswege werden ständig optimiert und an die sich verändernden Situationen angepasst. Als Beispiel kann hier die Verringerung der Queueanzahl entsprechend den Nutzungswerten genannt werden.

Das Beschwerdemanagement an sich ist natürlich noch kein Garant für eine hohe Kundenzufriedenheit. Aber es ist ein gutes Mittel, um die Kunden besser kennen zu lernen und mit neuen Angeboten nicht an ihren Bedürfnissen vorbeizugehen.


Autorin

Dipl.-Bibl. Olga Goihl

Projektmanagement
Universitätsbibliothek
Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg
Holstenhofweg 85
22043 Hamburg
goihl@hsu-hh.de


Anmerkungen

1. Schneider, K. G.: The user is not broken: A meme masquerading as a manifesto. In: K. G. Schneider’s blog on librarianship, writing and everything else, since 2003.
   – URL: http://freerangelibrarian.com/2006/06/03/the-user-is-not-broken-a-meme-masquerading-as-a-manifesto/
   – [Zugriff 20.01.2009]

2. Ausgewählte Quellen:

3. z. B. ULB Düsseldorf, siehe den Praxisbericht von K. Rudolf,
http://www.opus-bayern.de/bib-info/volltexte/2005/173/pdf/publ-bibtag.pdf

4. http://otrs.org

5. http://www.hsu-bibliothek.de/feedback/ihre_meinung.php

6. Eine Veranstaltung des Weiterbildungszentrums der Freien Universität Berlin, „Beschwerdemanagement – Gesprächsverlauf & Problemlösung an der Theke“, Dozent Tom Becker, M. A.