Das universitätsweite Basismodul an der Universität Graz

- die Bibliothek als Partnerin in der Hochschullehre


Abstracts

1. Einleitung
2. Das Basismodul an der Karl-Franzens-Universität Graz
3. Das universitätsweite Basismodul
4. Fazit und Ausblick

von Birgit Maria Hörzer

1. Einleitung

Die 1998 von den BildungsministerInnen Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens unterzeichnete Sorbonne-Deklaration, die eine Harmonisierung des europäischen Hochschulraumes als Ziel formuliert hatte, bildete die Grundlage für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes.1 Der Startschuss selbst wurde schließlich 1999 in Bologna gesetzt, indem konkrete Ziele für diesen Hochschulraum formuliert wurden.2 Auf den Nachfolgekonferenzen in Prag, Berlin, Bergen und Leuven wurden diese Ziele konkretisiert und erweitert. Das Stichwort "employability" findet zwar in nahezu allen Erklärungen Einzug und die Universitäten hatten auch schon entsprechend darauf reagiert, allerdings wurde erst im Communiqué von 2009 ausdrücklich formuliert, dass es im Sinne der Arbeitsmarkttauglichkeit der HochschulabsolventInnen Aufgabe der Universitäten sein muss, die Studierenden mit Qualifikationen und Kompetenzen auszustatten, die für ihr gesamtes Berufsleben relevant sein werden.3 Die Vermittlung von Basis- oder Schlüsselqualifikationen, die das Fachstudium ergänzen sollen, fand Eingang in die einzelnen Curricula. Gleichzeitig eröffneten sich im Rahmen des Bologna-Modells für Bibliotheken neue potentielle Tätigkeitsfelder, denn als Expertinnen im Bereich Informationskompetenz bot sich für sie nun der Einstieg in den regulären Hochschulbetrieb an. Der Einstieg in die universitäre Lehre bedeutete aber nicht nur eine Erweiterung der Tätigkeitsfelder von Bibliotheken, sondern brachte gleichzeitig eine Veränderung des Anforderungsprofils, das an BibliotheksmitarbeiterInnen gestellt wird, mit sich. Veränderte Rahmenbedingungen verlangten nach neuen didaktischen Kompetenzen und die Kenntnis studienrechtlicher Bestimmungen war unumgänglich. Im Folgenden soll ein Modell, das an der Universität Graz installiert wurde, skizziert werden.

2. Das Basismodul an der Karl-Franzens-Universität Graz

Im Entwicklungsplan 2005 der Universität Graz wurde von Senat und Universitätsrat die Einführung eines Basismoduls als eines von 16 strategischen Projekten genehmigt.4 Der stark interdisziplinär geprägte Charakter des Basismoduls soll einen ersten Zugang zu vernetztem Denken eröffnen. Außerdem soll den Studierenden die Wahl des richtigen Studiums erleichtert werden, wodurch man sich eine Verringerung der Studienwechsel und Studienabbrüche erhofft. Das Basismodul gliedert sich in einen universitätsweiten, einen fächerübergreifenden und einen fachspezifischen Teil und ist mit insgesamt 30 ECTS-Anrechnungspunkten bewertet. Werden alle Teilbereiche belegt und erfolgreich abgeschlossen, kann ein Zertifikat erworben werden. Während der fächerübergreifende und der fachspezifische Teil obligatorisch zu absolvieren sind, wurde das universitätsweite Modul als freies Wahlfach konzipiert. Das Basismodul startete 2007/08 und soll in einem dreijährigen Modellversuch getestet werden, wobei nach einer Evaluierung über die Fortführung und weitere Implementierung des Basismoduls entschieden werden wird. Das Basismodul ist im Diplomstudium Rechtswissenschaften definiert und in allen Bachelorstudien mit Ausnahme von NAWI-Graz-Studien und Lehramtsstudien verankert. Zum Zeitpunkt der Erstdurchführung des bibliotheksspezifischen Teils im Wintersemester 2008/09 war es bereits in 19 Studienrichtungen implementiert.5

3. Das universitätsweite Basismodul

Das universitätsweite Basismodul ist mit 6 ECTS-Anrechnungspunkten bewertet und als Einstiegs- und Orientierungshilfe für das Studium gedacht. Im Rahmen dieses Teilbereiches werden Basiskompetenzen vermittelt, die sowohl im Laufe des Studiums benötigt werden, als auch für den Einstieg in den Arbeitsprozess im Sinne der im Rahmen des Bologna-Prozesses geforderten "employability" eine Rolle spielen und weit über das fachliche Wissen hinausgehen. Folgende Arbeitsbereiche werden angeboten:

Seit dem Wintersemester 2008 ist die Universitätsbibliothek mit einer einstündigen Vorlesung, die mit 2 ECTS-Anrechnungspunkten bewertet ist, unter dem Titel "Selbstmanagement in Studium und Beruf: Erfolgreich suchen und finden in der Universitätsbibliothek" vertreten.

3.1 Vorarbeiten

Der Bologna-Prozess und die damit verbundene steigende Wichtigkeit der Vermittlung von Schlüsselkompetenzen in der universitären Lehre wurde von der Universitätsbibliothek Graz als Anlass genommen, sich als Partnerin der Hochschullehre anzubieten. Der Unterschied zu bisherigen Bibliotheksschulungen und Vorlesungen, die bereits von BibliotheksmitarbeiterInnen angeboten wurden, lag darin, dass die Bibliothek als Anbieterin von Lehrververanstaltungen auftrat, für die ECTS-Punkte erworben werden können. Mit der Entscheidung, sich um einen Einstieg in die universitäre Lehre zu bemühen, waren grundlegende personelle Fragen verbunden, denn sich bei schrumpfendem Personalstand neuen Aufgaben zu widmen, stellte sowohl für die Bibliotheksleitung als auch für die beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Herausforderung dar. Die Erarbeitung und Abhaltung einer Gesamtvorlesung durfte nicht die Arbeitszeit einer Einzelperson in Anspruch nehmen und so musste eine Lösung gefunden werden, die sich in Form der Installierung einer Ringvorlesung manifestierte. In einer Gruppe von sechs Personen wurden die Inhalte zum bereits existierenden Grobkonzept der Vorlesung erarbeitet, die einzelnen Unterrichtseinheiten aufeinander abgestimmt und die Unterlagen wechselseitig zur Verfügung gestellt. Die Lehrbelastung beschränkte sich mit diesem Konzept auf ein bis zwei Doppelstunden pro Person. Die neue didaktische Herausforderung, nicht in Kleingruppen schulen zu können, sondern einer großen Gruppe von Studierenden Inhalte zu vermitteln, veranlasste die Bibliotheksleitung dazu, sich um die Finanzierung eines Didaktik-Trainings zu bemühen. An diesem Training nahmen alle Lehrenden des Basismoduls sowie weitere KollegInnen, die ebenfalls mit Lehrveranstaltungen betraut sind, teil.

3.2 Einbindung von E-Learning

Durch die Vorgabe des Lehrveranstaltungstyps "Vorlesung" war gleichzeitig die Methode des Vortrags vordefiniert, wodurch am Frontalunterricht kein Weg vorbeiführte. Die Frage, wie man trotz der mangelnden Möglichkeit, die Studierenden während des Unterrichts am PC arbeiten zu lassen, den gewünschten Lerneffekt erzielen kann, wurde durch die Vorgabe des Lehr- und Studienservices, e-Learning in die Konzeption der Vorlesung einzubinden, beantwortet. Zu einzelnen Vorlesungseinheiten wurden Aufgaben definiert, die über die Lernplattform WebCT eingestellt wurden und bis zum Ende des Semesters zu lösen waren. Die Übungen waren so definiert, dass für die Lehrenden kein weiterer Korrekturaufwand entstand. Über die Lernplattform wurden außerdem Unterlagen zur Vorlesung zur Verfügung gestellt, ein Glossar angeboten und ein Diskussionsforum eingerichtet. Für die nächste Durchführung ist zusätzlich die Einstellung von Podcasts geplant. Während das Glossar und das Diskussionsforum von den Studierenden nur wenig genutzt wurden, machten sie von der Möglichkeit, die Lehrenden direkt über WebCT zu kontaktieren, regen Gebrauch.

3.3 Inhalte und Beurteilung

Nachdem die Vorlesung für StudienanfängerInnen konzipiert sein sollte, wurde das Niveau entsprechend angesetzt, obwohl auch Studierende aus höheren Semestern an der Lehrveranstaltung teilnahmen. Inhaltlich wurden folgende Themengebiete behandelt:

Die Abschlussklausur wurde in Form eines Rechercheauftrages konzipiert und von 52 Studierenden erfolgreich abgelegt. Die KandidatInnen konnten aus drei Themen eine Auswahl treffen und hatten die Vorgabe, sowohl nach unselbstständiger als auch nach selbstständiger Literatur zu recherchieren und eine Trefferliste mit vollständigen bibliographischen Angaben zu erstellen. Die Auswahl der Rechercheinstrumente sollte begründet und die jeweiligen Recherchestrategien beschrieben werden. Außerdem musste bei je einem unselbstständigen und einem selbstständigen Werk der Weg zum Volltext (print oder online) aufgezeigt werden. Es zeigte sich, dass die Studierenden die Aufgaben in der Regel gut bewältigten, allerdings Probleme damit hatten, die einzelnen Fragestellungen in Zusammenhang zu bringen. Aus diesem Grund wird die formale Gestaltung der Prüfung überarbeitet werden. Für die nächste Durchführung der Lehrveranstaltung sind außerdem leichte inhaltliche Modifizierungen und fakultative Führungen durch die Fach- und Fakultätsbibliotheken geplant.

3.4 Qualitätssicherung: Umfrage und Evaluierung

Als Qualitätssicherungsinstrumente wurden sowohl eine Umfrage im Vorfeld der Vorlesung, mit der die Vorkenntnisse der Studierenden abgefragt wurden, als auch eine Evaluierung nach Abschluss der Lehrveranstaltung eingesetzt. Der Einladung, sich an einer Online-Umfrage zu beteiligen, kamen 82 Personen nach. Bei der Frage, welches Studium inskribiert wurde, zeigte sich erwartungsgemäß, dass sich der Großteil der Studierenden im Bachelorstudium befand, allerdings waren auch DoktorandInnen an der der Vorlesung interessiert. Aus dieser Tatsache könnte vielleicht der Schluss gezogen werden, dass eine Lehrveranstaltung mit diesen Inhalten bisher gefehlt hatte.



Auf die Frage, welche Rechercheinstrumente bekannt sind, gaben lediglich 26,8 % der Befragten an, die Elektronische Zeitschriftenbibliothek zu kennen. Wikipedia lag - wenig überraschend - an erster Stelle.



Obwohl Online-Bibliothekskataloge bei 64,6 % der Befragten bekannt waren, gaben nur 8,6 % an, sie sehr häufig zu verwenden, wenn sie sich einen allgemeinen Überblick über ein Thema verschaffen wollen. 45,7 % gaben an, Online-Bibliothekskataloge selten zu nutzen. Diese Ergebnisse der Umfrage bestätigten uns in der Annahme, dass die neu konzipierte Lehrveranstaltung für die Studierenden von großem Nutzen sein würde und die Evaluierungsergebnisse nach Abschluss der Vorlesung zeigten, dass auch die Studierenden diese Meinung teilten. Die Evaluierung hatte einen Rücklauf von 41, wobei nicht immer alle Fragen beantwortet wurden. Definiertes Ziel der Vorlesung war, die Informationskompetenz der Studierenden zu heben und offensichtlich wurde dieses Ziel nach Ansicht der Studierenden erreicht.






4. Fazit und Ausblick

Die Einbindung der Bibliothek in die universitäre Lehre hatte sowohl die Befürwortung durch das Lehr- und Studienservice der Universität Graz als auch die Unterstützung durch die Bibliotheksleitung als Voraussetzung. Die Vorbereitung auf diese neue Aufgabe in Form eines Didaktiktrainings, einer aktiven Auseinandersetzung mit studienrechtlichen Bestimmungen und der Aneignung von e-Learning-Instrumenten war unumgänglich und hatte großen Einfluss auf die qualitätsvolle Gestaltung der Vorlesung. Um die Qualität auch für spätere Durchführungen sichern zu können, wird eine Evaluierung als sinnvoll erachtet, da die Rückmeldungen eine gute Grundlage für die Änderung von Inhalten und organisationstechnischen Details bilden. Der Erfolg des bibliotheksspezifischen Teils im Rahmen des universitätsweiten Basismodul an der Universität Graz kann auf zwei Ebenen als positiv gewertet werden: Die erste Ebene betrifft die Studierenden, deren Bereitschaft, sich Informationskompetenz anzueignen, mit der Aussicht steigt, dafür ECTS-Anrechnungspunkte für ihr Studium zu erhalten. Damit kann eine wachsende Anzahl von StudieneinsteigerInnen erreicht werden, wodurch in einer sehr frühen Phase des Studiums das Problembewusstsein entsteht, dass das Gewusst-Wie einer Recherche sowohl im Studium als auch im Berufsleben einen entscheidenden Vorteil bietet. Der zweite positive Aspekt betrifft das Image der Bibliothek, die sich einer breiten universitären Öffentlichkeit als jene Dienstleistungseinrichtung präsentiert, die über hoch qualifizierte InformationsexpertInnen verfügt. Obwohl die Abhaltung der Lehrveranstaltung in Form einer Vorlesung für HörerInnen aller Fakultäten keine Ideallösung darstellt, lässt die personelle Realität derzeit keine andere Lösung zu, weshalb sich die Bibliothek zum jetzigen Zeitpunkt weder um einen Einstieg in die fachspezifischen Teile des Basismoduls noch um eine Umwandlung der Vorlesung in eine Vorlesung mit Übung bemüht. Geplant ist allerdings eine Ausweitung der e-Learning-Module, womit auf einzelne Fachrichtungen besser eingegangen werden kann. Die Studierenden werden außerdem auf die Möglichkeit, ihren Laptop in die Vorlesung mitbringen zu können, hingewiesen werden.


Literatur

The Bologna Process 2020 - the European Higher Education Area in the new decade. Communiqué of the conference of the European Ministers Responsible for higher Education, Leuven and Louvain-la-Neuve, 28-29 April 2009. Joint declaration of the European Ministers of Education. Bologna. 1999.

Leistungsbericht 2008 der Universität Graz. https://online.uni-graz.at/kfu_online/wbMitteilungsblaetter.display?pNr=130022

Sorbonne joint declaration. Joint declaration on harmonisation of the architecture of the European higher education system. By the four ministers in charge of France, Germany, Italy and the United Kingdom. Paris, 1998.

Strategisches Projekt: Basismodul. Entwurf zur Implementierung eines Basismoduls. Senatsvorlage. Stand: 19.04.2006. http://www.uni-graz.at/evp3www_konzept_bm_senat_042006.pdf


Autorin

Mag.a Birgit Maria Hörzer

Stellvertretende organisatorische Leitung des Universitätslehrgangs "Library and Information Studies, MSc" an der Universitätsbibliothek Graz, Fortbildungsverantwortliche, Leitung der AG Informationskompetenz an der UB Graz, Buch- und Medienbearbeitung, Mitglied der Zentralredaktion Formalerschließung des Österreichischen Bibliothekenverbundes

Universitätsbibliothek Graz
Universitätsplatz 3
A-8010 Graz


Anmerkungen

1. Vgl. Sorbonne joint declaration. Joint declaration on harmonization of the architecture of the European higher education system. By the four ministers in charge of France, Germany, Italy and the United Kingdom. Paris, 1998.

2. Vgl. Joint declaration of the European Ministers of Education. Bologna. 1999.

3. Vgl. The Bologna Process 2020 – the European Higher Education Area in the new decade. Communiqué of the conference of the European Ministers Responsible for higher Education, Leuven and Louvain-la-Neuve, 28-29 April 2009.

4. Vgl. Strategisches Projekt: Basismodul. Entwurf zur Implementierung eines Basismoduls. Senatsvorlage. Stand: 19.04.2006. http://www.uni-graz.at/evp3www_konzept_bm_senat_042006.pdf

5. Vgl. Leistungsbericht 2008 der Universität Graz. https://online.uni-graz.at/kfu_online/wbMitteilungsblaetter.display?pNr=130022