Nutzungsanalysen im Blick auf fachliche und interdisziplinäre Webportale - Ergebnisse und Konsequenzen


Abstracts
1. Nutzungsanalysen und ihre Ergebnisse
2. Mögliche Konsequenzen für die Praxis

von Beate Tröger

1. Nutzungsanalysen und ihre Ergebnisse

Es ist eine Binsenweisheit: Der Aufbau ebenso wie der laufende Betrieb ambitionierter Webportale ist aufwändig und kostenintensiv. Um so nötiger sind regelmäßige Nutzungsanalysen, die sowohl prospektiv den Bedarf neuer Angebote ausloten als auch retrospektiv die inhaltliche und gestalterische Adäquatheit bestehender Strukturen evaluieren. Dies gilt nicht zuletzt im geistes- und sozialwissenschaftlichen Kontext, der sich mit den digitalen Informationsangeboten zum Teil nach wie vor schwerer tut.

1.1 Die Befragungen

Unter Federführung des Informationszentrums (IZ) Bildung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) wurden deshalb in den Jahren 2000 bis Anfang 2004 mit verschiedenen Kooperationspartnern vier entsprechende Nutzungsuntersuchungen realisiert:

Diese vier Untersuchungen bedienten sich durchaus heterogener Methoden und hatten durchaus unterschiedliche Ziele im Auge - ihre Ergebnisse aber sind erstaunlich homogen hinsichtlich der drei zentralen Interessen-Foci:

  1. Wie suchen Nutzer/innen nach Informationen?
  2. Welcher Instrumente bedienen sie sich dabei?
  3. Welche Art von Informationen suchen sie eigentlich genau?

1.1.1 Wie suchen Nutzer/innen nach Informationen?

Betrachtet man bei der Frage nach dem "wie" der Recherche die wesentlichen Ergebnisse der durchgeführten Logfile-Analysen, so zeigen sich schnell sehr deutliche Vorgehensmuster: Die überwiegende Mehrheit der Nutzer/innen

Dies illustrieren einige durchaus generalisierbare Beispiele:

Das Problem der Boole’schen Operatoren oder: Die vergebliche Suche nach dem Maikäfer

Der Nutzer rsp. die Nutzerin suchte nach der "Entwicklung des Maikäfers". Diese Phrasen-Anfrage führte offensichtlich nicht zum gewünschten Erfolg, so dass die Recherchestrategie verändert wurde in "Entwicklung UND des UND Maikäfers"; nach einem erneuten Versuch mit "Entwicklung des Maikäfers" modifizierte der Nutzer die Suche zunächst in "Die Entwicklung des Maikäfers", dann - als Variante mit Unterstrichen - in "Die_Entwicklung_des_Maikäfers" und abschließend sozusagen alles umfassend als letzter verzweifelter Versuch in "Die UND Entwicklung UND des UND Maikäfers".

Die Konsequenzen, die Informationsanbieter aus dieser und den vielen sehr ähnlich ablaufenden Recherchen ziehen müssen, sind sicher vielfältig - an dieser Stelle hätte aber vielleicht schon ein kurzes direkt über den Eingabezeile stehendes Beispiel Unterstützung geboten. Längere, gesondert anzuklickende Hilfetexte dagegen, so zeigen die Logfile-Auswertungen ebenfalls, werden selten gelesen.

Der tragische Fall: Tippfehler

Sehr oft treten Recherchebeispiele in den Logfiles zutage, in denen Tippfehler die Trefferausgabe verhindern. So suchte ein Nutzer rsp. eine Nutzerin nach dem Begriff "Test" - und wurde vmtl. mit Ergebnissen überschüttet. Daraufhin änderte er die Suche entsprechend seines Erkenntnisinteresses in "Leseverständnis" - besser gesagt: Er wollte sie entsprechend ändern, schrieb aber tatsächlich "Leseerständnis" in die Suchzeile, dann "Keseverstandenis". Es folgte "Leseerstandnis", schließlich tatsächlich "Leseverständnis" und die Präzisierung in "Leseverständnis Test".

Gesucht wurde vielleicht nach IGLU, der Internationalen Grundschul-Leseuntersuchung. Hieran zeigt sich zweierlei: Die Einbindung eines Thesaurus' bzw. in diesem Fall eines fachlich einschlägigen Abkürzungsverzeichnisses hätte hier ggf. hilfreich gewirkt - aber vor allem die Realisierung einer interaktiven fehlertoleranten Suchmöglichkeit, die rückfragt im Sinne eines "Meinten Sie vielleicht ...?".

Das Bemühen um die Ganzheit: Phrasensuche

Immer wieder, dies zeigte ja bereits das Beispiel der Maikäfer-Recherche, suchen Nutzer/innen mit Hilfe von Phrasen - so etwa nach dem "Pferd indem die Griechen nach Troja eindrungen". Hier sind - neben der in diesem Fall zusätzlich erforderlichen Schreibfehlertoleranz des Systems - Recherchemodule nötig, die sich der natürlichsprachigen Sucheingabe des Nutzers gegenüber intelligent verhalten - sicherlich ein Bereich, in den noch viel Entwicklungsarbeit zu investieren ist.

Die ewige Wiederkehr des Gleichen: Mehrfacheingaben

Ein häufig diagnostizierbares Phänomen in den Logfiles ist schließlich - und damit sei die Beispielliste hier beendet - die identische Mehrfacheingabe von Suchanfragen, ohne dass technische Probleme erkennbar sind. So suchte ein Nutzer rsp. eine Nutzerin nach dem Begriff "Taliban" - insgesamt 19 mal, wobei 17 Recherchen völlig identisch "Taliban" lauteten. Zwischendurch erfolgten zwei Schreibvariationen: "Talib" und "taliban". Beide Variationen sind interessant: Im ersten Fall "Talib" lässt sich vermuten, dass der Nutzer von einer automatischen Rechts-Trunkierung ausging - eine Beobachtung, die man hinsichtlich potentieller Rechts-Trunkierungen immer wieder, hinsichtlich erwarteter Links-Trunkierungen manchmal macht. Im zweiten Fall "taliban" - falls dies kein reiner Tippfehler war - erwartete der Nutzer vermutlich die Systemtoleranz hinsichtlich einer Groß- und Kleinschreibung. Diese Systemtoleranz-Erwartung ist sicher völlig berechtigt; im ersten Fall der Trunkierungshoffnung dagegen muss man differenzieren zwischen einer einfachen und einer für Kenner erweiterten Suchmöglichkeit, deren letztere eher keine die Nutzer/innen bevormundenden Automatismen einbauen sollte.

Was insgesamt immer wieder gewünscht wird, ist eine Möglichkeit der direkten Interaktion: "Wo hin wenn man was sucht?" ist ein in der Suchzeile manifestierter nicht untypischer Ausdruck der eigenen Recherche-Hilflosigkeit - zum Glück sehr selten sind Frustrationsäußerungen wie "fuck u".

1.1.2 Welcher Instrumente bedienen sich Nutzer/innen bei ihrer Suche nach Informationen?


Betrachtet man die Instrumentarien, derer sich Informationsbedürftige bedienen, so stellt sich zunächst die Frage nach dem "warum" einer Nutzung. Die Antworten hierauf zeigen einen deutlichen Trend: An erster Stelle der Gründe einer Instrumentenauswahl genannt wurde im Rahmen der Untersuchungen zum Deutschen Bildungsserver das Kriterium "Inhalt" mit - fasst man die Antworten "sehr wichtig" und "wichtig" zusammen - nahezu 100%. Dieses wenig überraschende Ergebnis wird unterfüttert durch die Nennung der "Aktualität" mit über 90%. Doch auch das Kriterium "Nutzerführung" rangiert in diesem Bewertungsspektrum - sieht man sich die oben beschriebenen Probleme der Recherchen an, ist das wenig erstaunlich. Dies zu berücksichtigen, ist um so wichtiger, als es im Falle der retrospektiven Leistungsbeurteilung eines Webdienstes hinsichtlich der Top-Kriterien "Inhalt" und "Aktualität" fraglich sein kann, was Nutzer/innen hier tatsächlich beurteilen: Sind die Inhalte, die sie suchen, tatsächlich nicht vorhanden - oder haben sie sie nicht gefunden, ist also eigentlich die Nutzerführung nicht befriedigend?

Die "sehr wichtigen" und "wichtigen" Nennungen "Ladezeiten" sowie "Layout und Design" folgen mit gut 80% bzw. gut 70%.

Diese Antworten berücksichtigend, sind die Ergebnisse der Frage nach den genutzten Instrumenten selbst um so interessanter: In allen hier herangezogenen Analysen berichteten die Nutzer/innen, dass sie im Web primär mit Suchmaschinen arbeiten und vielfach nicht auf die ausgewiesenen Fachdatenbanken und -portale zurückgreifen. Dieses Ergebnis zieht sich über die meisten befragten Nutzergruppen hinweg - eine Ausnahme bilden naheliegender Weise lediglich die Informationsspezialist/innen. Allerdings lauteten die Begründungsstrukturen unterschiedlich: Während die Praktiker/innen wie Lehrer/innen, niedergelassene Psycholog/innen etc. betonten, Fachdatenbanken seien inhaltlich zu umfangreich, zu wissenschaftlich und zu kompliziert in der Nutzung, gaben die befragten Wissenschaftler/innen gerade das Fehlen relevanter Inhalte in den Fachangeboten als Begründung für ihr Ausweichen auf Suchmaschinen an.


Analysiert man die Antworten der letztgenannten Gruppe näher, so zeigen sich etwa bei der EU-Fokusgruppenbefragung von Bildungsforscher/innen ambivalente Aussagen hinsichtlich des Bedarfs und der tatsächlichen Nutzung von Fachangeboten: Von 160 innerhalb der deutschen Fokusgruppe interviewten Personen nutzen 150 regelmäßig Suchmaschinen und immerhin noch 115 eigene Linklisten - lediglich 72 der 160 Befragten jedoch greifen auch auf Fachdatenbanken und -portale zurück.

Gleichzeitig aber sind vier Fünftel dieser 160 Wissenschaftler/innen davon überzeugt, dass bessere bzw. besser fachlich aufbereitete Informationsstrukturen ihnen bei ihrer Informationssuche erheblich helfen könnten: Der Bedarf an einem entsprechenden Portal zum eigenen Forschungsbereich wird übereinstimmend als sehr hoch eingeschätzt.

Um solche Aussagen besonders auch im Blick auf die nicht-elektronischen Angebote zu korrelieren, wurde im Rahmen der Volltext-Dienst-Studie die Frage gestellt, wie häufig verschiedene Instrumente zur Beschaffung von Fachinformationen genutzt werden; die Maximalzahl der Nutzungshäufigkeit lag dabei bei 3. Mit einer Nennung von 2,8 rangierten hier innerhalb der gegebenen Antworten die Fachzeitschriften und Fachbücher an der Spitze, jedoch sehr dicht gefolgt von den Suchmaschinen (2,7). Mit 2,4 lagen etwas niedriger die Antworten "Bibliothekssystem" und "Hinweise von Kollegen, Experten" gleich auf; erst bei 2,1 dagegen erscheinen die Fachdatenbanken. Weit abgeschlagen sind übrigens nach wie vor am Ende der Rangskala mit 1,8 die elektronischen Zeitschriften.

1.1.3 Welche Informationen suchen Nutzer/innen?

Die Begründung für solch’ intensive Nutzung von Suchmaschinen lag - neben der stets betonten Einfachheit der Bedienung - wie beschrieben für die wissenschaftliche Klientel bei den inhaltlichen Desideraten der Fachdatenbanken und -portale. Um diese Aussage näher zu beleuchten, wurde im Rahmen der Volltext-Dienste-Studie die Frage nach der Relevanz verschiedener Informationstypen gestellt. Bei einem Maximalwert von 5 als "sehr wichtig" lagen hier an der Spitze aller Antworten mit einem Wert von 4,3 die "Volltexte", dicht gefolgt von der Kategorie "Abstracts" mit 4,1; leicht abgeschlagen tauchen bei 3,7 die "Literaturhinweise" auf.

Neben diesen eindeutig literaturbezogenen Informationsbedürfnissen wurden mit dem Wert 3,4 Informationswünsche hinsichtlich "Adressen" und - mit 3,3 - hinsichtlich "aktueller Projektinformationen" artikuliert; bei dem Wert 3,1 schließlich manifestierte sich die Suche nach einerseits "Methoden, Umfragen" und andererseits nach "Ankündigungen, Terminen".

Inhaltliche Desiderate vor allem konventioneller Fachdatenbanken sind aus Nutzersicht damit besonders einerseits im Bereich der Volltext- und Abstract-Versorgung und andererseits im Bereich der sog. Fakteninformationen zu sehen. Diesen im Rahmen der Volltext-Dienst-Analyse erhobenen Ergebnisse korrespondieren die Aussagen der EU-Fokusgruppen. Die Frage nach der eigenen informationellen Bedürfnislage beantworteten 144 der 160 Befragten in Deutschland mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit vor allem von Informationen über forschungsrelevante Institutionen, 136 suchten häufig Hinweise auf Wissenschaftler/innen und 110 benötigten sehr oft Angaben zu Konferenzen und Tagungen. Auch die Literaturinformation wurde genannt, lag jedoch mit 120 Zählern hier keineswegs an der Spitze.

Richtet man dieselbe Frage an Praktiker/innen wie Lehrer/innen, niedergelassene Psycholog/innen etc., zeigt sich das Bild noch eindeutiger - von diesen Nutzergruppen wurde noch weniger Literaturinformation im engeren Sinne gewünscht; statt dessen erhofften sich die Nutzer/innen komprimierte und anwendungsorientierte praxisrelevante "Rundum-Information" zu bestimmten, dem jeweiligen Berufsalltag entstammenden Themenstellungen.

1.1.4 Wie sollten diese Informationen aufbereitet sein? - Erfolgsfaktoren

Die Frage der gewünschten inhaltlichen Informationsbereiche wird von Nutzerseite dabei konsequent mit Bedingungen verknüpft, die ein entsprechendes Angebot ebenfalls erfüllen müsse, um als relevant und ausreichend wahrgenommen zu werden: Notwendig sei

Zugleich muß das Angebot bestimmte generelle Erfolgsfaktoren erfüllen:

Legt man dieses Kriterienportfolio auf die Zuschreibungen, die die aktuellen Angebote von Bibliotheken und Fachinformationseinrichtungen erfahren, so zeigt sich ganz eindeutig die Verortung von Seriosität und Glaubwürdigkeit bei den entsprechenden Portalstrukturen - deutlich schwächer dagegen ist das Ergebnis im Blick auf Aktualität und Vollständigkeit: Während man Fachdatenbanken und -portalen Vollständigkeit durchaus zubilligt, spricht man ihnen Aktualität vielfach ab. Vollends negativ werden die Bewertungen im Blick auf die Nutzerführung: Übersichtlichkeit und Einfachheit in der Bedienung verorten Nutzer/innen bei den Suchmaschinen, nicht aber bei fachlichen Angeboten von Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Im Blick auf die geforderten Individualisierungsdienste dagegen sind die Nutzermeinungen noch variabel - hier wäre also noch ein Image-Claim zu besetzen durch die Fachangebote.

Nicht unerheblich im Reigen der Erfolgsfaktoren schließlich ist der Aspekt der Kosten eines Dienstes. Auf die Frage "Wann würden Sie einen Volltextdienst nutzen?" antworteten innerhalb der entsprechenden Studie 48% mit dem Hinweis "wenn die Dienste kostenlos sind", 47% machten ihre Nutzung von dem schwierig zu fixierenden Faktor abhängig, dass "das Preis-Leistungs-Verhältnis stimme". Die Gegenfrage "Was sind die Gründe für die Nicht-Nutzung eines Volltextdienstes" wurde korrespondierend beantwortet: 53,8% nannten als primären Grund einer Nicht-Nutzung die zu hohen Kosten. Doch auch hier schlägt der Blick auf die Suchmaschinen durch: Knapp ein Fünftel der Befragten betonte, bereits alles auf anderem - ggf. kostenfreien - Wege im Internet zu bekommen.

Stellt man die Gretchenfrage nach der tatsächlichen Zahlungsbereitschaft, so bleibt ein Drittel der Befragten hart: 33,5% der Antwortenden innerhalb der Volltext-Dienst-Studie erklärten, der Dienst dürfe nichts kosten. Bis höchstens drei Euro pro Aufsatz würden 50% der Befragten bezahlen, drei bis fünf Euro immerhin noch 14,5%. Darüber hinaus aber wird das Portemonnaie verschlossen gehalten: Ganze 2% gaben an, mehr als fünf Euro zahlen zu wollen rsp. zu können.

Besinnt man sich an dieser Stelle auf die bereits zitierte Aussage von 47% der Antwortenden, das Preis-Leistungs-Verhältnis müsse stimmen, damit man überhaupt zu zahlen bereit sei, so ist interessant zu berücksichtigen, dass das sich abzeichnende Zahlungsfenster zwischen drei und fünf Euro vermutlich ebenso genannt worden wäre, hätte man die Frage noch zu DM-Zeiten gestellt. Drei und fünf sind nach Erkenntnissen der Marktforschung eher psychologische denn primär materielle Größen, was eine Aussage hinsichtlich des geforderten stimmigen Preis-Leistungs-Verhältnisses nicht einfacher macht.

Auch im Falle der Kosten gibt es Erfolgsfaktoren, von denen Nutzer/innen ihre Arbeit mit einem entsprechenden Dienst abhängig machen: Zahlungsbereitschaft existiert primär, wenn ansonsten schwierig zu beschaffende Informationen offeriert werden und wenn das gesamte Angebot im Sinne des genannten One-Stop-Shops Mehrwertdienste bietet.

15% der Antwortenden gaben dabei an, einen entsprechenden Dienst per monatlicher oder jährlicher Pauschale abrechnen zu wollen, 52% dagegen bevorzugten die nutzungsexakte Abrechnung, vergütet per monatlicher Rechnungsstellung; die restlichen 33% erklärten auch bei dieser Frage, den Dienst im Falle seiner Kostenpflichtigkeit nicht nutzen zu wollen.

2. Mögliche Konsequenzen für die Praxis:
fachportal-paedagogik.de, infoconnex und vascoda

Aufsetzend auf diesen Untersuchungsergebnissen stellt sich für Fachdatenbanken und -portale, für Bibliotheken und Fachinformationsanbieter die Frage nach den zu ziehenden Konsequenzen im Blick auf die eigenen Informationsangebote: Volltexte, Abstracts und Fakteninformationen, integrierte Informationsdienstleistungen und Individualisierungsmöglichkeiten, thematische Einstiege und Mehrwertkomponenten, kostenpflichtige externe Angebote und ihre relativ preiswerte Nutzung und last but not least inhaltliche Recherchequalität und möglichst einfache Bedienbarkeit sind unter einen Hut zu bringen. Hier kann es unter Umständen zum Teil nur Näherungswerte geben, begrenzen doch bestimmte Forderungen andere Wunsch-Bereiche - gleichwohl existieren Versuche der Umsetzung, von denen einer im Folgenden kurz beschrieben werden soll: das fachportal-paedagogik.de, ein Teil der interdisziplinären Projektstrukturen infoconnex und vascoda5. Das im Aufbau befindliche fachportal-paedagogik.de wird als One-Stop-Shop im Sinne der Forderungen der Nutzer/innen nach hoher inhaltlicher Dichte und Vernetzung arbeiten, es legt Wert auf Qualität, auf Aktualität und relative Vollständigkeit, es bemüht sich um Übersichtlichkeit und um leichte Handhabung und es will Themenfokussierungen und Eingrenzungsmöglichkeiten der Suche ebenso bieten wie Interdisziplinarität und Internationalität.

2.1 fachportal-paedagogik.de und infoconnex

Was heißt das im Einzelnen? Das fachportal-paedagogik.de ordnet sich ein in das Dienstleistungsangebot von infoconnex, einem Recherche-Mehrwertdienst, der entwickelt und getragen wird von den drei großen Fachinformationseinrichtungen der Pädagogik, der Sozialwissenschaften und der Psychologie6 sowie den drei korrespondierenden DFG-Sondersammelgebietsbibliotheken7. Die Institutionen werden hierbei über eine gemeinsame Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt; die inhaltliche Beratung erfolgt durch die jeweiligen Wissenschaftlichen Fachgesellschaften.

Auf diesen Kooperations- und Finanzierungsstrukturen fußend entsteht ein komplexer Service, der möglichst viele zu einer Fragestellung relevanten Informationen - und zwar deutschsprachige ebenso wie internationale - integriert als One-Stop-Shop bereitstellt. Den Ausgangspunkt dabei bildet die Recherche des Nutzers rsp. der Nutzerin in den zentralen Fachdatenbanken mit ihren qualitativ sehr hochwertigen Metadaten auf Einzeldokument-Ebene inklusive der differenzierten Verschlagwortung und des Abstracts - und zwar bezogen auf konventionelle ebenso wie auf graue Literatur, auf Printpublikationen ebenso wie auf elektronische Dokumente, auf Literaturinformationen ebenso wie auf Fakteninformationen. Bereits hier kann sich der Nutzer entscheiden: Will er nur den fachlichen Einstieg und nur in den Metadaten etwa der Pädagogik suchen oder interessiert ihn auch der Blick in die Interdisziplinarität, will er also auch sehen, was beispielsweise die Psychologie zu seiner Fragestellung zu bieten hat. Solche Interdisziplinarität auf Datenbankebene zu realisieren ist nicht trivial, können doch die Termini nicht einfach in die jeweils andere Fachsprache übernommen werden - hier ist eine aufwändige Heterogenitätsbehandlung der zugrunde liegenden nationalen und in Kürze auch der internationalen Thesauri notwendig. Im Hintergrund von Fachdatenbank-Kooperationen müssen also interdisziplinäre und sprachübergreifende Begriffsabgleichungen und Begriffsrelationierungen stattfinden, müssen Cross-Konkordanzen etc. aufgebaut werden - bislang immer noch ein sehr personalintensives Geschäft, das nach wie vor nicht adäquat über Automatisierungen geleistet werden kann. Das Ergebnis für die Suche der Nutzer/in aber lohnt den Aufwand: Anders als in allen anderen lediglich die Oberflächen der Datenbanken verschaltenden Metasuchstrukturen ermöglicht infoconnex eine tatsächlich interdisziplinäre Qualitäts-Suche - ein Alleinstellungsmerkmal des Dienstes, von dem aus Nutzersicht aber zu wünschen ist, dass er bald Korrespondenzstrukturen an die Seite gestellt bekommt.

Von dem Rechercheergebnis im fachportal-paedagogik.de bzw. von infoconnex aus gelangt der Nutzer unmittelbar auf die natürlich zeit-, aber eben auch völlig orts-, d.h. etwa campus-ungebunden elektronisch verfügbaren Volltexte.

Was sich in der Theorie so einfach anhört, hat in der Praxis allerdings eine Schwachstelle über eine gewisse Verhaltenheit der Verlage, ihre Produkte tatsächlich online anzubieten. Die Sorge vor der tatsächlich oder vermeintlich ungeklärten technischen und rechtlichen Situation, vor allem aber die Sorge vor dem Verlust der Print-Abonnements, lässt viele Verlage hier vorsichtig handeln. Hinzu kommt, dass man es in den Geisteswissenschaften, in der Pädagogik und den Sozialwissenschaften in Deutschland wenig mit großen multinational agierenden Playern zu tun hat: Es überwiegen die kleinen und mittelgroßen Verlage, denen vielfach noch die Erfahrung mit dem Online-Gang ihrer Produkte fehlt und die die Kosten eines entsprechenden Erfahrungssammelns scheuen. Infoconnex bietet ihnen in der Projektaufbauphase deshalb Hilfestellungen an bei der Digitalisierung der Fachzeitschriften. Gleichwohl werden aus Nutzersicht vmtl. Lücken hinsichtlich der Volltextversorgung bleiben, die über eine unmittelbare Verzahnung mit subito für die Print-Ausgaben der von den Nutzer/innen gewünschten Ressourcen kompensiert werden.

Damit wird die gesamte Struktur sehr umfangreich, was ganz klar eine Konsequenz nach sich zieht: Informationsselektion, Individualisierungsdienste und Filtersysteme sind unabdingbar.

Wie sieht nun die angesprochene finanzielle Seite für Nutzer/innen aus? Die gesamte Dienstleistung wird Interessierten im Pay-Per-View-Verfahren offeriert - Nutzer/innen aus dem In- und Ausland zahlen (per Kreditkarte oder Rechnung) pro angeklicktem Artikel. Der Preis ist dabei gestuft: Ein Nutzer aus dem Lehr- und Forschungskontext etwa einer Schule oder einer Universität zahlt weniger als ein sogenannter kommerzieller Nutzer. Auf diese grundsätzliche Differenzierung lassen sich alle bisher beteiligten Verlage gleichermaßen ein. Heterogener zeigen sich ihre damit konkret verbundenen Preisvorstellungen: Die zitierte Schmerzgrenze von drei bis fünf Euro pro Artikel wird von den meisten kleinen Verlagen eingehalten, die größeren internationalen allerdings liegen mit ihren Preisvorstellungen oft deutlich darüber - hier werden auch zwölf Euro und mehr verlangt. Dies ist im Vergleich mit den Preisspitzen anderer fachlicher Disziplinen immer noch mäßig - man muss aber abwarten, ob die Nutzerklientel - beispielsweise eine Studentin oder ein Lehrer, der Unterrichtsmaterial sucht - diese Preisstrukturen in Ausnahmefällen entgegen der Ergebnisse der Nutzerbefragungen noch für akzeptabel hält. Verfügt der Nutzer - beispielsweise über seine Hochschulbibliothek - allerdings bereits über die Volltext-Lizenz der Zeitschrift, deren Artikel er online lesen will, wird er via Systemcheck mithilfe der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek unmittelbar auf den gewünschten Text durchgeschaltet, rechnet selbst also keine Kosten ab; Pay-Per-View dient damit stets als Kompensationsstruktur, liegen keine anderen Lizenzen vor.

Korrespondierend erfolgt die Abrechnung der kostenpflichtigen Fachdatenbanken als Einstiege in das Gesamtsystem: In der Regel liegen lokale oder regionale Nutzungslizenzen vor; andernfalls kann der Nutzer entweder eine Lizenz - von einem Tag bis zu einem Jahr, für eine oder entsprechend der infoconnex-Struktur für mehrere Datenbanken - erwerben oder er beschränkt sich auf die Suche in den kostenfrei recherchierbaren rein bibliographischen Metadaten ohne Verschlagwortung und Abstract - er kauft dann den Volltext allerdings unter Umständen als "Katze im Sack".

Diese gesamte Finanzstruktur wird dem Nutzer als integrierter Service angeboten - er erhält eine Gesamtrechnung über alle Dienstleistungen des fachportal-paedagogik.de und zugleich ggf. über alle drei Fachangebote von infoconnex hinweg.

2.2 fachportal-paedagogik.de und vascoda

Das fachportal-paedagogik.de und infoconnex als in sich bereits interdisziplinär angelegtes Wissenschaftsportal sind zugleich Teil des deutlich größeren Portals für wissenschaftliche Information in Deutschland vascoda8, in dem vielfältige Web-Projekt- und Web-Portalaktivitäten gebündelt angeboten werden: die Informationsverbünde ebenso wie die Virtuellen Fachbibliotheken, die Elektronische Zeitschriftenbibliothek ebenso wie künftig die Zeitschriftendatenbank, die Verbundsysteme ebenso wie Webis. Damit sind die Geistes- und Sozialwissenschaften integriert in eine noch komplexere Interdisziplinarität - bei gleichzeitiger fachlicher und individualisierter Nutzungsmöglichkeit.

Diese gesamte Struktur entspricht den beschriebenen Forderungen der Nutzer/innen: Sie wünschten sich einen One-Stop-Shop mit einem Single-Point-of-Entry, aber einer Vielfältigkeit der dahinter angebotenen Informationen und Informationsarten, sie wünschten sich die Aufhebung der Fächergrenzen, aber zugleich klare Individualisierungsmöglichkeiten bei der Nutzung, und last but not least forderten sie das Angebot attraktiver Bezahlkonditionen. Um all’ dies bemühen sich in einem eng verschränkten System das fachportal-paedagogik.de, infoconnex und vascoda.


Zur Autorin

Dr. Beate Tröger

Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung
Schloßstr. 29
D-60486 Frankfurt am Main
E-Mail: troeger@dipf.de
URL:
www.dipf.de


Anmerkungen

1. www.infoconnex.de

2. Detailergebnisse unter http://www.dipf.de/projekte/IMAC_summary_dipf.pdf

3. www.perine.org

4. www.bildungsserver.de

5. www.vascoda.de

6. Informationszentrum Bildung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt am Main http://www.dipf.de; Informationszentrum Sozialwissenschaften, Bonn http://www.gesis.org/IZ/; Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation, Trier http://www.zpid.de/

7. Pädagogik Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg http://www.ub.uni-erlangen.de/; Sozialwissenschaften Universitätsbibliothek Köln http://www.ub.uni-koeln.de/; Psychologie Universitätsbibliothek Saarbrücken http://www.sulb.uni-saarland.de/

8. http://www.vascoda.de