Die Einführung von Libero in Sachsen

Erfahrungen bei Auswahl, Einsatzplanung und Migration zu einem neuen Bibliotheksinformationssystem der sächsischen Hochschulbibliotheken

von Jürgen Grothe


Abstract

1. Einleitung
2. Die "elektronische" Vorgeschichte der SLUB bis 2000

3. Die Systemauswahl

4. Funktionseinschätzung LIBERO

5. Performance-Test des Bibliothekssystems LIBERO

6. Randbedingungen / Entwicklungen / Dienstleistungen

7. Finanzierung der Ausstattung im HBFG-Verfahren

8. Das SLUB-Projekt: Migration zum integrierten Lokalsystem LIBERO

9. Einführungsstand LIBERO in Sachsen

10. Resümee


 

1. Einleitung

Bereits im Jahr 1997 wurde der Bedarf der am Südwestdeutschen Bibliotheksverbund teilnehmenden sächsischen Hochschulbibliotheken offenkundig, ihre alten Lokalsysteme abzulösen und neue Dienste für ihre Nutzer einzuführen, die auf den modernen Technologien der IT basierend sowohl innovative Lösungen als auch nachhaltig betriebsfähige Systeme realisieren.

Erstens waren die technologischen Möglichkeiten deutlich fortgeschritten und die Einschätzung der DFG für die im Einsatz befindlichen Systeme in Bibliotheken trafen unmittelbar auf die sächsischen Hochschulbibliotheken zu (AHLB96):

"Bei den im Einsatz befindlichen Systemaustattungen sind

Diesem Anspruch gerecht zu werden ist ein längerer und nicht einfacher Weg, wenn er - wie hier gezeigt werden soll - den spezifischen Randbedingungen der zu neuen Dienstleistungen und Systemen migrierenden Bibliotheken Rechnung tragen muss.

Die entscheidende Herausforderung des sächsischen Weges war - um es gleich am Anfang zu nennen - einen trägfähigen und entwicklungsfähigen Kompromiss zwischen bibliothekarischen, durchaus neuen Anforderungen und technisch-technologischen Möglichkeiten zu finden.

Auch war und ist der korrekte Ansatz, dass aus der Nutzung der informationstechnologischen Möglichkeiten neue bibliothekarische Dienste zu entwickeln sind, in der praktischen Umsetzung nicht unproblematisch. Die IuK-Technologien entwickeln sich stürmisch fort.

Bereits zwei Jahre später betont die DFG in ihren Empfehlungen von 1998 (AHLB98) deshalb u.a. besonders:

" ... Systemausstattungen müssen (u.a.)

Anliegen dieses Beitrages ist es daraus folgend, aus der spezifischen Situation der sächsischen Bibliotheken den Weg der Auswahl, ihrer Einsatzplanung und schließlich der Migration zu den neuen Angeboten darzustellen und ausgewählte Aspekte der sächsischen Entscheidungen zu untersetzen. Ausführlicher sollen auch technisch-technologische Aspekte beleuchtet werden.

Insgesamt ist für elf sächsische Hochschulbibliotheken ein Auswahl- und Migrationsprozess durchgeführt worden. Dies sind

  1. Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), TU Dresden

und die Bibliotheken der

  1. HTWK Leipzig (FH)
  2. HTW Dresden (FH)
  3. TU Bergakademie Freiberg
  4. WSH Zwickau (FH)
  5. HS Zittau/ Görlitz (FH)
  6. HS Mittweida (FH)
  7. TU Chemnitz
  8. Universität Leipzig
  9. HGB Leipzig
  10. HfBK Dresden

Die SLUB war beauftragt, den Auswahlprozess für alle Bibliotheken durchzuführen und den Migrationsprozess zu koordinieren.

Da die Ausgangslage aller Bibliotheken hinsichtlich Ablösebedarf und Anforderung an ein neues System vergleichbar war sowie die Auswahl in Abstimmung mit allen Bibliotheken fortlaufend erfolgte, kann hier stellvertretend auf die Situation der SLUB Bezug genommen werden, welche für alle anderen in Analogie galt, ohne deren Spezifik zu negieren.  

2. Die "elektronische" Vorgeschichte der SLUB bis 2000

Die Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) wurde am 22. Januar 1996 mit der Vereinigung der Sächsischen Landesbibliothek und der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Dresden als Anstalt öffentlichen Rechts gegründet. Sie gliederte sich - bis Mai 2002 vor allem räumlich - in eine Zentralbibliothek und 15 Zweigbibliotheken, die gemeinsam mit weiteren Außenstellen auf über 30 Standorte im gesamten Dresdner Stadtgebiet und Umgebung verteilt waren. Die Zentralbibliothek bestand aus der vormaligen Universitätsbibliothek einschließlich Studienbibliothek im TU Campus und aus der vormaligen Sächsischen Landesbibliothek. In Vorbereitung auf den Neubau galt es, die Ablösung der Altsysteme vor Bezug desselben abzuschließen.

Die bis 2000 in der SLUB betriebenen DV-Systeme boten in ihrer Gesamtheit Automatisierungslösungen für alle Bereiche des Geschäftsganges und der bibliothekarischen Hauptprozesse an.

Die spezifische historische Entwicklung der SLUB hatte jedoch dazu geführt, dass in unterschiedlichen Standorten und Anwendungsbereichen unterschiedliche Systeme zum Einsatz kamen. Neben den Systemen für die Erwerbung, die Katalogisierung mit Formal- und Sacherschließung, die Nutzung der Kataloge (OPAC) und die Zeitschriftenverwaltung wurden und werden Haushaltssysteme (Hochschulinformationssysteme HIS) sowie Eigenentwicklungen für Statistikfunktionen zur Kontrolle der Erwerbungsdaten bzw. Haushaltsdaten eingesetzt.

Folgende Randbedingungen haben den Ausbau der DV-Systeme und die bestehende Situation entscheidend geprägt:

In den letzten Jahren vor der Errichtung der SLUB haben beide Vorgängereinrichtungen in DV-technischer Hinsicht eine rasante Entwicklung durchlaufen.

Die ehemalige Universitätsbibliothek katalogisiert ihre Bestände seit dem Erwerbungsjahr 1992 in maschinenlesbarer Form in die Katalogisierungsdatenbank des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB). Die ehemalige Landesbibliothek katalogisiert seit 1991 ihre Neuzugänge in maschinenlesbarer Form. In den Jahren 1991/92 ca. 80 Prozent des Neuzuganges vorerst offline über ISBN-Abruf, seit 1993 den gesamten Neuzugang online in den Südwestdeutschen Bibliotheksverbund. Dafür sind in den Jahren 1991/92 die ersten PC-Systeme installiert worden. Parallel wurden Novell-basierte Lokalsysteme aufgebaut, die mit der Bibliothekssoftware BIS-LOK (Version 1.5) die ersten OPAC anboten. Die Nutzung war auf die Gebäude der Hauptstandorte beschränkt.

Im Jahre 1994 wurde ein grundlegender technologischer Wandel vollzogen. Es wurden UNIX-basierte Client-Server-Lösungen eingesetzt, welche bis zur Ablösung mit LIBERO stabil im Einsatz waren. Basis dieser Lokalsysteme waren UNIX-Server vom Typ IBM RS/6000 und das Bibliothekssystem BIS-LOK in verschiedenen Versionen der Fa. DABIS GmbH. Zwar waren dadurch "Internet-OPAC" via Telnet im Angebot, jedoch ließen sich diese Systeme nicht angemessen zu webbasierten Technologien erweitern.

Als technische Voraussetzung der Integration der DV-Systeme der SLUB wurde im Januar 1996 begonnen, in enger Kooperation mit dem Universitätsrechenzentrum der TU Dresden (URZ) die Standorte untereinander zu vernetzen und die Internet-Technologie in allen Bereichen anzuwenden. Waren zum Zeitpunkt der Fusion nur sechs Standorte an das Campusnetz angeschlossen, so konnte in den Jahren 1996 und 1997 die Netz-Infrastruktur entscheidend verbessert werden. Ende 1997 waren alle Standorte der Zentralbibliothek untereinander verbunden und alle Zweigbibliotheken an das Datennetz angeschlossen.

Im Lokalsystem und Serverbereich wurde bis 1998 intensiv versucht, mit der verfügbaren Software BIS-LOK Lösungen einzuführen, die an allen Standorten der SLUB gleichartig nutzbar sind ("Fusioniertes BIS-LOK"). Durch die Leistungsgrenzen der vorhandenen Server-Hardware konnte dies nicht erreicht werden, auch wenn alle OPAC via Internet-Zugriff untereinander verfügbar waren. Obwohl eine erfolgreiche Zusammenführung aller Daten der beiden Vorgängereinrichtungen in einem BIS-LOK-System möglich war, scheiterte die Nutzbarkeit des entstandenen Systems am Antwortzeitverhalten. Die für eine "fusionierte Lösung" vorgesehene Vereinigung der Datenbestände in der SWB-Verbunddatenbank konnte ebenfalls nicht umgesetzt werden, sondern musste bis zur Einführung eines neuen Bibliotheksinformationssystems warten.

Als positives Ergebnis dieser Bemühungen verblieb in der SLUB jedoch ein enormer Erfahrungsschatz zur Zusammenführung von bibliothekarisch "gleichartig" strukturierten Datenbeständen und "gleichartigen" Anwendungsszenarien, denn trotz der gleichen systemtechnischen Voraussetzung (BIS-LOK) waren die Datenbestände und Anwendungsregeln nicht automatisch gleichartig.

Seit 1997 hatten sich die o.g. sächsichen Bibliotheken für die Einführung eines einheitlichen, integrierten Lokalsystems engagiert. Das Engagement der SLUB erfolgte im besonderen in umfangreichen Testarbeiten für das Ziellsystem. In Kooperation mit dem BSZ Baden-Württemberg war die Einführung des Systems Horizon des Anbieters Dynix GmbH geplant. Letztendlich konnte die Dynix GmbH aber bis Ende 1999 kein funktionsfähiges Zielsystem bereitstellen.

Die zwei schmerzlichen Erfahrungen,

hat das Verständnis für

an der SLUB entscheidend geprägt.

Darauf aufbauend wurden im Frühjahr 2000 die Anforderungsunterlagen und das Procedere einer erneut notwendigen Auswahl eines Bibliotheksinformationssystems erarbeitet.  

3. Die Systemauswahl

"LIBERO - was ist das?", so hätte im Januar 2000 sicher die verwunderte Frage vieler betroffener Bibliotheken gelautet, hätte man damals vorgeschlagen, dieses System einzuführen. Eine Marktanalyse der damals in wissenschaftlichen Bibliotheken eingesetzten Systeme bzw. aktuell in der Einführung befindlichen Software hätte andere Systemnamen erwarten lassen. Auch die kurze Durchsicht der am Markt angebotenen Systeme ließ keine einfache und schnelle Antwort zu.

Also sind von Januar bis April des Jahres 2000 nochmals die inhaltlichen Anforderungen der sächsischen Hochschulbibliotheken bestimmt worden. In Abstimmung zwischen den elf Bibliotheken wurde erneut abgewogen und - um die gemeinsamen bibliotheksfunktionalen Anforderungen und Kräfte zu bündeln als auch ggf. Synergien zu nutzen - erneut bestimmt:

"Auswahl eines einheitlichen, integrierten Bibliothekssystems / Lokalsystems".

Jedoch wurde auch in Frage gestellt: Der Wechsel des Verbundsystems darf nicht zwingend notwendig sein, sollte aber in der Auswahl auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Die SLUB wurde mit der Koordinierung des Auswahlverfahrens beauftragt, die bis April 2000 in der Erarbeitung von Anforderungskatalogen, dem Aufstellen von Mengengerüsten (Daten-, System- und Anwendungszahlen) sowie der ersten Marktsichtung bestand.

Auf Grund der großen Dringlichkeit wurde entschieden, ein neues Auswahlverfahren im Verhandlungswege durchzuführen. Bis Anfang April 2000 wurden in Abstimmung zwischen allen betroffenen Bibliotheken die Auswahlunterlagen abschließend ausgearbeitet und ein Gremium eingesetzt, das die SLUB bei der Durchführung des Auswahlprozesses unterstützt und die betroffenen Bibliotheken beteiligt.

Im April 2000 wurden Firmen, die auf der Grundlage einer Marktanalyse für ein Lokalsystemangebot geeignet erschienen, angeschrieben und zur Teilnahme aufgefordert. Gleichzeitig wurde die Absicht, ein neues Lokalsystem auszuwählen, im Supplement zum Amtsblatt der EG (2000/ 97-064420) veröffentlicht, um weiteren Anbietern die Chance zur Teilnahme einzuräumen. Die Chance zur Bewerbung haben weitere fünf Firmen genutzt. Nach Klärung der Modalitäten des Verfahrens verblieben acht Anbieter im Auswahlprozess, denen die Ausschreibungsunterlagen zugesandt wurden.

Insgesamt wurde der Entscheidungsprozess in vier Schritten durchgeführt.

Mengen der Einrichtungen Betriebssystem Bibliothekar-
Arbeitsplätze
(Lizenz)
Benutzer-
Arbeitsplätze
(LAN-OPAC)
Summe
Client Lizenzen
    IST IST PLAN
SLUB Dresden Unix* 48 271 300
Universitätsbibliothek Leipzig Unix* 4 100 140
Technische Universität Chemnitz Unix* 16 16 61
TU Bergakademie Freiberg Novell 7 100 35
HTW Dresden Novell 16 50 12
HTWK Leipzig Novell 3 50 15
HTW Mittweida Novell 5 55 11
HTWS Zittau Novell 5 55 10
HTWS Zittau; Außenst. Görlitz Novell 1 2
WSH Zwickau Novell 10 50 17
  MS-DOS Entry 1 -
  Dezentral. OPAC - 1
Hochschule für Bildende Künste Novell 2 3 2
Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Novell 2 2 2
* IBM AIX 4.x; SUN Solaris, Linux
Bestandsentwicklung   Titel-Bestand
1991 - 2000
Januar-Februar 2000
Titel
Summe
Exemplare
SLUB Dresden   1.605.170 9.954 37.049
Universitätsbibliothek Leipzig   780.989 6.448 20.582
Technische Universität Chemnitz   311.895 807 7.758
TU Bergakademie Freiberg   148.060 754 3.596
HTW Dresden   49.638 149 1.423
HTWK Leipzig   54.715 134 1.915
HTW Mittweida   71.965 378 1.767
HTWS Zittau   57.342 290 2.114
HTWS Zittau; Außenst. Görlitz   1 2
WSH Zwickau   50.628 359 2.769
    1-
    -1
Hochschule für Bildende Künste   27.878103417
Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig   19.247213791

Tabelle 1: Mengengerüst mit Anzahl Arbeitsplätze und Bestandsentwicklung 1991 bis 2000 der Sächsischen Bibliotheken im SWB (Monographien und Zeitschriften)

Bestandteil der an die Anbieter versandten Auswahlunterlagen waren Mengengerüste (siehe Tabelle1), funktionale Anforderungen und Parameter der z.Z. in Sachsen noch im Einsatz befindlichen Lokalsysteme.

Aus den vorangegangenen Erfahrungen waren Kriterienkataloge hervorgegangen, welche den Firmen zur Beantwortung übersandt wurden. Die Kriterienkataloge waren gegenüber den "sonst üblichen" mehrere Hunderte Einzelpositionen umfassenden Katalogen auf ein "Kernspektrum" in drei Bereichen reduziert worden:

Bibliothekarische Funktionalität (322 Einzelpositionen) zu den Funktionsmodulen:

Allgemeine Anforderungen / Randbedingungen (64 Einzelpositionen) zu:

Wichtigste Forderung für den ersten Schritt war gleichfalls die Demonstration des angebotenen Systems mit den spezifischen Bedingungen der SLUB. Hierzu wurden die bibliografischen Daten der SLUB auf CD z.V. gestellt und für das erste Gespräche die Demonstration einer Musterinstallation mit denselben erwartet.

Die wesentlichen zwei ersten Schritte des Auswahlverfahrens waren:

  1. Beantwortung des Kriterienkataloges; Erstellung und Präsentation einer Musterinstallation des angebotenen Systems mit den Daten der SLUB durch den Anbieter
  2. Firmengespräch zum Kriterienkatalog, zu den Ergebnissen der Präsentation und zur Systembewertung

Die Auswahlschritte 1 und 2 wurden für alle acht Anbieter durchgeführt:

AnbieterSystem
LIB-IT GmbHLIBERO
DABIS GmbH WienBIS-C 2000
Verbundzentrale des GBVPICA
DYNIX GmbHHORIZON 5.2g
ExL GmbHAleph 500
SISIS GmbHSISIS
B.O.N.D. GmbHBibliotheca 2000
Astec GmbHADIS/BMS

Tabelle 2: In die Auswahlbewertung einbezogene Anbieter und Systeme

Im Zeitraum von April bis Juli 2000 konnten durch die SLUB und das Auswahlgremium die Angebote der o.g. acht Anbieter und deren Systeme intensiv geprüft werden.Die Prüfung beinhaltete sowohl die Präsentation und Bewertung der Musterinstallationen als auch die Auswertung der eingereichten Unterlagen.

Besonders wichtig in dieser ersten Auswahlphase war die Bewertung der verfügbaren Funktionalitäten der angebotenen Systeme, da bei der gebotenen Dringlichkeit nur sofort einsetzbare und funktionsfähige Systeme für die Bereitstellung des neuen Lokalsystems in Frage kamen. Durch die Bewertung von Musterinstallationen, die die Anbieter mit Daten der SLUB aufgebaut und präsentiert hatten, war eine eindeutige Prüfung der sofort einsatzfähigen Funktion der angebotenen Systeme möglich. Das Hauptaugenmerk galt neben der umfassenden Prüfung der bibliothekarischen Funktionalität in den "üblichen Anwendungsbereichen" wie OPAC / WebOPAC, Ausleihe und Erwerbung vor allem den Systemeigenschaften und Randbedingungen. Es wurde gefordert und geprüft, dass die Systeme integriert arbeiten, offene Schnittstellen aufweisen, skalierbar auf verschiedener Hardware einsetzbar sind u.a.m. Weiterhin sind die Leistungsfähigkeit der Anbieter und die Angaben zur Abwicklung des für die sächsischen Bibliotheken anstehenden Migrationsprozesses hinterfragt worden.

Mit Stand Juli 2000 blieb festzustellen, dass kein System ermittelt werden konnte, das alle von der SLUB im Verfahren gestellten Anforderungen erfüllt, sondern die Gesamtfunktion "Lokalsystem" wird von verschiedenen Systemen auf unterschiedlichste Art und Weise realisiert. Jedoch wurde durch den Auswahlprozess das derzeit erreichbare Funktionsspektrum bestimmt und eine Empfehlung der für die sächsischen wissenschaftlichen Bibliotheken geeignetsten Systeme möglich. Im Juli 2000 wurde entschieden, mit den Anbietern der aus dem Vergleich als am geeignetsten eingeschätzten Systeme weitere Verhandlungen aufzunehmen. Demgemäß sind ab Ende Juli 2000 zwei Systeme und deren Anbieter sehr detailliert befragt und intensiv untersucht worden: das System LIBERO, angeboten durch die LIB-IT GmbH und das System PICA, angeboten durch die Verbundzentrale des GBV.

Für die beiden verbliebenen Anbieter und Systeme sind zwei weitere Auswahlschritte 3 und 4 durchgeführt worden:

  1. Beantwortung weiterer technischer Anfragen zum Einsatz des Systems und schriftliche Fixierung des Funktionsspektrums des angebotenen Systems (Checklisten); Ableitung einer Systemarchitektur für die sächsischen Bibliotheken durch die Anbieter
  2. Abgabe verbindlicher Preisangebote

Von Juli bis Oktober 2000 wurden die Gespräche mit den Anbietern und Untersuchungen zum Einsatz der angebotenen Systeme darauf fokussiert, das seitens der Anbieter erreichbare und seitens der Anwender akzeptable Funktionsspektrum weitestgehend auszuloten:

Im Falle des Systems LIBERO wurde ein Performance-Test durchgeführt, mit dem - wegen fehlender Referenzlösungen vergleichbarer Größenordnung im Umfeld wissenschaftlicher Bibliotheken - der Nachweis zu erbringen war, dass das System die Anforderungsmengen einer "großen Bibliothek" bewältigt. Dieser Nachweis konnte erbracht werden (siehe Abschnitt: Performance-Test)

Nach Abschluss der inhaltlichen Gespräche gaben beide Anbieter zum 2.10.2000 verbindliche Preisangebote für die Bereitstellung der Software für das lokale EDV-System ab.

Die Angebote sowie die inhaltlichen Bewertungen und Ergebnisse wurden in einer Beratung am 10. Oktober 2000 von den Leitern der betroffenen wissenschaftlichen Bibliotheken sowie zwei Rechenzentrumsleitern und in Anwesenheit von Vertretern des SMWK vorgestellt und diskutiert. Die abschließende Entscheidung ergab eine deutliche Mehrheit für das System LIBERO der Fa. LIB-IT GmbH. Diese eher nüchterne "Beschlussfeststellung" darf hier mit einer detaillierteren Darstellung ausgewählter Aspekte des LIBERO-Systems ergänzt und untermauert werden.

Bevor dies jedoch geschieht, sei explizit darauf hingewiesen, dass das Angebot des GBV ebenfalls außerordentlich leistungsfähig war und durchaus Vorzüge an anderer Stelle aufwies. So war es z.B. erstmals gelungen, ein Lokalsystem-Angebot zu unterbreiten, das keinen Verbundwechsel erzwungen hätte, obwohl das PICA-Gesamtsystem einer zentralen Komponente bedarf. Der "zentrale Konverter" hätte auch einer neu zu realisierenden Schnittstelle zum SWB bedurft, aber andererseits Vorteile in einer sofortigen, verbundseitigen Verfügbarkeit von Fernleihsteuerungsfunktionen etc. bereitstellen können.

Abbildung 1: Architekturschema und Migrationsbedarf
(Klicken Sie bitte auf die Abbildung um eine Vergrösserung zu betrachten.)

Hier ohne nähere Erläuterung gibt Bild 1 das Architekturschema beider Angebote in der Einordnung in die Verbundlandschaft wieder und zeigt den Migrationsbedarf auf.  

4. Funktionseinschätzung LIBERO

In Zusammenfassung der LIBERO-Bewertung wurde festgestellt:

Die Ausleihfunktionalität bietet ausgereifte und technologisch korrekt abgebildete Standardfunktionen, bei denen die komplexe und umfangreiche Benutzerverwaltung sowie z.B. eine einfache Handhabung und Gestaltung des Quittungsdruckes auffallen. Die durchgängig mögliche Bedienung per Tastatur erleichtert die Ausleihe erheblich. Die Entleihung von Exemplaren, deren Titel noch nicht elektronisch erfasst vorliegen, ist einfach und schnell möglich. Eine Notverbuchung sichert die Arbeitsfähigkeit bei Ausfall des Datennetzes. Die Selbstverbuchung ist bei Einsatz der 3M Buchsicherung bereits als Standard berücksichtigt und einsetzbar.

Die gebende Fernleihe ist sofort als funktionaler Bestandteil der Ausleihe nutzbar. "Im Falle einer Entscheidung für LIBERO" hat die Firma für die nehmende Fernleihe "um die schnelle Bildung einer Fernleih-Arbeitsgruppe, die die verschiedenen Anforderungen definiert und priorisiert", gebeten. Dabei hat die Firma kompetente Beratung und die Umsetzung ohne Entstehung zusätzlicher Kosten zugesichert.

Dem Anspruch der orts- und zeitunabhängigen Verfügbarkeit des Systems für den Bibliotheksbenutzer wird durch den WebOPAC genügt. Hier sind differenzierte bibliographische Recherchen mit sehr guten Zugriffszeiten möglich. Benutzerinformationen, z.B. über eigene Entleihungen, können abgefragt werden. In einem ersten Entwurf der sächsischen Bibliotheken wurde der Ausbau der Selbstbedienungsfunktionen definiert und von der Firma ebenfalls als im Projekt weiter auszubauende Funktionalität ohne Zusatzkosten akzeptiert.

Vorteilhaft gegenüber dem System PICA bewerteten die sächsischen Bibliotheken die Existenz eines Dienstrecherchezuganges innerhalb des Lokalsystems. Damit kann für das Bibliothekspersonal der notwendige Zugang zu internen Informationen im System gesichert werden.

Die Erwerbung, vor allem die Erwerbungsdaten und -masken, zeichnen sich durch eine kompakte und übersichtliche Darstellung in Bezug auf Bestellung, die vorhandenen Budgets und deren Überwachung aus. Die dazu erforderliche Titelaufnahme versteht sich als integrierter Bestandteil der Katalogisierung.

Die Eigenschaft der Datenbank Caché, Daten unabhängig von ihrem Format zu speichern, ist in dieser Qualität und Vielfalt bei keiner Datenbank der anderen untersuchten Lokalsysteme vorzufinden. Das sichert für die Katalogisierung ein hohes Niveau und Flexibilität in Bezug auf die Einbindung anderer nationaler und internationaler Datenquellen. Es steigert die Effizienz und sichert die Unabhängigkeit von Datenstrukturen - und Formaten. Für die tägliche Arbeit werden jedoch die standardmäßig erforderlichen Datenformate bereits vom System unterstützt: MAB2, UniMarc, USMarc, UKMarc. Weitere Formate können jederzeit von der Bibliothek beliebig ergänzt und parallel genutzt werden. LIBERO benötigt kein eigenes, unflexibles internes Format. Variable Satz- und Feldlängen gestatten die Unterbringung aller möglichen Felder und Dateninhalte.  

5. Performance-Test des Bibliothekssystems LIBERO

Da eine Entscheidung für ein neues Lokalsystem die Dienstleistungsqualität der Bibliothek - vor allem aber auch die Verfügbarkeit und Schnelligkeit der für den Nutzer relevanten Funktionen der Ausleihe - bestimmt, ist eine positive Beurteilung des Leistungsverhaltens eines neuen Systems notwendig. Diese Beurteilung kann man erlangen, indem bekannte Einsatzfälle dieses Systems zu Rate gezogen werden. Für das GBV-Angebot und das System PICA konnte im Sommer 2000 durch die bestehenden Lösungen innerhalb des GBV von einem hinreichenden Nachweis ausgegangen werden (sog. Referenzlösungen). Fehlen diese - und für LIBERO lagen keine Referenzlösungen vergleichbarer Größenordnung im Umfeld wissenschaftlicher Bibliotheken vor - muss man Tests vornehmen.

Für das Systems LIBERO wurde am 13.9.2000 an der SLUB ein Performance-Test durchgeführt. Damit sollte geprüft werden, ob das System die Anforderungsmengen einer "großen Bibliothek" bewältigt. Es waren spezifische Aussagen zu gewinnen in den Bereichen

unter den an der SLUB gegebenen Einsatzbedingungen und Mengenanforderungen.

5.1 Testbedingungen

Für den Test wurde auf einem leistungsfähigen Server der SLUB (IBM RS/6000, AIX 4.3) ein komplettes LIBERO-System mit den bibliographischen Daten der SLUB aufgebaut und genutzt.

Für den Test wurden Szenarien (Testprozeduren) aller Anwendungsbereiche (vgl. manueller Test) erarbeitet, die als Testprozeduren durch Mitarbeiter aus sechs sächsischen Bibliotheken an 188 PC-Arbeitsplätzen "abgearbeitet" wurden. Zur Erzeugung einer adäquaten Lastanforderung sind weitere 191 PC mit automatischer Lastgenerierung/Datenbankabfragen eingesetzt worden. Die im Test genutzten PC waren an 29 Standorten der SLUB im gesamten Stadtgebiet Dresdens verteilt aufgestellt und die Daten sind zum großen Teil über das Campusnetz der TU Dresden übertragen worden.

Für die Ergebnisanalyse sind die Belastungsmodelle mit Messverfahren untersetzt und folgende Belastungsmodelle bzw. Messverfahren angewendet worden:

Folgende Angaben fassen die Testkonfiguration zusammen:

Testteilnehmer (Client-PC) 379 (188 Mitarbeiter, 191 automatische PC)
Serverkonfiguration  
  Typ IBM RS/6000 S70 Advanced
  CPU 4-Way PowerPC RS64 II 232MHz
  RAM 4 GByte
  Festplatten 4 * 9 GByte StripeSet
  Netzwerk 100Mbit/s TP FullDuplex
Datenbestand (ca. 80% des Datenbestandes der SLUB)
  Titeldaten 1,4 Mill.
  Exemplardaten 2,0 Mill.
  Benutzerdaten 80.000

Die Testarbeitsplätze waren an 29 verschiedenen Standorten im Stadtgebiet von Dresden verteilt. Die sehr heterogene Netzlandschaft kann technisch nach der zur Verfügung stehenden Bandbreite des Datennetzes klassifiziert werden. Dies klassifiziert auch die Qualität der Netzanbindung der Client-PC:

5.2 Testverlauf und Beobachtungsergebnisse

Die Testbearbeitung wurde am 13.09.2000 in der Zeit von 07.30 bis 10.00 Uhr durchgeführt. Während der Zeit von 07.00 bis 10.30 Uhr erfolgte die Messung und Systembeobachtung.

Abbildung 2: Anzahl der Nutzer im zeitlichen Verlauf des Tests (07.00 bis 10.30 Uhr)

Bild 2 stellt die während des Tests beteiligten Testplätze über der Zeit dar. Die Zuschaltung der Plätze erfolgte zeitlich gestaffelt, um bei eventueller Überlastung des Systems die dann beteiligte Platzmenge bestimmen zu können. Ein Überlastungszustand trat im gesamten Testverlauf jedoch nicht auf.

Die Anzahl der am Test beteiligten Plätze entspricht den heutigen Anforderungen im Produktionsbetrieb der SLUB und stellt damit eine hinreichendes Anforderungsprofil für die Beurteilung des Systemverhaltens bereit.

Abbildung 3: Auslastung des Servers im zeitlichen Verlauf des Tests (07.00 bis 10.30 Uhr)

Bild 3 zeigt die Auslastung des Servers ( Prozessorauslastung und Peripherielast) im Testverlauf. Die Werte der Peripherie sind dabei additiv zu denen der Prozessoren dargestellt. Die Grafik zeigt, dass mit erreichen der maximalen Anzahl von Testplätzen ca. ab der Mitte der Testphase die Auslastung bei 100 Prozent liegt.

Der eingesetzte Testserver besitzt im jetzigen Ausbaustand keine Reserven mehr für steigende Belastungsmengen. Die Belastung der Festplattensysteme als auch des Netzwerkanschlusses lassen hingegen auch für die Zukunft keinen Erweiterungsbedarf erkennen.

Die Stabilität des Testsystems war trotz der hohen Auslastung während der gesamten Testdauer gegeben.

Abbildung 4: Antwortzeiten nach Netzanschlussklassen (in Millisekunden) im zeitlichen Verlauf des Tests (07.00 bis 10.30 Uhr)

Bild 4 stellt das Antwortzeitverhalten während des Testverlaufes dar. In Bild 4 sind drei Kurven enthalten, die die unterschiedliche Qualität der Netzanbindung (s.o.) der Client-PC berücksichtigen. Die Antwortzeiten lagen selbst bei Volllast des Servers im akzeptablen Bereich von durchschnittlich 1,5 Sekunden (1500 Millisekunden). Die automatisch gemessenen Antwortzeiten wurden auch durch die subjektive Einschätzung der Testpersonen als sehr gut bestätigt.

Die untere (blaue) Kurve stellt das Antwortzeitverhalten der sehr gut angebundenen Standorte dar. Die Antwortzeit liegt deutlich unter 1 Sekunde.

Die mittlere (grüne) Kurve bezieht sich auf die gut angebundenen PC, z.B. in Standorten, welche über das Campusnetz der TU Dresden versorgt werden. Der Test fand mit paralleler Belastung des Campusnetzes unter normalen Arbeitsbedingungen statt. Auch bei dieser normalen Belastung in der universitären Umgebung lagen Antwortzeiten bei durchschnittlich 1,5 Sekunden.

Die obere (rote) Kurve in Bild 4 beschreibt das Antwortzeitverhalten der weniger gut angebundenen Client-PC. Dies ist deutlich schlechter, liegt aber noch im akzeptablen Bereich.

5.3 Ergebnisse des Performance-Tests

Die Stabilität des getesteten Systems war zu jedem Zeitpunkt gegeben. Weder der Test noch die nachfolgende Auswertung zeigten durch die Testbelastung erzeugte Fehler im Datenmaterial; die hohe Belastung wurde durch die Testkonfiguration fehlerfrei "verkraftet".

Das Antwortzeitverhalten des Systems ist gut bis sehr gut. Die im Test erkannten Abhängigkeiten der Antwortzeiten von der Kapazität der Netzanbindung der Standorte waren zu erwarten und sind nicht dem System LIBERO zuzuordnen. Die Lösung dieses Problems ist durch Verbesserungen des Datennetzes, ggf. durch Anpassung der Arbeitsplatzmengen zu erreichen.

Die getesteten Hardware- und Betriebssystembedingungen zeigen, dass der Testserver die Belastungsmenge des Tests zufriedenstellend verarbeitet hat. Zwar zeigt das Systemverhalten, dass für den Betrieb mit steigenden Lastmengen eine Verbesserung der zentralen Hardware der SLUB erforderlich ist, jedoch trat gleichzeitig trotz der hohen Systemauslastung kein kritisch ansteigendes Verhalten der Antwortzeiten auf. Dies spricht für eine gute Ressourcenauslastung durch die Datenbank und für die Stabilität des LIBERO-Systems.

Neben den dargestellten technischen Auswertungen sind weitere Erfassungen und Bewertungen der durch die Mitarbeiter vorgenommenen Testprozeduren durchgeführt worden. So sind z.B. durch 40 Mitarbeiter, die Testprozeduren des Ausleihbereiches bearbeiteten, in zwei Stunden rund 16.000 Ausleihvorgänge korrekt bearbeitet worden. Zum Vergleich: die Gesamtmenge an jährlichen Zugriffen auf die Ausleihe der SLUB ist mit 4.502.000 prognostiziert. Bei einer Öffnungszeit von täglich 12 Stunden an 6 Wochentagen und 52 Wochen im Jahr wird ein durchschnittliches Aufkommen von rund 1200 Ausleihvorgängen in der Stunde erzeugt. Im Test ist die sechsfache Menge in dieser Zeiteinheit korrekt bearbeitet worden.

Für die freiwillige Bereitschaft zur Teilnahme und die sehr intensive Testarbeit sei an dieser Stelle noch einmal allen Teilnehmern ganz herzlich gedankt.

Das eher technische Fazit lautet: In der heterogenen, universitären Umgebung der SLUB hat das Gesamtsystem LIBERO und Server bei hohen Mengen des Anforderungs- und Lastprofils seine Eignung zum Einsatz unter Beweis gestellt.

5.4 Ergänzung des Performance-Tests - August 2002

Im August 2002 ergab sich - nach dem Bezug des Neubaus der SLUB - die Notwendigkeit des Tests von Backup- und Havarie-Lösungs-Verfahren. Hierzu wurde das inzwischen auf leistungsfähigerer Hardware installierte LIBERO-Produktionssystem zeitweilig auf die im Herbst 2000 eingesetzte "alte Hardware" verlagert.

Bei einer aktuellen Anwendungsmenge von ca. 300 Clients aber deutlich reduziertem Nutzeraufkommen in der Sommerpause konnte festgestellt werden, dass LIBERO stabil und sicher arbeitet. Da die subjektiven Beobachtungen des Personals nicht zu einer unakzeptablen Verschlechterung der Performance und des Antwortzeitverhaltens führten - also die Perfomance erneut bestätigt wurde - , sind hier keine z.Z. adäquaten Leistungskurven erstellt worden. Dies bleibt einer späteren Phase der Systemauslastung (bei weiter gestiegenem Daten- und Anwendungsvolumen) vorbehalten.  

6. Randbedingungen / Entwicklungen / Dienstleistungen

Im Auswahlprozess wurde hinsichtlich der Verbundanbindung und zum Datentransfer festgestellt, dass die von der SLUB im SWB-Format bereitgestellten Daten in der Musterinstallation ordnungsgemäß Verwendung fanden.

Für eine effektive Systemmigration weiter notwendige und ergänzende Anpassungen der in LIBERO bestehenden MAB-Schnittstelle für den Datentransfer vom/zum SWB wurden von der Firma LIB-IT sofort und kostenfrei zugesagt. Sie waren entsprechend der stattfindenden Entwicklung im SWB vorzunehmen. Bereits im September 2000 wurde in einer Präsentation des LIBERO-Systems der online-Download von der Datenbank des SWB mit anschließendem direkten Import in das LIBERO-System demonstriert.

Moderne system- und softwaretechnische Anforderungen an Bibliotheks-Informations-Systeme wurden für LIBERO ausführlich untersucht:

Es ist anzumerken, dass die vom Lokalsystemanbieter erforderliche Lösung die zurzeit bestehenden Formate des SWB unterstützen muss. Dies ist für LIBERO nachgewiesen und darüber hinaus die schnelle Realisierungsfähigkeit von neuen Anforderungen. Weitere Anpassungen hängen von den Entwicklungen der SWB-Verbund-Datenbank ab, deren Migration selbst noch aussteht. Eine Zusage des BSZ Baden-Württemberg für die Mitwirkung bei erforderlichen Anpassungen ist gegenüber der SLUB abgegeben worden.

Als wesentlichen Vorteil betrachteten die Sächsischen Bibliotheken - nicht zuletzt wegen der eingangs erwähnten Erfahrungen mit den Dienstleistungen der Anbieter - dass die LIBERO anbietende Firma LIB-IT GmbH ein klares Dienstleistungskonzept zur Durchführung der anstehenden Datenmigrationen vorlegen konnte. Dies sollte sich in der Praxis des Jahres 2001 recht schnell beweisen müssen.  

7. Finanzierung der Ausstattung im HBFG-Verfahren

"LIBERO - was kostet das?" - Diese Frage war bereits in der Auswahlphase und mit der Entscheidung für LIBERO bekannt. Jedoch genauer aufzustellen war ab November 2000 das Einsatzkonzept für das künftige System als auch die konkret benötigte Hardware, die weitere Kosten verursacht. Gemäß den Austattungsrichtlinien (AHLB98) sind in Koordinierung durch die SLUB für die neun förderfähigen Bibliotheken diese Einsatzkonzepte in Form von Finanzierungsanträgen nach dem Hochschulbauförderungsbesetz (HBFG) erarbeitet worden. Im Januar 2001 konnten diese Anträge über das SMWK bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingereicht werden.

Im Begutachtungs- und Entscheidungverfahren hat die SLUB das gemeinsame, einheitliche Einsatzkonzept gegenüber der DFG vorgestellt und begründet. Im Begutachtungsprozess wurden wesentliche, für den künftig weiter zu entwickelnden Einsatz von im universitären Umfeld wichtigen Einschätzungen verifiziert:

Im Sommer 2001 hat der Wissenschaftsrat die Anträge genehmigt und zur Finanzierung zugeordnet. Hier sei stellvertretend nur für die SLUB ausgesagt, dass per September Mittel in Höhe von 1,018 Mio. DM zur Finanzierung der Hardware- und Softwareausstattung zugewiesen wurden, die zu fast gleichen Teilen für die drei "Säulen" der Ausstattung notwendig sind: Software LIBERO, Zentrale Hardware (Server) und Arbeitsplatzausstattung.  

8. Das SLUB-Projekt: Migration zum integrierten Lokalsystem LIBERO

8.1 Migrationspfade und -schritte

Die Migrationsplanung für die SLUB hatte besonderes Gewicht, sollte sie doch zum einen mit den o.g. Altlasten der "elektronischen" Vorgeschichte aufräumen. Zweitens stand für die SLUB der Anspruch, als Koordinator und Vorreiter des LIBERO-Geschehens die Prototypen der Migrationswege und -verfahren zu testen, die für alle anderen Bibliotheken zur Anwendung kommen sollten.

Der Migrationsbedarf bestand in folgenden Fällen:

Vorbereitender Schritt: Sigelvereinigung im SWB

Das Migrationsprojekt der SLUB startete bereits im März des Jahres 2001 mit einem spezifischen Vorbereitungsschritt, der die historisch entstandenen Katalogisierungsbestände der Vorgängereinrichtungen in der SWB-Verbunddatenbank zu fusionieren und die Katalogisierung in der SLUB "bis ins letzte Detail" zu vereinigen hatte. In enger Kooperation mit dem SWB wurde die Bestandszusammenführung erarbeitet, durch den SWB ausgeführt und auf die Katalogisierung "unter einem Sigel" umgestellt. Diese im SWB so genannte Sigelvereinigung gelang nicht nur für die SLUB, sondern konnte später auch für historisch analog entstandene Datenbestände der UB Leipzig genutzt werden.

Begleitend war jedoch die Versorgung der noch getrennt existierenden zwei OPAC/Ausleihsysteme aufrecht zu erhalten, obwohl vom SWB nur noch ein Datenstrom zum Lokalsystem eintraf. Das Problem, die Daten lokal wieder zu splitten, löste die LIB-IT GmbH mit einem Analyse- und Splitprogramm für die SLUB. Mit diesem "Splitprogramm" wurde die Kontinuität der Datenversorgung der Altsysteme bis zum produktiven Start des LIBERO-Systems gesichert, ohne in die Altsysteme eingreifen zu müssen.

Planung der Migrationspfade

Für die eigentliche Migration waren vier Datenquellen zu nutzen und die Frage zu beantworten, in welchen Formaten und woher mit welchen Informationen die Daten zu übernehmen wären.

Datenquelle Verbunddatenbank (SWB):

In Abstimmung mit dem SWB, der Fa. LIB-IT GmbH und der SLUB wurde als Migrationsformat MAB-2 festgelegt für die Lieferung der kompletten Information (Norm, Titel-Lokal- und Exemplardaten) aus der Verbunddatenbank. Eine relativ große Diskussion entspann sich, ob die sog. Exemplardaten für das neue System aus der Verbunddatenbank stammen müssen oder aus den Lokalsystemen zu migrieren wären.

Um es vorweg zu nehmen: Diese Frage ist individuell nur für jede einzelne Bibliothek zu beantworten, da dies in entscheidendem Maße von den "lokalen" Datenmengen und Qualitäten abhängt. Die SLUB hatte einen hohen Bestand an nur lokal vorhandenen Informationen und entschied sich für eine Exemplardaten-Migration aus den lokalen Altsystemen.

Gleichzeitig war auch die Planung der online-Lieferformate des Verbundsystems erforderlich, für die verschiedene Produkte zum Einsatz kommen konnten. Die Qualität der zur Auswahl stehenden Produkte KATWIN oder BIBWORK sollte sich jedoch erst anhand von Tests in späteren Migrationsschritten entscheiden.

Datenquelle(n): Drei Altsysteme:

Die SLUB enstchloss sich zu einer vollständigen Übernahme der Altdaten aus den zwei OPAC-Ausleihsystemen, also für die Verwendung der lokalen Exemplardaten. Das zu bewertende Problem war die Zuordnung dieser Daten zu aus dem Verbund zu migrierenden Norm- und Titeldaten.

Ungewiß war in der Planung, ob die Übernahme von Daten aus dem Erwerbungssystem hinreichend gelingen würde. Ggf. wäre auf diese Daten zu verzichten.

Die eigentlich spannende Frage aller Beteiligten war, wie es mittels LIBERO gelingen würde, das "richtige Mischen" der Informationen aus den verschiedenen Quellen zu einer zufriedenstellenden Qualität und letztendlich zu einem funktionierenden System zu vollenden. Diese Verfahren waren, da in dieser "Mischform" seitens LIB-IT GmbH bisher noch nicht praktiziert, und zudem sollten gleichzeitig die SWB-Export- und Abzugsverfahren geändert werden, nur durch mindestens eine Testmigration zu verifizieren.

Anzumerken ist, dass zum Standardverfahren und -leistungsumfang der LIB-IT GmbH für eine Systemmigration immer die Parameterdefinition, Datenanalyse der Altssysteme und mindestens eine Testmigration inkl. Ergebnisbewertung letzterer gehört.

Allerdings: Vor einer Testmigration muss das neue System in seinen Grundparametern und erwarteten Funktionsweisen durch die Bibliothek definiert werden.

8.2 Neues Geschäftsgangsmodell

Die neuen Eigenschaften und Vorteile der LIBERO-Funktionalität waren im Auswahlprozess bereits festgestellt worden. Ab Mai 2001 waren diese "Hoffnungen" und das Wissen, dass LIBERO "viel mehr kann" als die Altsysteme, zu konkretisieren. Die Frage lautete nunmehr "LIBERO - was ändert sich?" in der SLUB.

Die entscheidende Änderung folgte aus dem integrierten System LIBERO im Zusammenwirken mit der Verbundkatalogisierung. Alle Geschäftsbereiche und -vorgänge waren untereinander neu abzustimmen sowie auf ihr Ineinandergreifen neu zu bestimmen. Nicht als Maßstab sollte dabei gelten "Wir verbessern die Automatisierung des Geschäftsganges". Dies war vielmehr Eingangsvoraussetzung für das eigentliche Ziel: Verbesserte Angebote für die Nutzer.

Die Eingangsvoraussetzung wurde geschaffen, indem durch zwei Gremien und mit erheblichem Schulungsaufwand in den Details des LIBERO-Systems ein neues Geschäftsgangsmodell aufgestellt wurde. Dem ersten Gremium "AG Migration" gehörten alle Abteilungsleiter der SLUB zur Entscheidungsfindung an. Dem zweiten Gremium "Projektgruppe LIBERO" oblag es, im Zusammenwirken mit der LIB-IT GmbH die Detaildefinition des Geschäftsgangsmodelles als auch der Systemdefinition "LIBERO an der SLUB" zu erstellen.

Abbildung 5: Geschäftsgangsmodell SLUB (Teil: Monografien, Stand: 06/2001
(Klicken Sie bitte auf die Abbildung um eine Vergrösserung zu betrachten.)

Ohne auf alle Details einzugehen, sind die Grundsätze des integrierten Geschäftsganges aus einer Prozess und -Systemanalyse hervorgegangen. Die beiden wichtigsten künftigen Instrumente Verbunddatenbank und Lokalsystem sind grün dargestellt. Das mit einem integrierten System LIBERO erreichbare Verfahren ist, dass der Informationsfluss zwischen den einzelnen Bearbeitern und Bearbeitungsstellen (grüne Pfeile) überwiegend über diese Systeme erfolgt. Buch/Medienbewegungen, Bearbeitungschritte und Bearbeitungsflüsse (gelb, blau), die das System nutzen, waren jeweils neu zu untersuchen und mit den Funktionen des LIBERO-Systems anders zu gestalten.

Erste Datenmigration; Daten- und Funktionstest LIBERO

Die erste Systemdefintion "LIBERO an der SLUB" wurde im Mai/Juni 2001 durch die Projektgruppe und LIB-IT GmbH erstellt. Sie umfasste:

Mit dieser Definition wurde das erste Testsystem implementiert und die erste Datenmigration durchgeführt. Hier wurden insgesamt 9 Mio. Datensätze aus den vier verschiedenen Datenquellen in ein LIBERO-Testsystem umgesetzt und nachfolgend 5 Prozent detailliert bewertet. An der Untersuchung der 5prozentigen Testmenge (immerhin 45.000) Datensätze haben 40 Personen mitgewirkt.

Erst mit diesem 1. Testsystem war die Verifikation möglich, ob das Datenmodell und die Funktionsvorstellungen der SLUB korrekt waren. Es bleibt die Erfahrung, dass die entscheidende Systemvorbereitung die intensive Bearbeitung der Systemdefinition und Altdatenanalyse für die erste Datenmigration als auch die sorgfältige Funktionsanalyse am ersten Testsystem ist. Sofern sie nicht erkannt werden, sind im Ergebnis dieses Migrationsschrittes die methodischen Fehler für die Zukunft manifestiert.

Die SLUB hat - als Vorreiter des Verfahrens für die folgenden Bibliotheken - festgestellt:

Mit diesen Erfahrungen und vielen Erkenntnissen begann die zweite Testmigration, welche von August bis Oktober nach dem gleichen Schema durchgeführt wurde:

Das Ergebnis des zweiten Datentests war deutlich besser:

Für die SLUB konnte zu diesem Zeitpunkt auch das Verfahren der online-Versorgung (Download) entschieden und die künftige Verfahrensweise der Katalogisierung bestimmt werden. Der SWB empfahl tendenziell die Möglichkeit, künftig auf die Exemplarkatalogisierung im Verbundsystem verzichten zu können. Die SLUB ging in logischer Konsequenz aus ihrem Migrationspfad und der Vereinfachung ihres Geschäftsganges diesen Weg konsequent zu Ende und beschloss, Exemplare ab Einführung von LIBERO nur lokal zu katalogisieren. Bei diesem Vorgehen ist das Download-Produkt KATWIN angemessen einsetzbar. Andere Bibliotheken haben später anders entschieden.

Zwei weitere Voraussetzungen waren vor Einführung von LIBERO ebenfalls zu leisten, deren kurze Aufführung an dieser Stelle nicht den notwendigen Arbeits- und Veränderungsaufwand widerspiegelt: die Schulung des Personals und die Installation der neuen Ausstattung.

8.3 Schulung des Bibliothekspersonals

An der SLUB sind - neben den für die Datenmigrationen notwendigen Personaleinweisungen - in der Benutzung des Systems 350 Personen in 68 verschiedenen Kursen mit 650 Teilnehmern geschult worden. Die Teilnehmerzahl erklärt sich aus der Notwendigkeit, Personal in verschiedenen Anwendungsbereichen eines integrierten Systems zu unterweisen.

Kurse fanden zu allen Anwendungsbereichen des Lokalsystems statt: Recherche, Ausleihe (Grund- und Aufbaukurs), Katalogisierung, Verbundkatalogisierung, Erwerbung.

Dieses umfangreiche Schulungsaufkommen konnte effektiv nur durch das Prinzip "train the trainer" erbracht werden. Im ersten Schritt hat die LIB-IT GmbH 40 Mitarbeiter der SLUB geschult, die nachfolgend als Trainer tätig wurden. Als neue Qualität der Dienste einer Bibliothek ist hervorzuheben, dass das gesamte Schulungsgeschehen ohne Beeinträchtigung der Benutzbarkeit der Bibliothek organisiert und von den Beteiligten mit Engagement getragen wurde.

Rückblickend ist dies als enorme Leistung sowie als hoher - jedoch sehr notwendiger - Aufwand einzuschätzen.

Im Rahmen der Neu- bzw. Erneuerungsausstattung der SLUB mit Arbeitsplätzen sind für die Schulungen zeitweilig zwei Schulungsräume mit insgesamt 26 PC-Arbeitsplätzen eingerichtet worden.

8.4 Erneuerung der Ausstattung

Mit Bereitstellung der Mittel aus der HBFG-Bewilligung ist in kürzester Zeit die Erneuerung der Ausstattung vorgenommen worden - in Summe rund: 100 Arbeitsplatz-PC mit erforderlicher Peripherie. Der leistungsfähigere Server stand Anfang November für die eigentliche Datenmigration bereit.

Ergänzt werden musste diese Ausstattung durch eine Datensicherungslösung zum Backup der zu erwartenden Datenmengen.

Eine zweite entscheidende Voraussetzung für die ordnungsgemäße Verteilung der LIBERO-Software auf die Client-PC war die Einführung eines Enterprise Management Systems. Trotz der Streulage der SLUB über viele Standorte und mit unterschiedlichen Qualitäten der Netzanbindung ist zu sichern, dass LIBERO-Clients bei Versionswechseln/update auf 300 Clients tatsächlich "über Nacht" - während der Schließzeiten der Bibliothek - sicher verteilt werden können, während gleichzeitig der Server die neue Version erhält.

Die dritte und eigentliche Migration zum Lokalsystem LIBERO an der SLUB

LIBERO verbessert die Arbeit in der SLUB und das Angebot für den Nutzer. Dies war im Oktober 2001 Gewissheit, nachdem das Ergebnis der zweiten Testmigration feststand. Nun war die eigentliche Migration und die "letzte funktionale Feinabstimmung" detailliert zu planen und durchzuführen. Bisher war der Bibliotheksnutzer auch nicht von den Aktivitäten direkt betroffen, denn er "sah" noch immer die alten Systeme und Dienste. Ziel der SLUB war es gleichfalls, die Bibliothek durch die Umstellung für den Nutzer nur minimal einzuschränken und die Dienste weitestgehend verfügbar zu halten.

Die Leistung, dem Nutzer eine minimale Einschränkung in der Verfügbarkeit der Bibliotheksdienste aufzuerlegen, wurde durch eine detaillierte Ablaufkoordinierung erbracht.

Ohne sichtbare Auswirkung für den Nutzer stoppte am 16.11.2001 die Katalogisierung im SWB und es begann der Datenexport (MAB-2: 4,68 Mio. Titeldaten).

Am 28.11.2001 wurden die Altsysteme für den Export der Daten eingefroren. Gleichzeitig startete eine "Kleine LIBERO-Ausleihe" an 31 Ausleihstellen, die den Normalbetrieb der Bibliothek sicherstellte.

Aus den Altsystemen sind in Summe 7,5 Mio. Datensätze zur Übernahme bereitgestellt worden (Exemplardaten, Benutzerdaten, Verbuchungsinformationen etc.).

Der Aufbau des Zielsystems LIBERO an der SLUB aus den o.g. Daten benötigte 14 Tage. Lediglich an einem Tag, dem 15.12.2001, stand die Bibliothek den Nutzern nur zur Präsenznutzung, nicht jedoch zur Ausleihe zur Verfügung. An diesem Samstag sind die "Verbuchungsinformationen", welche mit der "Kleinen LIBERO-Ausleihe erstellt wurden(49.000 Vorgänge), technisch unterstützt "eingesammelt" und in LIBERO nachgeführt worden.

Die technisch nüchterne Berechnung der Datenmigration (Ausgangsmengen 4,68 Mio. Titel aus dem SWB zusammengeführt mit den 7,5 Mio Datensätzen aus den Lokalsystemen) ergab im Zielsystem eine Ergebnismenge von 9,14 Mio. Datensätzen. Durch die in der Migration mögliche und erforderliche Strukturbereiniung als Beseitigung der reduntant/dublett vorgehaltenen Daten in den Ausgangssystemen ist ein deutlicher Effizienzgewinn zu verzeichnen. Und: die wirkliche, technische Fehlermenge der nicht überführbaren Informationen, d.h. Datensätze, die nicht durch die Migrationsprogramme in der neuen Struktur einordenbar waren, betrug 1800 Datensätze. Diese sind unmittelbar manuell nachgeführt worden.

8.5 LIBERO-Start an der SLUB

Am 17.12.2001 stand das neue Lokalsystem an der SLUB mit der vollen Funktion von WebOPAC und Ausleihe zur Verfügung.

Die Vorteile der neuen Bibliothekssoftware wirken sich seitdem unmittelbar für die Nutzer der SLUB aus. Durch die benutzerfreundlichere, WWW-fähige Oberfläche (siehe http://webopac.slub-dresden.de) kann die Recherche weltweit mit verbesserten Funktionen und mit ausbaufähigen Technologien angeboten werden. Die Integration der seit Anfang der 90iger Jahre im Einsatz befindlichen Systeme und Zusammenfassung der bisher getrennten OPAC (ehemalige Universitätsbibliothek und ehemalige Landesbibliothek) eliminiert die bisher notwendige Doppelsuche. Das neue System ist durch die verbesserte Software- und Hardwaresituation darüber hinaus deutlich schneller, was sich z.B. in den verkürzten Reaktionszeiten widerspiegelt. Für die SLUB ist die termingerechte Implementierung mit Jahresende 2001 zudem eine wesentliche Vorbereitung für den Bezug des Bibliotheksneubaus, da mit diesem System die internen Geschäftsabläufe neu gestaltet bzw. optimiert werden konnten.

Die beiden ebenfalls technisch am dem sog. "Live-Termin" verfügbaren Anwendungsbereiche Katalogisierung und Erwerbung werden - unter Berücksichtigung der Testbelastung dieser Bereiche - seit Januar 2002 stabil verwendet. Die Verbesserungen wurden bereits diskutiert: online-Download, integrierter Geschäftsgang, nur lokale Exemplarkatalogisierung etc.

8.6 Erfahrungen der SLUB zur Migrationsdurchführung LIBERO

Die Migration an der SLUB hat den Weg für die nachfolgenden sächsischen Bibliotheken aufgezeichnet. Die funktionellen Möglichkeiten des LIBERO-Systems, die Dienstleistungen des Systemanbieters und seine auch in den Testmigrationen bewiesene Migrations- und Entwicklungsleistungen boten eine gute Basis. An der SLUB wurden die spezifischen Verfahren mit dem SWB und der Fa. LIB-IT zur Anwendungsreife geführt.

Die wichtigste Erfahrung: Mit LIBERO wird alles anders? Ja, denn es gilt und galt, die Migration anhand der bibliothekseigenen Ziele und Abläufe vorzubereiten. Es gilt ferner, die möglichen Migrationspfade und -entscheidungen anhand der spezifischen Situation zu bestimmen. Einige Aspekte zur Wiederholung des Diskutierten:

Erst danach gilt. LIBERO - Es wird vieles besser!

Und es sei ohne Einzeldiskussion auch nicht verschwiegen:

LIBERO - Es kann noch vieles besser werden!

Es gibt drei Ansätze für die Verbesserungen:

  1. LIBERO hat Fehler - wie jede andere Software auch. Jedoch begegnet LIB-IT dem effektiv mit raschen Versionsentwicklungen.
  2. LIBERO wird noch gar nicht vollständig ausgenutzt. Das komplexe, weit parametrierbare System LIBERO und seine Offenheit für Ergänzungen ermöglichen eine kontinuierliche Verbesserung der Verwendung durch die Bibliothek selbst.
  3. LIBERO muss weitere Funktionalitäten integrieren, deren Implementierung noch nicht abgeschlossen ist, aber auch die Funktionsspezifikation der Anwender noch in der Entwicklung ist. Als Beispiel sei hier die Fernleihautomatisierung im Zusammenwirken mit dem Fernleihserver des BSZ genannt.

Verbessert wurde an der SLUB im Jahre 2002 kontinuierlich in allen drei Klassen. Ausdruck der stabilen Funktionsentwicklung ist auch die Bereitstellung neuer Softwareversionen durch den Hersteller. Aufgabe der Bibliothek ist es, neue Versionen vor ihrem Einsatz jeweils einem Funktionstest zu unterziehen. Dies dient weniger der Erkennung von Softwarefehlern, sondern in der Regel der sicheren Parametrisierung und Einsatzvorbereitung neuer Funktionen. An der SLUB wird in der Regel ein zwei- bis dreiwöchiger Vorbereitungstest durchgeführt. Bisher sind im Jahr 2002 vier Versions-Updates erfolgreich vorgenommen worden.

Der Schwerpunkt der Arbeit an bzw. mit LIBRO in der SLUB hat sich in 2002 verlagert. Stand bis Januar die Migration zu LIBERO im Vordergrund, so war ab Februar intensiv an der physischen Migration der Bestände, der Technik und der Mitarbeiter in den Neubau zu arbeiten.

Für die LIBERO-Anwendung heißt das erst recht, die sich ändernden Arbeitsprozesse adäquat zu berücksichtigen. Außerdem bestehen mehrere neue Arbeitsmengen: Die in den Neubau einziehenden Bestände ändern ihre Standorte, Aufstellungsart (zumeist: Magazin → Freihand) und Benutzungsmodalitäten. Notwendig werden dadurch erneut viele Prozesse der adäquaten Datenkorrektur ("elektronische" Bestandsumsetzung).

Die nicht ganz leichte Randbedingung, die "fassbare" Migration in den Neubau (April bis Dezember 2002) auch gedanklich in der "elektronischen" Migration des Jahres 2001 bereits zu berücksichtigen, ist ebenfalls gelungen, aber heute weder die eine noch die andere beendet.  

9. Einführungsstand LIBERO in Sachsen

Die eingangs genannten zehn weiteren Hochschulbibliotheken haben in diesem Jahr ebenfalls erfolgreiche Migrationsprojekte begonnen bzw. durchgeführt.

In der Tabelle 3 ist eine Übersicht über den Zustand der Einführung enthalten. Hervorgehoben sind ferner die Aspekte, welche in der vorangegangenen Diskussion als "individuelle" Entscheidung der jeweiligen Bibliothek bei Anwendung des im allg. gleichen Vorgehens- und Migrationsmodelles notwendig waren. Die spezifischen, im Detail sehr umfangreichen weiteren Entscheidungen werden hier nicht diskutiert, obwohl inzwischen ein erneuter Koordinierungsbedarf in der Weiterentwicklung der Funktionalitäten erkennbar wird.

Bibliothek Prämissen und Entscheidungen zum Startzeitpunkt (sog. Live-Betrieb) Projektstart - LIBERO Live
(Start - Version)

SLUB Dresden

WebOPAC, Ausleihe (Vereinigung)
Migration: 3 mal. 3 Systeme
+ Katalogisierung (Ex. Lokal / Katwin)
+ Erwerbung (+ Fernleihe / Zeitschriften)
01/2001 -
12/2001
(3.1.02)
HTWK Leipzig WebOPAC, Ausleihe
Migration: 2 mal. 2 Systeme
+ Katalogisierung (Ex. Lokal / Katwin) + Erwerbung (+ Fernleihe / Zeitschriften)
11/2002 -
05/2002
(3.1.05)
HTW Dresden WebOPAC, Ausleihe + Katalogisierung (Ex. Lokal)
Migration: 3 mal. 1 System
+ Erwerbung (+ Fernleihe / Zeitschriften)
11/2002 -
06/2001
(3.1.05)
UB Leipzig WebOPAC, Ausleihe
Migration: 3 mal. 2 Systeme
Katalogisierung (Ex. Lokal / Katwin)) + Erwerbung (+ Fernleihe / Zeitschriften)
01/2002 -
07/2002
(3.1.04)
WSH Zwickau WebOPAC, Ausleihe
Migration: 2 mal. 2 Systeme
Katalogisierung (Ex. Lokal / Katwin) + Erwerbung (+ Fernleihe / Zeitschriften)
03/2002 -
08/2002
(3.1)
HfBK Dresden WebOPAC;
Migration: 2 mal. 2 Systeme
+Katalogisierung (Ex. Lokal / Katwin) + Ausleihe +
+Erwerbung (+ Fernleihe / Zeitschriften)
03/2002 -
06/2002
(3.1.5)
HTW Zittau Görlitz WebOPAC, Ausleihe + Katalogisierung
Migration: 2 mal.
+ Erwerbung (+ Fernleihe / Zeitschriften)
11/2001 - 08/2002
(3.1)
HGB Leipzig WebOPAC, Ausleihe + Katalogisierung (Ex. Lokal)
Migration: 2 mal , 1 System
+ Neu: Erwerbung (+ Fernleihe / Zeitschriften)
01/2002 - 07/2002
(3.1.5)
UB BA Freiberg WebOPAC, Ausleihe + Katalogisierung (Ex. Lokal)
Migration: 3 mal , 2 Systeme
+ Erwerbung ab 01/2003 (+ Fernleihe / Zeitschriften)
01/2002 - 08/2002
(3.1.)
HTW Mittweida In Arbeit 05/2002 -
2002
TU Chemnitz In Arbeit 04/2002 -
2002
  Stand: Oktober 2002
In neun von elf Hochschulbibliotheken ist die Migration zu LIBERO erfolgreich durchgeführt.
 

Tabelle 3: Stand Projektdurchführung LIBERO in sächsischen Hochschulbibliotheken  

10. Resümee

Für den Gesamtprozess verbleibt für die sächsischen Bibliotheken die Erfahrung, dass es durch eine straffe und koordinierte Auswahl möglich war, ein System zu finden, das die eingangs gestellten Ziele zu erreichen gestattet.

Die Migration zum Lokalsystem LIBERO vermittelt die Erfahrung, dass die straffe und koordinierte Projektdurchführung als auch die prototypische Verfahrensvorbereitung /-tests effektive Wege und Organisationsformen zur Einführung neuer Dienstleistungen sind.

Die erste Bilanz dieses die Praxis der sächsischen Bibliotheken darstellenden - und demzufolge mit wenig Literaturverweisen auskommenden - Berichts zum derzeitigen Zustand lautet:

Eine zweite Bemerkung zum Schluss drängte sich dem Autor auf. Bei der Sichtung der B.I.T.online in Raff2002 fand er den folgenden Gedanken:

"Überhaupt sei darauf hingewiesen, dass die seitens der Bibliothek vorangetriebene Integration der Geschäftsgänge durch eine verbindende "elektronische" Substruktur noch ein hohes Potential an Detailverbesserungen der Nutzung traditioneller wie neuer Medien wie der Verknüpfung der unterschiedlichen Strukturen bietet."

Das gemeinte hohe Potential an Verbesserungen ist auch und gerade für LIBERO vorhanden. Um nicht missverstanden zu werden: Die tägliche Praxis des Autors ist die Detailverbesserung von LIBERO an der SLUB.

Nur wäre es schade, wenn das Potential ausschließlich auf Detailverbesserungen beschränkt bliebe. Das haben weder LIBERO noch andere Systeme verdient.

Und bei der Verwendung der "elektronischen" Substruktur kommt es gerade für Bibliothekare darauf an, diese nicht nur als anzuwendende "Substruktur" zu behandeln, sondern auf den beiden Ebenen (bibliothekarische Anwendung und elektronische Basistechnologie) aktiv zu gestalten, damit aufeinander angepasste und sich befördernde Lösungen geschaffen werden können.


Anmerkung

1. z.B. ist der bibliothekarische Funkionsumfang anhand eines Kriterienkataloges "D1: Checklisten für die Bewertung neues Lokalsystem" für PICA und LIBERO überprüft und schriftlich von den beiden Anbietern bestätigt worden


Literaturverzeichnis:

AHLB96
Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hrsg.): Die Ausstattung von Hochschulbibliotheken mit lokalen Bibliothekssystemen im HBFG-Verfahren (AHLB), 2. Aufl. - DFG: Bibliotheksunterausschuss für Datenverarbeitung und Kommunikationstechniken und der Kommission für Rechenanlagen, 1996

AHLB98
Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hrsg.): Die Ausstattung von Hochschulbibliotheken mit lokalen Bibliothekssystemen im HBFG-Verfahren (AHLB), 3. Aufl. - DFG: Bibliotheksunterausschuss für Datenverarbeitung und Kommunikationstechniken und der Kommission für Rechenanlagen, 1998

Raff2002
Albert Raffelt und Wilfried Sühl-Strohmenger: Neue Informationsinfrastruktur an den Universitäten? Gedanken zur Rolle der Bibliothek im Kontext von Informations- und Wissensmanagement. - In: B.I.T.online, 5(2002), H.3, S. 233-244


Zum Autor

Dipl.-Ing. Jürgen Grothe studierte Informatik an der Technischen Universität Dresden. Als Assistent am Lehrstuhl für Betriebssysteme beschäftigte er sich nachfolgend mit Betriebssystemen, Datennetzen und verteilten Systemen.

1994 begann er in der Sächsischen Landesbibliothek als DV-Leiter und koordinierte die Verbundteilnahme der Sächsischen Hochschulbibliotheken. Seit Gründung der SLUB im Januar 1996 leitet er deren Abteilung Datenverarbeitung. Zum Einführungsprojekt eines neuen Lokalsystems hat er das Auswahlgremium geleitet und als Projektleiter die Migration zu LIBERO an der SLUB koordiniert.

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Abteilung Datenverarbeitung
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E-Mail: grothe@slub-dresden.de