– 19. Januar 2015 –
Jubiläumsfeier 50 Jahre Berliner Arbeitskreis Information (BAK)
Pamela Schmidt
Am 04. Dezember 2014 fand in der Universitätsbibliothek der Technischen Universität
Berlin die Feier zum 50-jährigen Jubiläum des BAK Information statt.
Das Programm bestand aus drei Vorträgen und einem Empfang, bei dem auch eine Ausstellung
zur Geschichte des BAK Information gezeigt wurde.
Zunächst sprach die Vorstandsvorsitzende Tania Estler-Ziegler einführende Worte, in denen sie die drei Festredner kurz vorstellte, deren Verbindung zum BAK Information aufzeigte und auf die wichtige Aufgabe der Vernetzung und Kommunikationsförderung hinwies, die Vereine wie der BAK Information auch in Zukunft wahrnehmen werden.
Herr Professor Dr. rer. nat. Wolfrudolf Laux hielt einen Vortrag zur Gründungsgeschichte des BAK Information. Herr Professor Laux, der als langjähriges Vorstandsmitglied (seit 1972) Erfahrungen aus erster Hand zur Entwicklung des BAK Information beisteuern konnte, schilderte vor allem die Vorgeschichte der Vereinsgründung und die Einbettung in die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.
Der politische Status Berlins und die damit einhergehende Verunsicherung der Bevölkerung hatten nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer starken Abwanderung von Industrie, Arbeitsplätzen und Einwohnern aus West-Berlin geführt. Ab Anfang der 1960er Jahre wurde die herausragende Bedeutung des IuD-Bereichs für Wissenschaft, Forschung und Technik immer offensichtlicher, was sich auch in dem 1962 aufgestellten „Kulturplan West-Berlin“ zur Ansiedlung von Bereichen der Industrie und Wirtschaft, die nicht auf Anlieferung oder Versorgung von außen angewiesen waren, wiederspiegelte. Aus der Gegenströmung zu den dort formulierten IuD-Plänen entstand am 21.01.1964 der BAK Information. Somit kam es zu einer Institutionalisierung der Informationsbranche in Berlin.1 Der BAK Information war das erste regionale Gremium der Deutschen Gesellschaft für Dokumentation (DGD, heute Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V., DGI). Bereits 1964 erschien das erste Verzeichnis der Berliner Dokumentationsstellen, 1964/65 fand der erste Jahreslehrgang für Dokumentare statt. Es bestanden enge Verbindungen zu Senatsverwaltungen und Politik, die die Durchführung von Projekten und durch die Informationsbeiräte die Implementierung von IuD auf kommunaler Ebene ermöglichte.
Im Laufe der fünzigjährigen Vereinsgeschichte war immer die Fähigkeit zur Anpassung an sich verändernde Verhältnisse gegeben, die auch die vom BAK Information vertretenen Berufsbilder prägt.
Herr Jürgen Christof bestritt den zweiten Vortrag. Er steht dem BAK Information als Leiter der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin eng zur Seite, indem er wie seine Vorgänger Räumlichkeiten und Infrastruktur zur Verfügung stellt.2 Er thematisierte die Bedeutung der Sondersammelgebiete (SSG) und gab einen Ausblick auf die Auswirkungen der Auflösung der SSG und die Umorientierung hin zu den Fachinformationsdiensten für die Wissenschaft (FID).
Die Sondersammelgebiete waren aus dem Notprogramm 1949 entstanden und ab 1950 durch die DFG gefördert worden. Die Idee dahinter war der Aufbau einer verteilten nationalen Forschungsbibliothek, die garantieren sollte, dass jedes erschienene Werk in Deutschland mindestens einmal vorhanden ist (Solidargemeinschaft). Das Ziel war eine systematische Beseitigung von Bestandslücken indem von den jeweiligen Bibliotheken eine Reservoirfunktion erfüllt wurde.3 Im bibliothekarischen Alltag erwies sich das System als sehr erfolgreich, obwohl jede SSG-Bibliothek erhebliche zusätzliche Etats aufbringen musste und es durch jährlich zu stellende Anträge und eine Berichtspflicht an ein DFG-Kontrollgremium einen gewissen Verwaltungsaufwand gab.4
Ab 1998 wuchs die Kritik an dem System der Sondersammelgebiete, vor allem aufgrund einer geringen Berücksichtigung digitaler Veröffentlichungen in den SSG. Mit dem „Förderverband Virtuelle Fachbibliotheken“ wollte man gegensteuern. 2004 wurde als Ergänzung zu dem Memorandum von 1998 der Sammelauftrag auf freie Internetressourcen erweitert.
2010/11 fand eine Evaluierung des Systems der Sondersammelgebiete statt. Kritisiert wurde unter anderem die Reservoirfunktion, die dazu führe, dass aktuelle Forschungs- und Informations-Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt würden. Auch war noch keine befriedigende Lösung für die Einbindung digitaler Medien gefunden worden.
Als Folge der Evaluation wurde die Abschaffung der SSG beschlossen.
Mit der Einführung der Fachinformationsdienste für die Wissenschaft (FID) erfolgte eine Umstellung auf Projektförderung (statt der bisherigen „Infrastrukturförderung“).
Im neuen System kann erstmals auch Personal gefördert werden. Im Gegensatz zu früher liegt die Bewilligungsquote aber nicht mehr bei 98% sondern bei unter 50%, so dass es keinerlei Planungssicherheit mehr für die ehemals beteiligten Bibliotheken gibt. Die Förderung beruht nun auf einem 67/33-Prinzip (vorher 75/25). Der Förderzeitraum liegt bei drei Jahren, in denen ein Zwischenbericht und ein Abschlussbericht eingereicht werden müssen.
Die „Neuausrichtung“ der Sondersammelgebiete stellt digitale Medien in den Vordergrund. Die vorher für alle SSG-Bibliotheken einheitlichen Kriterien für den Bestandsaufbau haben keine Gültigkeit mehr. Bei den Anschaffungsentscheidungen sollen die Fachcommunities stärker als bisher mit einbezogen werden, um reale Bedarfe zu decken. Wie diese Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken und Fachgesellschaften aussehen kann muss sich aber erst noch herausstellen. Ebenso wird sich noch zeigen müssen, wie der „Wettkampf der Ideen“ um frei gewordene SSG-Fächer aussehen wird und wie sich das neue System auf die Literaturversorgung in Deutschland auswirken wird.
Herr Reinhard Karger sprach im dritten Vortrag des Abends über das jetzige und zukünftige Digital Life und seine Konsequenzen für Informationsspezialisten und die Zukunft der Informationsbranche.
Herr Reinhard Karger sprach im dritten Vortrag des Abends über das jetzige und zukünftige Digital Life und seine Konsequenzen für Informationsspezialisten und die Zukunft der Informationsbranche.
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI), der seit 2011 Unternehmenssprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) ist und damit an einer Schnittstelle neuer Entwicklungen sitzt, ist dem BAK Information durch die geschichtliche Affiliation zwischen dem BAK und der DGD verbunden.
Herr Karger machte anhand von an die DGI gestellte Anfragen deutlich, dass ein Bedarf an Informationsprofis besteht und sich potentiell noch steigern wird. Die Herausforderung wird darin bestehen, aus Big Data die relevanten Informationen herauszufiltern.
Laut Herrn Karger wird sich künftig keine Branche der zunehmenden Digitalisierung entziehen können.5
Nach dem Internet der Daten folgt das Internet der Dinge, das heißt die Implementierung von Chips6 in Geräte, die sich dann mit dem Internet verbinden können. Der wachsende Markt von connected devices hat beispielsweise Auswirkungen auf die industrielle Fertigung, indem Geschäftsprozesse und Produktionsprozesse in ständigem Kontakt miteinander stehen.
Auch das Einkaufen der Zukunft, bei dem z.B. individualisierte Produktinformationen und Artikelempfehlungen realisiert werden können, wurde angesprochen.
Bei allen Themen sind die gesammelten Daten der Knackpunkt, da durch die Digitalisierung unser gesamtes Leben in Form von Dateninformation gespeichert werden kann.7 Neben der Frage, wer welche Daten wo sammelt stellt sich auch die Frage, wo diese Daten gespeichert werden und wer darauf Zugriff hat.
Reinhard Karger sprach die unterschiedlichen Informationsschichten an, bei denen man zwischen öffentlichen Daten, Peer2Peer, privaten und intimen Informationen unterscheidet.
Beim Cloud Computing werden schon jetzt viele Daten ausgelagert gespeichert.
Da man dabei nicht immer sicher sein kann, was mit den Daten geschieht spricht sich Rainhard Karger für individuelle, das heißt private und persönliche Clouds aus. Jeder sollte künftig einen eigenen Server mit seiner privaten Cloud für private und intime Daten haben. Dadurch entsteht Datenhoheit, d.h. man kann selbst entscheiden und kontrollieren, was mit den Daten geschieht und wer in welcher Form darauf zugreifen darf.
Durch die private Cloud kann man sich vor Manipulierbarkeit in einer vernetzten Welt, in der immer mehr intime Daten entstehen, schützen.
Reinhard Karger zieht das Fazit, dass Recherche einen zweiten Frühling erleben wird. Da das Internet der Dinge intime Daten produziert, werden persönliche Server/ Clouds zum nächsten Megatrend werden. Die Zukunfts-Chancen für Informationsprofis sind sehr groß, einerseits auf der technischen Seite, z.B. dem Entwerfen von Schnittstellen, andererseits als Helfer bei der Bewältigung der Datenflut und als Datenschützer.
Bei dem anschließenden Empfang konnten sich die Teilnehmer über die Vorträge austauschen und eine Ausstellung zur Geschichte des BAK Information und der IuD-Branche besichtigen.
Pamela Schmidt
Berliner Arbeitskreis Information (BAK)
c/o TU Berlin im Volkswagenhaus
Fasanenstr. 88, 10623 Berlin
Anmerkungen
1. Daran beteiligt waren neben Herrn Professor Max Pfender unter anderem Vertreter des Normenausschuss (später: DIN), des Reichspatentamtes, der Industrie- und Handelskammer, der Leiter der Universitätsbibliothek der TU Berlin Professor Paul Kaegbein und Professor Hans Werner Schober, der an der Freien Universität Berlin den Fachbereich Informationswissenschaft mitbegründete.
2. Die TU Berlin unterstützt den BAK Information seit 1970 in dieser Weise.
3. Es wurde nicht nach Bedarf sondern auf Vorrat gekauft.
4. Offiziell betrug die DFG-Förderung 75%, da keine Personalkosten gefördert wurden machten die Fördergelder real aber eher 20% der mit einem Sondersammelgebiet verbundenen Kosten aus. Aufgrund einer Bewilligungsrate von 98% konnten die Bibliotheken die Fördergelder als festen Bestandteil in ihre Budgets einplanen.
5. Exemplarisch nannte er die Musikindustrie, die Zeitungsbranche und den Finanzsektor als Bereiche, in denen schon heute eine starke Digitalisierung zu beobachten ist.
6. Diese Chips arbeiten mit RFID oder NFC-Technik.
7. Neben dem Einkaufsverhalten werden zunehmend auch gesundheitsbezogene Daten erhoben, durch Handys Bewegungsprofile erstellt, etc.